ℤ𝕨𝕖𝕚𝕦𝕟𝕕𝕧𝕚𝕖𝕣𝕫𝕚𝕘 // 𝔻𝕪𝕝𝕒𝕟

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Dylan

Vor gar nicht allzu langer Zeit war ich davon überzeugt, niemals mehr einen Sinn in meinem Leben sehen zu können. Meine Gedanken waren geprägt von Dunkelheit und hätte man mir gesagt, dass ich von jetzt auf gleich nicht mehr existieren würde, wäre es mir vollkommen egal gewesen.

Doch langsam, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte, hatte Claire mir das Licht gezeigt. Sie war ohne Frage in mein Leben getreten, als ich kurz davorstand, mich für immer in der Finsternis zu verlieren.

Seit unserer ersten Begegnung auf der Brücke waren mittlerweile ungefähr zwei Monate vergangen. Eigentlich keine besonders lange Zeit und doch genug, um Gefühle für sie aufzubauen. Sie war mir wichtig. So wichtig, wie noch kein Mädchen zuvor. Claire hatte mich an meinem absoluten Tiefpunkt kennengelernt und sich trotzdem nicht davon abschrecken lassen.

Dies war auch der Grund dafür, warum ich nicht mit ihr geschlafen hatte. Natürlich wollte ich es, aber ich musste einfach sichergehen, dass sie nichts überstürzte. Es sollte besonders werden – so besonders, wie sie für mich war. Wenn ich deshalb noch eine halbe Ewigkeit warten musste, war ich gerne bereit, diesen Preis zu zahlen.

Vor meinem inneren Auge sah ich meinen besten Freund und wie er sich darüber amüsierte, was für schnulzige Ansichten ich plötzlich vertrat. Der Gedanke daran ließ mich lächeln, denn insgeheim wusste ich, dass Greg verdammt stolz auf mich wäre. Er hätte Claire geliebt, da war ich mir absolut sicher.

Sie war keines dieser Mädchen, die ihre Nase in die Angelegenheiten von anderen steckte, um ihre Erkenntnisse dann brühwarm an die große Glocke zu hängen. Ich wusste, dass meine Gefühle bei ihr sicher waren und sie mich nicht bloß auf meine tragische Geschichte reduzierte.

Wenn es in diesem Moment jemanden gab, dem ich bedingungslos vertraute, war sie das.

In der ersten Zeit nach Gregs Tod gab es einige Menschen, die Kontakt zu mir aufbauen wollten, um Details über jene verhängnisvolle Nacht aus mir herauszuquetschen. Mit den meisten davon hatte ich zuvor nie ein Wort gesprochen und war ihnen höchstens mal auf dem Schulflur über den Weg gelaufen. Umso erbärmlicher kam mir ihr Verhalten vor.

Normalerweise hätte noch ein Schuljahr vor mir gelegen, allerdings war ich nicht in der Lage dazu gewesen. Nun, wo es mir besserging, stellte ich mir natürlich die Frage, wie es für mich weitergehen sollte. Einerseits wollte ich am liebsten nicht über eine Rückkehr nach Folkestone nachdenken, andererseits war mir bewusst, dass es unausweichlich war.

Meine Eltern erkundigten sich täglich bei meiner Tante nach meinem Empfinden und mittlerweile telefonierte ich auch wieder persönlich mit ihnen. Nach meiner Ankunft in Beaufort hatte ich alle Kontaktversuche ihrerseits abgewiesen, aber irgendwie war die Mauer, die ich um mein Herz errichtet hatte, eingerissen. Ich konnte nicht behaupten, dass sie gänzlich verschwunden war, allerdings befand ich mich auf einem guten Weg und Claire schien nicht ganz unschuldig daran zu sein.

Wenn ich an sie dachte, fühlte ich mich gut. Bei ihr konnte ich einfach ich sein, ohne mich verstellen zu müssen. Wenn ich so darüber nachdachte, hatte sie mir nicht bloß das Licht gezeigt – sie war das Licht.

Die Art, wie sie mich ansah, zeigte mir ganz deutlich, wie sie für mich fühlte. Auch wenn wir nie darüber gesprochen hatten, wusste ich ohne nachzudenken, dass ich mit ihr zusammen sein wollte.

Sollte ich ihr meine Gefühle offenbaren?

Ich war nie der kommunikative Typ. Das Wort Beziehung hatte es in meinem Wortschatz sowieso nicht gegeben. Davon abgesehen, wusste ich auch nicht genau, wie ich so ein Gespräch überhaupt führen sollte.

In diesem Moment machte mein Handy auf sich aufmerksam und riss mich somit aus meinen Gedanken. Als ich Claires Namen las, verzog sich mein Mund unweigerlich zu einem Lächeln.

Hey!
Hast du vielleicht
später Lust bei
mir vorbeizukommen?

Um dich
abzuholen?

Ich dachte eigentlich
eher daran,
dich hereinzubitten.

Okay. Um wie
viel Uhr soll
ich da sein?

19 Uhr?

Passt.
Dann bis später!

Noch während ich das Telefon neben mir auf den Schreibtisch legte, fasste ich einen Entschluss:
Heute Abend würde ich ihr meine Gefühle gestehen.

Who Is Dylan?Where stories live. Discover now