𝕊𝕚𝕖𝕓𝕖𝕟𝕦𝕟𝕕𝕕𝕣𝕖𝕚ß𝕚𝕘

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An diesem Abend kam ich vollkommen aufgedreht und ziemlich spät nach Hause. Als ich mich leise meiner Schuhe entledigte, vernahm ich ein Räuspern hinter mir.

Langsam drehte ich mich um und erschrak, als ich in das Gesicht meiner Schwester blickte. »Danielle!«, rief ich überrascht, woraufhin sie zu lachen begann. »Ich wusste gar nicht, dass du vorbeikommen wolltest!«

»Es war auch recht spontan. Mein Nebenjob startet nun doch später als geplant und da dachte ich mir, einen Teil der Semesterferien hier zu verbringen«, räumte sie ein. »Mom und Dad schlafen schon, haben mich aber gebeten, wachzubleiben, bis du von deiner Verabredung mit Megan kommst.«

»Jetzt bin ich ja da«, erwiderte ich, während ich bereits die Küche ansteuerte. Hungrig öffnete ich die Kühlschranktür, nur damit Danielle sich sofort demonstrativ vor mich schob.

»Wie war denn dein Date mit Megan?« Anhand der Betonung ihrer Frage wusste ich sofort, dass sie Zweifel hegte. Während meine Eltern vollkommen ahnungslos waren, schien sie mich in dieser Hinsicht noch immer mühelos zu durchschauen. Sie war vor etlichen Jahren auch dahinter gekommen, dass ich heimlich in einen Jungen aus der Nachbarschaft verknallt gewesen war. Natürlich hatte ich es stets bestritten - aber insgeheim kannten wir beide die Wahrheit.

»Es war gut«, gab ich mich trotzdem unschuldig und griff an ihr vorbei nach einer Packung Käsewürfel, da diese gerade am einfachsten für mich zu erreichen waren.

»Wie heißt er?«, bohrte sie weiter nach, die Arme abwartend vor der Brust verschränkt. »Glaub mir, ich kenne diesen Gesichtsausdruck.«

»Sein Name ist Dylan, wenn du es genau wissen willst.«

Hatte ich das gerade wirklich laut gesagt? Wahrscheinlich war mir einfach bewusst, dass weiteres Abstreiten ohnehin zwecklos war.

»Dylan«, wiederholte meine Schwester seinen Namen und tippte sich sofort überlegend ans Kinn. »Sagt mir nichts. Geht ihr zusammen zur Schule?«

»Nein, er ist nur zu Besuch in Beaufort«, erklärte ich daraufhin seufzend, noch immer die verschlossene Packung Käsewürfel in meinen Händen.

Danielle nahm mir die Käsewürfel ab, verfrachtete sie zurück in den Kühlschrank und schloss anschließend energisch die Kühlschranktür. Dann bedachte sie mich mit einem entsetzten Blick. »Du hast dich nicht ernsthaft mit einem Touristen eingelassen, oder?«

»Er ist kein Tourist«, widersprach ich und überlegte, wie viel Wahrheit ich Danielle wohl erzählen konnte. »Dylan besucht über den Sommer seine Tante.«

»Wer ist denn seine Tante?« Die Augen meiner Schwester waren zu kritischen Schlitzen verengt, was mich dann doch genervt aufstöhnen ließ.

»Mrs. Foster. Sie lebt auf der anderen Seite der Stadt und ist schon seit Jahren Stammgast in unserem Restaurant. Bist du jetzt fertig mit dem Verhör?«

»Ich wusste gar nicht, dass sie einen Neffen hat«, erwiderte sie schließlich in einem versöhnlichen Tonfall. »Woher kommt er denn ursprünglich und wie ernst ist es?«

Kurzerhand beschloss ich, Danielle mit ein paar Informationen zu versorgen. Daher zogen wir uns wie in alten Zeiten in mein Zimmer zurück, wo ich ihr im Flüsterton von Dylan erzählte. Natürlich ließ ich die brisanten Details aus, denn von seinen Ausflügen auf Brücken oder ähnliche Gebäude musste sie nun wirklich nichts wissen. Allerdings vertraute ich ihr an, was mit Greg geschehen war – auch, wenn mir durchaus bewusst war, dass Dylan wohl nicht sonderlich begeistert davon wäre.

