ℕ𝕖𝕦𝕟𝕦𝕟𝕕𝕫𝕨𝕒𝕟𝕫𝕚𝕘

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»Moment! Ich komme nicht mehr mit!«, rief Megan aufgewühlt in den Handylautsprecher und veranlasste mich somit mal wieder dazu, mein Telefon einige Zentimeter von meinem Ohr zu entfernen.

»Also ...«, versuchte ich erneut, die Geschehnisse des Abends für sie zusammenzufassen, »Dylan hat mich abgepasst, sich für sein Verhalten entschuldigt und mich anschließend gebeten, mit ihm zur Eröffnung der Kirmes zu gehen.«

Der Gedanke daran ließ mein Herz unweigerlich rasen, ohne dass ich etwas gegen die heftige Reaktion meines Körpers ausrichten konnte. Eigentlich dachte ich wirklich, mit ihm abgeschlossen zu haben, aber sein Auftauchen hatte es tatsächlich geschafft, alle Vorsätze über Bord zu werfen.

»Du hast also ein Date mit dem mysteriösen Dylan?« Ich konnte hören, wie meine beste Freundin scharf die Luft einzog. »Ich weiß gerade nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll.«

»Das kann ich dir auch nicht beantworten. Ich weiß ja nicht mal, ob er es wirklich als Date sieht.«

»Ich glaube, dass wirst du wahrscheinlich erst nach eurem Treffen wissen«, erwiderte sie nachdenklich. »Wie ich dich kenne, wirst du doch hingehen, richtig?«

»Natürlich«, antwortete ich vollkommen überzeugt. »Er hat sich zwar aufgeführt wie ein Arsch und hätte beinahe mit Beth geschlafen, aber ja ... Ich werde mich mit ihm treffen.«

»Beth ist eine Bitch und hat gegen dich sowieso keine Chance«, redete Megan plötzlich auf mich ein, aber ich teilte ihre Überzeugung nicht wirklich. Immerhin gehörte sie nicht ohne Grund zur Cheerleader-Mannschaft unserer Highschool.

»Eigentlich will ich mir gar keine weiteren Gedanken über sie machen. Die Hauptsache ist, dass nichts Ernsthaftes zwischen den beiden gelaufen ist.«

»Du hast absolut recht«, stimmte meine Freundin mir zu, während ich noch immer aufgewühlt in meinem Zimmer auf und ablief. Als ich mir dessen bewusstwurde, stoppte ich vor meinem Bett und ließ mich kurzerhand rückwärts auf die Matratze fallen.

»Du? Claire?«, ergriff Megan erneut das Wort und an ihrer Tonlage konnte ich deutlich erkennen, dass ihr etwas auf dem Herzen lag.

»Ja?«, forderte ich sie zum Weiterreden auf, den Blick wartend auf meine Deckenlampe gerichtet.

»Wäre es sehr doof, wenn ich mit Kyle auch zur Eröffnung komme? Es muss nicht direkt ein Viererdate sein, aber so könnte ich Dylan auch mal kennenlernen. Auf der Party habe ich ihn ja nicht gesehen und ich dachte, dass wir es vielleicht einfach so aussehen lassen, als würden wir uns zufällig über den Weg laufen?«

Hm. Eigentlich war ich nicht sonderlich begeistert über ihren Vorschlag. Nicht, weil ich ihr Dylan nicht vorstellen wollte, viel eher, weil ich nicht wieder irgendwelche Heimlichkeiten hinter seinem Rücken einfädeln mochte.

»Ich weiß nicht«, gab ich also ausweichend zurück und zog stattdessen kurz in Erwägung, ihn einfach zu fragen, ob ein Treffen mit den beiden okay für ihn wäre. Andererseits befürchtete ich jedoch, Dylan mit einer derartigen Anfrage zu verschrecken. Immerhin war er seit dem Tod seines besten Freundes als Einzelgänger unterwegs.

»Du musst dich nicht sofort entscheiden. Lass es dir in Ruhe durch den Kopf gehen.« Megan hatte die richtigen Schlüsse aus meinem Zögern geschlossen und dafür liebte ich sie. Manchmal brauchte es einfach keine Worte zwischen uns.

****

Zwei Tage später wartete ich wie vereinbart vor dem Zutritt zur Kirmes. Dylan hatte ursprünglich darauf bestanden, mich zu Hause abzuholen, allerdings war mir ein neutraler Treffpunkt lieber. Auf neugierige Nachbarn, die meinen Eltern gleich am nächsten Morgen von dem Männerbesuch ihrer Tochter berichteten, hatte ich nämlich keine Lust. Mittlerweile war es kurz vor zwanzig Uhr und wenig überraschend strömten bereits zahlreiche Touristen auf den Kirmesplatz. Unruhig stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der anderen Menschen sehen zu können.

Als ich Dylan schließlich entdeckte, machte mein Herz einen Sprung.

»Hey«, begrüßte er mich lässig, als er endlich zu mir aufgeschlossen hatte. »Wartest du schon lange?«

»Nein, ich bin auch gerade erst gekommen«, log ich und verschwieg die Tatsache, schon über zehn Minuten unruhig auf der Stelle verweilt zu haben.

Gemeinsam setzten wir uns in Bewegung und bahnten uns den Weg durch den brechend vollen Kirmesplatz. Der unwiderstehliche Geruch von Popcorn und gebratenen Champignons lag unverkennbar in der Luft, als wir die ersten Buden passierten.

»Willst du was essen?«, vergewisserte sich mein Begleiter, seine Hand fragend in Richtung der entsprechenden Buden gerichtet.

»Vielleicht später, aber wenn du willst, können wir dir etwas holen?«

»Später reicht mir vollkommen«, erwiderte er mit einem Grinsen, bevor wir unseren Weg fortsetzten. Nach wenigen Schritten griff Dylan überraschend nach meiner Hand, woraufhin mein Herz einen Schlag aussetzte. »Bevor wir uns noch aus den Augen verlieren«, merkte er mit einem Zwinkern an, woraufhin ich nur vollkommen überfordert nicken konnte.

»Achterbahn oder Geisterbahn?«, wollte er schließlich von mir wissen und ich tippte mir überlegend ans Kinn.

»Geisterbahn«, entschied ich aus dem Bauch heraus und er lächelte zufrieden.

Kurze Zeit später saßen wir bereits nebeneinander in der engen Gondel und der Körperkontakt zu ihm brachte mich vollkommen ins Schwitzen. Unauffällig wischte ich mir meine nassen Hände an meiner Jeans ab, als sich das Gefährt auch schon in Bewegung setzte.

Die Fahrt durch die schon ziemlich in die Jahre gekommene Anlage dauerte nicht besonders lang und ging vorbei an Nachbildungen von Frankenstein, Skeletten und anderen Dingen, die insgesamt nicht besonders furchterregend anmuteten. Trotzdem hämmerte mein Herz die gesamte Fahrzeit über gegen meinen Brustkorb und ich befürchtete, Dylan könnte es ebenfalls hören. Immerhin war ganz offensichtlich er der Grund dafür.

»Du siehst irgendwie aus, als hättest du einen Geist gesehen«, scherzte er, als wir das Fahrgeschäft verließen und ich zuckte nur nervös lachend mit den Schultern. Lieber sollte er annehmen, ich hätte tatsächlich vor der Geisterbahn Angst, als die Wahrheit über meinen Gefühlszustand zu erfahren.

Als nächstes versuchte sich Dylan an einem Schießstand. Ich beobachtete fasziniert, wie er konzentriert die Tonplatten anvisierte und sich bei jedem Treffer wie ein kleiner Junge freute.

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, ihn so unbeschwert Lachen zu sehen und in diesem Moment war ich mir sicher, dass Greg genau das für seinen besten Freund wollte. Dylan hatte ein Recht darauf, glücklich zu sein.

»Nicht schlecht«, gab sich der Besitzer des Standes beindruckt, als Dylan tatsächlich die volle Punktzahl abräumte. »Freie Preiswahl«, schob dieser noch hinterher, woraufhin sich mein Begleiter sofort zu mir drehte.

»Such dir was aus!«, forderte er mich mit einem Lächeln auf den Lippen auf, aber ich schüttelte nur meinen Kopf.

»Du bist der Gewinner, also musst du dir etwas aussuchen!«

»Sicher?«, vergewisserte er sich, ganz offensichtlich in der Hoffnung, meinen Entschluss noch einmal zu überdenken.

»Und ob!«

»Hm«, machte er daraufhin und ließ seinen Blick suchend über die ausliegenden Preise schweifen. »Ich glaube, ich nehme die da!«, teilte er schließlich dem Mitarbeiter mit, seinen Zeigefinger auf eine übergroße weiße Plüschkatze gerichtet.

Der Mann zögerte nicht und nahm die Katze aus der Auslage, um sie Dylan zu überreichen. Er wiederum drückte mir das Plüschungetüm mit einem Grinsen in die Arme. »Für dich!«, erklärte er lachend.

»Ähm ... danke, schätze ich.« Nun musste ich ebenfalls in sein Lachen miteinstimmen.

Wo hatte er diesen süßen, unbeschwerten Kerl nur die ganze Zeit über versteckt?

Who Is Dylan?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt