19 - Nachdenken

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~Tonis Sicht~

Zwanzig Minuten. Zwanzig Minuten die ich in Rezos Zimmer auf seinem Bett saß und wartete. Es waren die längsten zwanzig Minuten meines Lebens. Ich wartete drauf, dass der Blauhaarige zu mir kam und sich entschuldigte, dass er mir sagte, dass er immer ein wenig Zeit für mich übrig hatte. Ich weiß, dieser Gedanke war egoistisch, doch ich bräuchte die Gewissheit, dass ich falsch lag. Falsch in der Vermutung, dass ich zwischen ihm und seiner Leidenschaft stand. Trotzdem hasste ich mich schon nach diesem Gedanken noch ein kleines Stück mehr. Ich war so unglaublich egoistisch!

Doch als ich nach den längsten zwanzig Minuten meines Lebens die Tür zum Aufnahmezimmer öffnete und Rezo an seinem PC arbeiten sah, war das meine Bestätigung. Ich stand tatsächlich zwischen ihm und seiner Arbeit. Ich war ihm im Weg. Ich war nur ein kleines nerviges Anhängsel, dass sowieso niemand brauchte.

Ich lief aus dem Haus. Ich wollte nur ein wenig nachdenken. Schon nach fünf Schritten merkte ich, dass es eiskalt war und ich besser eine Jacke hätte mitnehmen sollen. Doch jetzt würde ich definitiv keinen Rückzieher machen. Mein erster Gedanke waren Mason und Ben, doch sie würden Rezo sagen, dass ich bei ihnen war. Ich lief also erstmal weiter, unwissend wo ich jetzt hinwollte.

Irgendwann merkte ich, dass ich an einer ganz bestimmten Straße angelangt war. Hier war es damals passiert. Doch statt wie sonst immer, abrupt stehen zu bleiben, kehrt zu machen und weg zu rennenn schaute ich eine halbe Ewigkeit einfach bloss die Straße an.

Der Asphalt war ziemlich kaputt und die weißen Linien waren fast gar nicht zu sehen. Ab und zu kam mal ein Auto oder ein Fahrrad vorbei. Die Fahrer schauten mich allesamt komisch an. Verständlich war das schon: Ich war ein Junge, der aussah als wäre er zwölf, welcher bei ungefähr fünf Grad allein am Straßenrand rumstand.

In diesem Moment war mein Kopf wie leer gefegt. Ich hörte bloss ein schönes Lachen. Das meiner Schwester. "Toni!", rief sie fröhlich. Ich schloss meine Augen und sah sie nun auch vor mir. Ihre langen braunen Haare hingen ihr in leichten Locken bis zur Hüfte und ihre braunen Augen strahlten ein gewisses Gefühl von Glück aus. Ein breites Grinsen war ihr ins Gesicht geschrieben, sodass man ihre niedlichen Grübchen sah. Ganz blass waren auch ein paar Sommersprossen in ihrem Gesicht zu finden. Sie hatte ihr Lieblingskleid mit roten Blumen drauf an.

Das laute Rauschen eines vorbei fahrenden LKWs holte mich aus meinen Gedanken und ich riss erschrocken meine Augen auf. Vor mir spielte sich der Tod meiner Schwester wieder und wieder ab. Ich stolperte ein paar Schritte zurück. Schnell schüttelte ich den Kopf und versuchte sowohl dieses schreckliche Ereignis, als auch dieses verhasste Geräusch aus meinem Kopf zu bekommen.

Langsam ging ich über die Straße zum Spielplatz. Alles hier erinnerte an sie: Ihr Lieblingsschaukel, wo sie fast immer zu finden war, das Klettergerüst, von welchem sie unzählige Male rutengefallen war und dann laut gelacht hatte, das Trampolin, auf diesem hatte ich ihr einen Salto beigebracht und die Rutsche, auf welche wir mal mit Edding unserer Namen geschrieben hatten.

Ich setzte mich auf Schaukel und starrte gedankenverloren in der Umgebung rum. Mittlerweile zitterte ich und meine Hände waren total blass. Auch das Zähneklappern ließ sich nun nicht mehr ausschalten. Ewig schwelgte ich in Erinnerungen an meine Schwester, bis mir irgendwann tatsächlich vor Erschöpfung und Kälte die Augen zufielen.
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575 Wörter

Sorry, dass das Kapitel so kurz ist!

Die Farbe der Liebe ist blau || #RezoniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt