7- Plan missglückt

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~Rezos Sicht~

Am nächsten Morgen klingelte um zehn vor sechs der Wecker. Toni vergrub sein Gesicht an meiner Brust und brummte genervt. Ich stellte den Wecker aus und setzte mich auf, sodass der Kopf des Blauhhaarigen auf meinen Schoss rutschte. Ich strich ihm behutsam über den Kopf. Fürsorglich bettete ich seinen Kopf auf das Kissen hinter mir und stand auf. "Wo willst du hin?", murmelte Toni. "Zur Schule", flüsterte ich. "Warte", er setzte sich hin. "Auf keinen Fall! Du bleibst hier.", ich drückte ihn an den Schultern wieder nach unten und setzte mich zu ihm. "Du bist krank, du bleibst zuhause", meinte ich. "Aber...", wollte er einwenden. "Nein", sagte ich. Toni drehte sich zur Wand.

Nachdem ich duschen war und etwas angezogen hatte stand auch Toni auf. "Leg dich wieder hin", meinte ich zu ihm, doch er schüttelte den Kopf. Ich ging runter in die Küche, Toni folgte mir. Ich machte mir Müsli, stellte es auf die Theke und drehte mich dann zu Toni. "Willst du auch was essen?", fragte ich, er schüttelte den Kopf. Ein wenig verloren stand er nun da und schaute sich um. "Na komm", ich breitete die Arme aus. Er lächelte und kam auf mich zu. Ich setzte ihn auf einen der hohen Stühle. "Alles ok?", wollte ich wissen. "Bisschen kalt, sonst ja", das ging natürlich nicht, sodass ich in Wohnzimmer ging, eine Decke holte und Toni darin einwickelte. Er lächelte mich dankbar an, was ich erwiderte.

Um sieben stand ich fertig an der Tür und setzte meinen Rucksack auf. Toni stand mir gegenüber. Ich zog ihn kurz in meine Arme. "Leg dich wieder hin. Ich seh doch wie müde du bist.", flüsterte ich in sein Ohr, Toni nickte.

Gelangweilt saß ich in der letzten Reihe im Deutschunterricht, in der sechsten Stunde, und hörte meiner Lehrerin zu, die irgendwas über Präpositionen in der dritten Person, im Futur 2 sprach. Irgendwann schaltete ich ab und meine Gedanken wanderten zu Toni. Was er wohl grade machte? Hoffentlich lag er noch im Bett und ruhte sich aus. Apropos in der Pause könnte ich ihn ja einfach mal anrufen. Als könnte die Klingel meine Gedanken lesen, setzte sie just in diesem Moment ein. Ich stopfte meine Sachen in meine Tasche und stürmte aus dem Schulgebäude auf den Hof.

Schnell wählte ich Tonis Kontakt aus und drückte auf den grünen Hörer. Während es tutete überlegte ich, wie es dazu kam, dass Toni überhaupt ein Handy besaß. Er hatte denke ich mal etwas von reichen Großeltern in Italien erzählt. "Rezo?", meldete sich Toni. "Ja. Hey. Wie geht's?", antwortete ich ihm. "Geht", meinte er. "Soll ich nachhause kommen?", fragte ich besorgt. "Nein", sagte Toni schnell. "Ok? Ich hab auch bloss noch zwei Stunden. Dann bin ich da.", erzählte ich. "Ok", ich konnte Toni schon fast rot werden hören. "Hör zu. Ich muss jetzt auflegen. Die Stunde fängt gleich an.", sagte ich. "Ok", meinte Toni schon wieder. "Bis dann.", meinte ich und legte auf.

Nach der letzten Doppelstunde Geschichte, welche pure Folter war, rannte ich schon fast nachhause. Dort warf ich meine Sachen achtlos in den Flur und stürzte die Treppe hoch. Toni saß in meinem Zimmer, auf der großen Fensterbank, mit einer Decke auf dem Schoss und las. "Wo hast du denn das Buch gefunden?", ich lächelte. Er zuckte zusammen und sah dann zu mir. "Du hast mich erschreckt", auch er begann zu lächeln. "Das Buch ist aus dem Schrank im Musikzimmer, ich hoffe das ist ok", erzählte Toni. "Ja klar!", versicherte ich und kam auf ihn zu. Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und setzte mich neben ihn. Er legte seinen Kopf auf meine Schulter und ich meinen Arm um ihn.

~Tonis Sicht~

Ich genoss diesen Moment der Stille, in welchem ich einfach an Rezo gelehnt da saß und für ein paar Sekunden sorglos war.

Doch dieser schöne Moment wurde von einem Gedanken zerstört. Schon wieder schlich sich meine kleine Schwester in meine Gedanken. Ich seufzte etwas frustriert und schloss die Augen. "Was ist denn?", Rezo strich mir über die Seite und sah mich schon wieder besorgt an. "Alles gut", meinte ich, was Rezo mir jedoch nicht abnahm und mich skeptisch anschaute. "Wenn du reden willst, bin ich für dich da, ok?", fragte der Große. Ich nickte. Er drehte mich um und zog mich auf seinen Schoß, sodass ich dort nun ihm gegen über saß. Mein Bauch begann leicht zu kribbeln und ich wurde rot. Schnell beugte ich mich vor und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. "Du bist so cute!", freute sich Rezo. Er legte seine Arme um mich und strich mir über den Kopf.

Irgendwann begann mein Magen zu knurren. Ich versuchte es zu unterdrücken, doch Rezo hatte es schon gehört. "Hast du etwa noch nichts gegessen?", fragte Rezo irgendwann. Ich schüttelte den Kopf. "Hunger?", war seine nächste Frage, wieder schüttelte ich den Kopf, obwohl es eigentlich auf der Hand lag, dass ich hunger hatte. Doch ich wusste aus Erfahrung, dass mein Magen das nicht mitmachen würde. "Du musst aber was Essen", meinte Rezo. "Hab aber Bauchschmerzen", murmelte ich und drehte mich auf seinem Schoss um, danach lehnte ich mich an ihn. Rezo strich mir behutsam über den Bauch und hauchte mir einen Kuss auf den Kopf.

Irgendwann setzte er sich auf, sodass mein Kopf auf seinen Bauch rutschte. Auch ich setzte mich hin und sah ihn fragend an. Rezo stand auf, hob mich wortlos hoch und lief mit mir auf seinem Arm in die Küche. Er setzte mich auf die Küchenzeile und holte einen Topf aus dem Schrank. "Magst du Kartoffelbrei?", fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. "Rezo...", ich wollte etwas einwenden. "Toni du kannst nicht nichts essen. Du hast gestern morgen das letzte mal was gegessen, vermutlich nicht mal.", meinte er. Ich schwieg. Er hatte ja recht, aber es würde eh nichts nützen. Mein Magen würde rebellieren.

Zehn Minuten später saß ich wieder in Rezos Zimmer mit einem dampfenden Teller Kartoffelbrei auf meinen Schoß. Rezo machte irgendetwas an seinem Handy, während ich den Brei missbilligend anschaute. Nicht etwas weil ich Kartoffelbrei nicht mochte oder Rezo nicht koche konnte, sondern weil mir schon beim Anblick von Essen schlecht wurde. Ich würgte den ersten Löffel des gelben Breis runter und wollte sofort ins Bad stolpern um mich zu übergeben. Mir würde unglaublich schlecht, was man mir bestimmt ansah. Rezo zuliebe zwang ich mich jedoch weiter zu essen. Danach würden wir uns hinlegen und sobald er schlief konnte ich ins Bad gehen.

Vier Löffel später ging es mir nicht anders, doch Rezo legte nun sein Handy weg und schaute mich an. "Alles ok?", ich nickte und setzte ein Fake-Lächeln auf.

Nach dem sechten Löffel machte allerdings mein Magen nicht mehr mit und ich stolperte ins Bad. Plan missglückt würde ich sagen.

Auch fünf Minuten später hing ich noch würgend über der Toilette. Rezo hockte hinter mir und strich mir sanft über den Rücken. 

Zehn Minuten später lag ich im Bett und der Große saß neben mir. Beunruhigt sah er mich an und streichelte meine Wange. "Mein kleines Sorgenfuhn", murmelte er. Fuhn? Was zur Hölle ist ein Fuhn?! Auf einmal schien ihm eine Idee zu kommen und er stand auf. "Bin gleich wieder da.", meinte er und verließ den Raum.
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Die Farbe der Liebe ist blau || #RezoniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt