𝔽ü𝕟𝕗𝕦𝕟𝕕𝕕𝕣𝕖𝕚ß𝕚𝕘 // 𝔻𝕪𝕝𝕒𝕟

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Dylan

Ein dichter Nebel hatte sich um mich und meinen Geist gelegt. Rückblickend betrachtet war es wahrscheinlich eine Art Schutzmechanismus, da ich die Realität nicht hätte ertragen können.

Nach der Befragung auf dem Polizeirevier, stolperte ich vollkommen neben mir stehend ins Freie. Vor der Tür warteten meine Eltern auf mich. Ich sah sie nicht einmal an und als meine Mom versuchte, tröstend ihre Arme um mich zu legen, wehrte ich ihre Berührung ab.

»Ich will alleine sein«, murmelte ich mit tränenerstickter Stimme, bevor ich mich auch schon von ihnen abwandte, um in die entgegengesetzte Richtung zu flüchten.

»Kommt überhaupt nicht in Frage. Wir werden dich in diesem Zustand auf keinen Fall alleine lassen«, rief meine Mutter hysterisch, während mein Vater bereits zu mir aufgeschlossen hatte, und seine Hand um meinen Oberarm legte.

»Lass mich sofort los«, rief ich aufgebracht und versuchte verzweifelt, mich seinem Griff zu entziehen.

»Dylan, bitte«, probierte es mein Dad erneut, »wir alle müssen erst noch begreifen, was vorgefallen ist.«

»Was vorgefallen ist?«, wiederholte ich fassungslos seine Worte. »Ich kann dir genau sagen, was passiert ist: Greg ist tot, verdammte scheiße! Er ist nicht mehr hier, weil ich ein egoistisches Arschloch bin und es gibt nichts, was an dieser Tatsache jemals etwas ändern kann.«

Ich schrie die Worte frei heraus, während ich mich vehement gegen den Griff meines Vaters wehrte. Irgendwie schaffte ich es tatsächlich, ihn abzuschütteln. Ohne zu zögern rannte ich los. Keine Ahnung, wohin ich wollte, wahrscheinlich hatte ich nicht mal ein festes Ziel. Ich wollte einfach nur weg.

Die verzweifelten Rufe meiner Eltern und ihr kläglicher Versuch, mich einzuholen, konnten mich nicht aufhalten. So schnell, wie es mir möglich war, lief ich durch die Stadt. Immer weiter. Irgendwann, als ich den Stadtkern schon lange hinter mir gelassen hatte, blieb ich stehen. Inmitten einer bewaldeten Umgebung, erlaubte ich mir endlich wieder zu atmen. Meine Lungen brannten wie Feuer, aber alles, woran ich denken konnte, war Greg.

Verzweifelt zog ich mein Handy hervor und wählte seine Nummer. Kein Freizeichen, dafür aber seine Mailbox: »Yo, richtige Nummer, falscher Zeitpunkt. Unwichtige Nachrichten vor dem Signalton, wichtige danach.«

Wie oft hatte ich ihn wegen seiner dämlichen Mailboxnachricht aufgezogen und nun stand ich mitten im Nirgendwo und rief seine Nummer an, nur um seine Stimme hören zu können. Immer und immer wieder drückte ich auf Wahlwiederholung, bis ich es irgendwann nicht mehr aushielt. Ich warf mein Telefon gegen einen Baum, ließ mich auf den Boden fallen und begann zu schreien.

Keine Ahnung, was danach passierte, aber als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Krankenhausbett. Endlose Gespräche folgten und sie überlegten sogar, mich an eine psychiatrische Einrichtung zu überweisen. Meine Mom schaffte es nach ein paar Tagen, die Ärzte davon zu überzeugen, mich nach Hause zu lassen.

Wahrscheinlich hoffte sie, die Zeit würde meine Wunden heilen, aber da lag sie vollkommen falsch. Diese Wunde würde niemals heilen, egal wie sehr es sich die Menschen in meinem Umfeld wünschten.

Die Beerdigung von Greg fand genau drei Wochen nach seinem Tod statt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittlungen bereits ergeben, dass sein Sturz ein Unfall gewesen war. Der Unfallhergang wurde anhand von Zeugenaussagen rekonstruiert, aber ich würde mich trotzdem immer als Schuldigen sehen. Ganz egal, ob auf offiziellen Dokumenten stand, dass Greg unter Alkoholeinfluss über die Klippen gestolpert sein sollte.

Ich aß kaum noch und sprach auch mit niemanden. Stattdessen verbrachte ich die Tage in meinem Bett. Meine Eltern ließen verschiedene Psychologen und Psychiater zu uns kommen, aber ich verweigerte jegliches Gespräch mit ihnen. Wenn sie mir mit Einweisung drohten, berührte mich das ebenfalls nicht. Sollten sie mich doch wegsperren, wenn sie sich damit besser fühlten.

Who Is Dylan?Where stories live. Discover now