Andererseits war sie meine Schwester. Wenn ich nicht mit ihr reden konnte, mit wem dann?

»Wow, das ist echt hart.« Danielle saß neben mir auf dem Bett, die Augen erschrocken geweitet.

»Ich weiß«, stimmte ich ihr sofort zu, »aber mittlerweile geht es ihm etwas besser und ich mag ihn wirklich sehr.«

Vollkommen unvermittelt zog sie mich daraufhin in eine feste Umarmung. »Meine kleine Schwester wird erwachsen, dass ich das noch erleben darf.«

»Was soll das denn heißen?«, empörte ich mich lachend, woraufhin sie die Verbindung löste, um mich anzusehen.

»Du hast dich sonst nur für deine Fotos interessiert«, erklärte sie daraufhin schulterzuckend. »Mir war natürlich klar, dass es nicht ewig so bleiben wird, aber ehrlich gesagt, bin ich nun doch ein wenig überrascht.«

»Und gibt es bei dir auch etwas Neues?«, versuchte ich das Gespräch anschließend in eine andere Richtung zu lenken. Währenddessen konnte ich nur mühsam ein Gähnen unterdrücken, mittlerweile war es fast zwei Uhr nachts.

»Im Moment treffe ich mich regelmäßig mit einem Joshua. Wir haben uns in der Uni kennengelernt, aber bisher ist es noch nicht offiziell.«

Ich konnte daraufhin nur wissend nicken, denn mir war bei einer unserer letzten Unterhaltungen bereits aufgefallen, wie häufig sie Joshua erwähnte. Es schien vollkommen egal zu sein, dass sie nicht mehr hier lebte – trotzdem würden wir wahrscheinlich immer eine typische Schwestern-Verbindung haben.

»Quentin hat sich übrigens vor ein paar Wochen bei mir gemeldet. Er wollte ...«, sie stoppte und malte imaginäre Gänsefüßchen in die Luft, »nur mal nachfragen, wie es mir so geht.«

Bei seinem Namen hielt ich automatisch die Luft an. Immerhin war ich der Grund, weshalb die Beziehung der beiden seinerseits zerbrochen war. Allerdings ahnte Danielle davon natürlich nichts und ich hoffte inständig, dies würde auch für immer so bleiben.

»Und? Was hast du geantwortet?« Ich versuchte möglichst beiläufig zu klingen, während ich nervös am Saum meiner Bettdecke spielte.

»Es war nur ein kurzes Telefonat und ehrlich gesagt bin ich auch nicht sonderlich interessiert daran, wieder Kontakt zu ihm aufzubauen. Mittlerweile denke ich, ein Beziehungsende war damals sowieso unausweichlich – wir haben einfach nicht zueinander gepasst.«

Ich zwang mir ein Lächeln auf, aber bevor ich etwas erwidern konnte, erhob sich meine Schwester auch schon von meiner Matratze. »Es wird langsam Zeit«, erklärte sie mit einem Blick auf die Uhr und die Müdigkeit war ihr nun auch ganz deutlich ins Gesicht geschrieben. »Schlaf gut, Nervensäge.«

»Gute Nacht«, antwortete ich und beobachtete, wie sie langsam meine Zimmertür ansteuerte.

Kurz bevor sie nach draußen trat, hielt sie jedoch inne und drehte sich noch einmal zu mir um. »Versprich mir bitte, dass dich Dylans Schicksal nicht zu sehr beeinflusst, ja?«

»Versprochen«, gab ich so selbstsicher, wie möglich zurück.

Allerdings war ich mir insgeheim gar nicht sicher, ob ich wirklich dafür garantieren konnte.

Who Is Dylan?Where stories live. Discover now