𝔻𝕣𝕖𝕚ß𝕚𝕘

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Nachdem wir eine Zeit lang weiter über den Kirmesplatz geschlendert waren, kam mir Megans Anfrage wieder in den Sinn. Sie hatte mich förmlich bekniet, weil sie Dylan unbedingt kennenlernen wollte, aber ein heimliches Treffen zu vereinbaren, kam für mich nicht in Frage. Immerhin waren wir gerade erst dabei, uns wieder anzunähern. Glücklicherweise hatte sie es letztendlich akzeptiert und wir konnten uns darauf einigen, ein Kennenlernen der beiden auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

»Willst du?« Dylan war direkt vor dem Zugang zum Riesenrad stehengeblieben und deutete auf das imposante Konstrukt vor uns. Mittlerweile war es dunkel geworden, weshalb die Beleuchtungen der einzelnen Attraktionen ihren ganz eigenen Charme versprühten. Schon als kleines Kind hatten mich die vielen bunten Lichter in ihren Bann gezogen und kurz dachte ich an die früheren Besuche gemeinsam mit meinen Eltern und Danielle. Während meiner Schwester damals keine Attraktion zu hoch oder zu schnell sein konnte, war ich schon immer eher zögerlich.

»Ich weiß nicht«, erklärte ich daher unentschlossen. Ehrlich gesagt bereitete es mir ein ungutes Gefühl, mich in solch eine Höhe zu begeben. Das letzte Mal war ich mit Danielle auf dem Riesenrad gewesen und sie fand es furchtbar lustig, die Kabine während der Fahrt zum Wackeln zu bringen, was mir damals einen halben Herzinfarkt beschert hatte. Allerdings lag dieser Umstand bereits einige Jahre zurück und irgendwie schien es mir albern, nur deshalb nicht mehr auf diese Attraktion zu gehen. »Warum eigentlich nicht?«, schob ich also mit einem schiefen Lächeln hinterher.

Kurze Zeit später saß ich auch schon gemeinsam mit Dylan in einer der Kabinen. Im Hintergrund lief irgendeine undefinierbare Musik, die sich mit den aufgeregten Stimmen der anderen Besucher vermischte und zumindest dafür sorgte, dass ich meinen eigenen Herzschlag nicht hören konnte. Trotzdem spürte ich das Hämmern in meinem Brustkorb ganz deutlich, was ich jedoch zu ignorieren versuchte. Mein Begleiter hingegen saß mir vollkommen entspannt gegenüber, die Arme lässig auf seinen Oberschenkeln abgelegt.

Als sich die Kabine ein paar Sekunden später in Bewegung setzte, konnte ich nicht anders, als meine Nägel im Affekt in die Sitzbank zu krallen.

»Hey ... Alles gut bei dir?«, wollte Dylan mit einer Mischung als Belustigung und Besorgnis von mir wissen. Ohne zu zögern, beugte er sich nach vorne und griff nach meiner Hand. Es dauerte einen Augenblick, ehe ich meine Augen von dem immer kleiner werdenden Kirmesplatz abwenden konnte und stattdessen auf seine Finger blickte. Die Wärme seiner Hand wirkte beruhigend auf mich ein und ich begann mich allmählich zu entspannen – auch wenn ich mich wahrscheinlich niemals mit dem naturgemäßen Ruckeln des Fahrgeschäfts anfreunden würde können.

Als wir den höchsten Punkt erreicht hatten, stoppte die Kabine. Die meisten Fahrgäste nutzten diesen Zeitpunkt wahrscheinlich, um die Aussicht zu genießen, allerdings schaffte ich es einfach nicht, den Blick von Dylans Hand zu heben.

»Hast du Höhenangst?« Er hatte sich zu mir nach vorne geneigt und ich konnte seinen nun doch besorgten Unterton ganz deutlich heraushören.

»Nicht direkt, aber mit Boden unter meinen Füßen fühle ich mich trotzdem wohler«, antwortete ich so locker, wie es mir in dieser Situation möglich war.

»Du hättest auch Nein sagen können, das weißt du, oder?«

»Ist schon okay – wirklich«, versuchte ich ihn zu beruhigen und rang mir ein Lächeln ab. Als ich es schließlich doch schaffte, meinen Blick zu heben sah ich ihm direkt in die Augen. Dieser Blickkontakt sorgte sofort dafür, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch verrücktspielten.

Bevor ich realisierte, was geschah, hatte Dylan seine freie Hand an meine Wange gelegt. Sein Blick war intensiv, das Blau seiner Iris fast vollkommen von dem Schwarz seiner Pupille überdeckt.

Ganz langsam näherte er sich mir mit seinem Gesicht, so weit, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Sein Blick wechselte fragend zwischen meinen Augen und meinem Mund.

Oh Gott, was passierte hier gerade?

Ohne weiter darüber nachzudenken, überbrückte ich die letzten Zentimeter zwischen uns, legte meine Lippen vorsichtig auf seine. Er ließ seine Fingerspitzen von meiner Wange zu meinem Nacken wandern und hinterließ dabei viele kleine elektrische Impulse auf meiner Haut.

Sein Mund war so wunderbar weich, wie ich ihn mir schon unzählige Male vorgestellt hatte. Außerdem konnte ich ganz deutlich die Cola herausschmecken, die er nur wenige Augenblicke zuvor getrunken hatte.

Es war nur ein kurzer Moment, dann setzte die Kabine ihre Fahrt fort und wir lösten unsere Verbindung zueinander. Niemand von uns sagte ein Wort, das mussten wir auch gar nicht. Manchmal reichte es vollkommen, gemeinsam zu schweigen.

Hatten wir uns gerade tatsächlich geküsst?

Ja! Ich konnte noch immer die Wärme seines Mundes auf meinen Lippen spüren. Der Kuss war kurz, aber trotzdem hatte er sich unglaublich gut angefühlt. Es war genau das, was ich gebraucht hatte und ich fragte mich, ob es ihm wohl genauso ging?

Nach zwei weiteren Fahrtrunden, kam das Riesenrad wieder zum Stehen und wir verließen nacheinander die Kabine.

Während wir das Fahrgeschäft hinter uns ließen, fragte ich mich unweigerlich, was dieser Kuss wohl zu bedeuten hatte.

Who Is Dylan?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt