𝔼𝕡𝕚𝕝𝕠𝕘

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Etwa ein Jahr später ...

Ungeduldig starrte ich aus dem kleinen Küchenfenster meines Wohnheimzimmers auf den gegenüberliegenden Parkplatz, als mich das Vibrieren meines Telefons ablenkte.

»Ja?«, meldete ich mich, wohl wissend, dass Megan mich am anderen Ende der Leitung erwartete.

»Du wirst nicht glauben, was ich heute mache!«

»Ich bin ganz Ohr«, erwiderte ich schmunzelnd, während ich mich gegen meine Küchenzeile lehnte und gedanklich bereits auf eine wilde Geschichte eingestellt war.

»Eine Kajakfahrt auf dem Swan River«, erklärte Megan daraufhin stolz und ich freute mich unglaublich für sie. Die Tatsache, dass sie sich kurz nach unserem Abschluss vor zwei Monaten dazu entschieden hatte, für ein Jahr nach Australien zu gehen, war definitiv die richtige Entscheidung für sie und ich liebte es, mir regelmäßig über ihre Abenteuer berichten zu lassen.

»Das klingt großartig!«, rief ich also begeistert und hörte sie daraufhin kurz auflachen. Megan war glücklich. So, wie sie es verdiente.

»Ich melde mich wieder, ja?«

»Mach das! Viel Spaß beim Kajakfahren und pass auf dich auf!«

Mit diesen Worten trennten wir die Verbindung und obwohl ich sie schrecklich vermisste, war ich froh, dass sie ihrem Herzen gefolgt war. Nach dem Ende der Schulzeit – und der Trennung von Kyle – hatte es sie in die Ferne gezogen und natürlich konnte sie bei ihren Plänen von Anfang an auf meine Unterstützung zählen.

Ich hingegen hatte vor gar nicht langer Zeit mein Studentenzimmer auf dem Campus der Coastal Carolina University in Conway bezogen, da ich tatsächlich meinen Wunsch-Studienplatz ergattern konnte: Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt in Fotografie. Die Einführungswochen waren fast geschafft und ich hatte sogar schon erste Freundschaften zu anderen Kommilitonen schließen können.

Ein forderndes Klopfen an meiner Tür ließ mich kurz zusammenzucken, bevor ich auch schon zur Tür rannte, um diese schwungvoll zu öffnen.

Da stand er. Wie immer lässig gegen den Türrahmen gelehnt, seine blauen Augen aufmerksam auf mich gerichtet, bevor er sich ganz selbstverständlich nach vorne beugte, um mir einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Ich erwischte mich noch oft dabei, mich selbst zu kneifen. Einfach, um sicherzugehen, dass nicht alles nur ein Traum war, denn vor etwas über einem Jahr, war meine Welt kurzzeitig zusammengebrochen.

Dylan war damals zurück nach Folkestone gegangen, um dort sein Trauma aufzuarbeiten. Natürlich wusste ich tief in mir, dass es richtig war. Trotzdem hatte mich sein Verlust schwer getroffen, denn niemand konnte uns beantworten, was diese Entscheidung für uns bedeuten würde. Wir telefonierten oft und schrieben unzählige Briefe, was auf manche vielleicht altmodisch wirkte, half uns zu heilen – ihm mehr als mir. Neben regelmäßigen Therapiesitzungen, holte er seinen Abschluss nach und bewarb sich schließlich für das Fulbright-Programm. Dieses Austauschprogramm ermöglicht britischen Studenten, an einer Partneruniversität in den USA zu studieren. So kam es letztlich, dass Dylan sich am Charleston College einschreiben konnte, um dort Geschichte zu studieren. Da Charleston nur etwa eine Autostunde von meinem Campus entfernt lag, verbrachten wir die meiste Freizeit gemeinsam, was meinen Glücks-Hormonhaushalt regelmäßig zum Überlaufen brachte.

Selbstverständlich nahm er auch hier weiterhin therapeutische Hilfe in Anspruch und ich war unendlich stolz auf ihn und die Fortschritte, die er machte. In den nächsten Semesterferien war ein gemeinsamer Trip nach Folkestone geplant und ich konnte es kaum erwarten, endlich seine Familie kennenzulernen. Greg war natürlich weiterhin in unseren Gesprächen präsent und ich dankte ihm oft in Gedanken dafür, Dylan und mich zusammengeführt zu haben. Denn das war es, woran ich fest glaubte.

»Sollen wir was essen gehen?«, wollte er schließlich wissen, als er in mein Apartment getreten war. Er hielt sich symbolisch den Bauch, was mich sofort schmunzeln ließ.

»Klingt gut«, stimmte ich also zu, bevor ich kurz einen Zeigefinger in die Luft streckte, »Lass mich nur eben Danielle antworten. Sie wollte am Wochenende mit Joshua nach Beaufort fahren und hat gefragt, ob wir auch dort sein werden.«

»Mach das«, erwiderte er geduldig und ich nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie er interessiert mein aktuelles Fotoprojekt betrachtete. Ich hatte die Zeit der Eingewöhnung nämlich damit verbracht, meine neue Umgebung zu fotografieren und einige der Schnappschüsse auf Leinwand drucken lassen. In diesem Augenblick lagen sie noch ausgebreitet auf dem Fußboden, aber sobald ich mich auf ein passendes Plätzchen festgelegt hatte, würde ich sie aufhängen. »Die sind wirklich gut geworden«, schob er anerkennend nach, was mein Herz erneut zum Hüpfen brachte.

Anschließend verließen wir Hand in Hand mein Apartment, während ich die Augen kaum von ihm abwenden konnte.

Wir gehörten zusammen, davon war ich fest überzeugt.

Natürlich war die Zeit nicht spurlos an uns vorübergegangen, aber die Narben der Vergangenheit erinnerten uns gleichzeitig auch an die Herausforderungen, die wir überwunden hatten und ich war unglaublich dankbar dafür, gemeinsam mit ihm in die Zukunft gehen zu dürfen.

Ende

Who Is Dylan?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt