𝕊𝕚𝕖𝕓𝕖𝕟𝕦𝕟𝕕𝕫𝕨𝕒𝕟𝕫𝕚𝕘

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»Das ist nicht dein fucking Ernst, oder?« Megan blickte mir vollkommen fassungslos entgegen. »Du willst mir also sagen, dass du mir all das die ganze Zeit verschwiegen hast?«

»Es tut mir leid«, antwortete ich mit gesenktem Blick. Ich war wahrscheinlich die mieseste Freundin aller Zeiten, aber trotzdem fühlte es sich befreiend an, ihr endlich alles gebeichtet zu haben. Angefangen von den heimlichen Treffen mit Dylan, den Geschehnissen mit Greg, bis zu jenem Eklat auf der Party.

Einen Moment lang saßen wir bloß stumm nebeneinander, bevor sie irgendwann behutsam meine Hand mit ihren Fingern umschloss. »Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht ...«, sie stoppte und schien nach einem passenden Wort zu suchen.

»... enttäuscht bin?«, versuchte ich ihren Satz zu vervollständigen.

»Nennen wir es überrascht, okay?«

»Damit kann ich leben, schätze ich.«

»Und er hat wirklich mit Beth rumgemacht?« Die Verachtung in ihrer Stimme war unüberhörbar.

»Japp.« Allein der Gedanke an die gesamte Situation trieb mir erneut die Tränen in die Augen. Megan bemerkte dies natürlich und griff nach einer Packung Papiertaschentücher, welche auf der Lehne ihres Sofas platziert waren. Geduldig zog sie eines der Tücher hervor und tupfte mir vorsichtig über mein Gesicht, um es zu trocknen.

»Dieser Dylan hat echt eine Menge Scheiße durchgemacht, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, dich so zu behandeln.«

»Ist jetzt sowieso egal.«

»Finde ich nicht. Wieso sagst du das?«

»Weil ich ihn definitiv nicht wiedersehen werde. Oder denkst du ernsthaft, ich melde mich nochmal bei ihm?«

Allein die Vorstellung ließ meinen Puls rasen. Unabhängig davon, ging ich auch nicht davon aus, dass er mich jemals wiedersehen wollte.

»Und wenn er sich bei dir meldet?« Meine beste Freundin bedachte mich mit einem fragenden Blick.

»Dann werde ich ihn ignorieren«, gab ich so selbstsicher wie möglich zurück. »Aber ganz davon abgesehen, hast du mir wohl auch nicht alles erzählt, oder?«, schob ich beiläufig hinterher und spielte damit auf ihr Techtelmechtel mit Kyle an. Ich brauchte nämlich dringend einen Themenwechsel.

»Er hat mich im Urlaub plötzlich angeschrieben und zuerst habe ich mir wirklich nichts weiter dabei gedacht. Als ich dann gemerkt habe, dass ich vielleicht Interesse an ihm haben könnte, wollte ich es dir bei unserem Wiedersehen sagen – was ich dann auch getan habe«, verteidigte sie sich mit erhobenen Händen.

»1:0 für dich. Kann er wenigstens gut küssen?«

»Und wie!«

Nun mussten wir doch beide lachen. So einen absurden Abend hatten wir definitiv noch nie erlebt.

»Netflix?«, schlug Megan anschließend vor, woraufhin ich ihr wortlos die Fernbedienung reichte.

Ein wenig Ablenkung konnte tatsächlich nicht schaden.

****

Mittlerweile war eine Woche vergangen. Wie erwartet, hatte ich nichts mehr von Dylan gehört und mich ebenfalls nicht bei ihm gemeldet. Obwohl ich ihn kaum kannte, erwischte ich mich oft dabei, an ihn zu denken. Natürlich hätte ich das niemals zugegeben und versuchte mich so gut es ging mit alltäglichen Dingen abzulenken.

Wahrscheinlich würde er sowieso bald zurück nach England fliegen und mit der Zeit zu einer blassen Erinnerung werden. Zumindest versuchte ich mir das immer wieder einzureden. Allerdings bereitete mir der Gedanke, Mrs. Foster über den Weg laufen zu können, ebenfalls ziemliche Sorgen. Ich betete nur, dass sie mich bei der nächsten Gelegenheit nicht wieder auf ihren Neffen ansprechen würde.

»Claire?«, ertönte plötzlich die Stimme meiner Mom aus der unteren Etage. »Kommst du mal bitte?«

Widerwillig leistete ich ihrer Bitte Folge. »Was gibt's denn?«, wollte ich von ihr wissen, als ich das Wohnzimmer erreicht hatte. Sie saß auf dem Sofa, das Telefon noch in der Hand.

»Ich weiß, dass du heute eigentlich frei hast, aber Monica ist krank und hat gerade für heute Abend abgesagt«, erklärte sie mit einem Fingerzeig auf ihr Telefon. »Daher wollte ich dich fragen, ob du vielleicht einspringen kannst? Natürlich bekommst du dafür an einem anderen Tag frei.«

Monica war unsere Küchenhilfe und ich wusste, dass es ohne ihre Anwesenheit ziemlich stressig werden würde.

»In Ordnung«, stimmte ich also zu. Meine Mom nahm dies zum Anlass, mir um den Hals zu fallen.

»Lass mich sofort los, sonst überlege ich es mir vielleicht doch noch anders«, lachte ich halbherzig auf und befreite mich schnellstmöglich aus ihrem Klammergriff.

Nur wenige Stunden später fand ich mich auch schon in der Küche unseres Lokals wieder. Einer unserer Köche hatte mir bereits eine Palette verschiedener Gemüsesorten auf die Arbeitsplatte gestellt, welche ich in ansehnliche Stücke schneiden sollte. Obwohl ich mir besseres vorstellen konnte, war ich dankbar, nicht im Speisesaal aushelfen zu müssen. Auf unverschämte Gäste und absurde Forderungen hatte ich heute nämlich absolut keine Lust.

Als sich der ersehnte Feierabend näherte, kam mein Dad in die Küche geeilt. »Du kannst für heute Schluss machen«, erklärte er mit einem dankbaren Lächeln, woraufhin ich sofort das Haarnetz und die Schürze abnahm. Im nächsten Moment huschte ich bereits durch unser Restaurant, den erlösenden Ausgang fest im Blick.

»Wir sehen uns dann gleich zu Hause. Nochmal danke, dass du ausgeholfen hast«, verabschiedete mich meine Mom im Vorbeigehen zufrieden, während sie dabei war, den Tresen abzuwischen.

»Bis gleich!«, rief ich ihr zu und schlüpfte im nächsten Moment auch schon durch die Glastür in die warme Nachtluft hinaus. Gedankenverloren schlenderte ich anschließend in Richtung Ufer, als ich in unmittelbarer Entfernung ausgerechnet die Person entdeckte, die ich eigentlich nicht mehr sehen wollte:

Dylan saß auf einer der zahlreichen Holzbänke, die die Promenade zierten und unsere Blicke trafen sich, bevor ich die Flucht ergreifen konnte.

Who Is Dylan?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt