𝔸𝕔𝕙𝕥𝕦𝕟𝕕𝕧𝕚𝕖𝕣𝕫𝕚𝕘

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Hey Dylan,

dies ist ungefähr der zwanzigste Versuch, meine Gedanken auszuformulieren. Ich weiß nicht mal, ob du diesen Brief je lesen wirst, aber ich möchte trotzdem versuchen, meine Gefühle auf Papier zu bringen.

Du hast recht, ich war nicht ehrlich zu dir und es gibt einige Dinge, die ich dir verschwiegen habe. Aber lass mich bitte von vorne beginnen:

An jenem Abend, als wir uns auf der Brücke begegnet sind, habe ich sofort gespürt, dass dieser Moment mein Leben verändern würde. Ich war dort um Fotos zu schießen, so, wie ich es schon oft getan habe. Doch dieses Mal war alles anders: Du warst dort, um deinem Leben ein Ende zu setzen – nicht wirklich, aber das war es, was ich angenommen habe.

Deine blauen Augen haben sich sofort in meine Seele gebrannt und ich hätte alles dafür gegeben, mit dir sprechen zu können. Allerdings bist du geflüchtet, was in Anbetracht der Situation mehr als verständlich war. Bei deiner Flucht hast du den Brief an Greg verloren und ich kann nicht leugnen, dass mich deine Zeilen neugierig gemacht haben.

Mehr als das. Ich war wie besessen davon, herauszubekommen, was es mit Greg und dir auf sich hat. Und ja, ich habe Nachforschungen angestellt. Eine davon war ein Antrag, den ich an das digitale Institut von South Carolina geschickt habe. Dort habe ich alle registrierten Todesfälle der letzten zwei Jahre angefragt, die den Namen Greg enthalten. Eine Antwort habe ich bisher nicht erhalten, vielleicht auch, weil meine Begründung dort lautete, dass ich auf der Suche nach einem „alten Freund" sei und dies unter Umständen nicht sonderlich seriös auf die Mitarbeiter gewirkt haben könnte.

Ich bin Unfallberichte durchgegangen und habe mich online durch Todesanzeigen geklickt. Megan war zu dieser Zeit bei ihren Großeltern in Baltimore, allerdings habe ich ihr natürlich von unserer Begegnung und allem, was damit in Zusammenhang stand erzählt. Sie ist meine beste Freundin – selbstverständlich tausche ich mich mit ihr aus.

Irgendwann habe ich jedoch eingesehen, dass meine Recherche nicht zielführend ist. Gerade als ich akzeptiert habe, das Rätsel um die geheimnisvolle Begegnung auf der Brücke niemals lösen zu können, kam Mrs. Foster in das Lokal meiner Eltern. Sie berichtete von ihrem Neffen Dylan und plötzlich hatte ich den Hoffnungsschimmer, genau dieser Dylan könnte jener Mensch sein, nach dem ich so verzweifelt gesucht habe.

Hat meine Neugierde mich angetrieben? Ja, auf jeden Fall. Allerdings wollte ich dir auch deinen Brief wiedergeben, wie ich dir versichern kann.

Erstmal musste ich jedoch herausfinden, ob du wirklich die Person warst, nach der ich gesucht habe. Also bin ich am nächsten Morgen – ziemlich unüberlegt, wie ich nun zugeben muss – zu eurem Anwesen gelaufen. Ich kann dir nicht mal sagen, was ich mir erhofft habe. In meiner Erinnerung ging es zumindest darum, dir den Brief zurückzugeben. Allerdings bin ich dir dann tatsächlich in die Arme gelaufen.

Du warst es. Du warst tatsächlich der, nach dem ich gesucht habe.

Hätte ich dir genau in diesem Moment die Wahrheit sagen und den Brief überreichen sollen? Oh ja, das hätte ich. Glaub mir, ich wünschte, ich hätte es getan.

Stattdessen habe ich begonnen, mich selbst zu verleugnen.

Als wir uns immer weiter angenähert haben, habe ich mich nicht getraut, dir alles zu erzählen. Ich wollte dich nicht verlieren. Ironisch, wenn man bedenkt, dass genau das nun doch passiert ist.

Du hast mich irgendwann danach gefragt, ob ich jemandem von dir und deiner Geschichte erzählt habe. Ich habe verneint, obwohl ich ehrlich zu dir hätte sein sollen.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass du mein Ferienprojekt gewesen bist. Zu Beginn war es vielleicht die Neugierde, die mich angetrieben hat, aber sobald ich dich kennenlernte, war es so viel mehr.

Ich habe dich gesehen. Deinen Schmerz, aber vor allem deine Persönlichkeit und ich wusste ziemlich schnell, dass ich mit dir zusammen sein wollte. Auch, wenn wir uns erst seit zwei Monaten kennen, bist du mir wichtig und ich hoffe, du wirst irgendwann verstehen, was du mir bedeutest.

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob es angemessen ist, dir die folgenden Worte in einem Brief zu übermitteln, aber da ich nicht weiß, ob du jemals wieder mit mir sprechen wirst, muss ich das Risiko wohl eingehen:

Ich liebe dich.

Deine Claire

Who Is Dylan?Where stories live. Discover now