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»Ich muss etwas wichtiges richtigstellen«, brachte ich mühsam hervor, während ich nervös auf meine Unterlippe biss. In diesem Moment war ich mir fast sicher, dass er meinen heftigen Herzschlag ebenfalls hören musste.

Anstelle einer Antwort verweilte Dylan jedoch bloß abwartend auf der Stelle. Als ich nicht von alleine weitersprach, bedeutete er mir mit einer entsprechenden Geste, endlich fortzufahren.

»Also ...«, probierte ich es erneut und holte tief Luft, bevor ich fortfuhr, »wir sind uns schon mal begegnet ...«

»Meinst du unsere Begegnung auf der Brücke?«, erwiderte er daraufhin vollkommen trocken. Er sprach die Worte so lapidar aus, dass ihre Bedeutung erst nach und nach in mein Bewusstsein vordrang.

»Was?«, entgegnete ich verwirrt. Irgendwie verspürte ich plötzlich das Gefühl, mich dringend hinsetzen zu müssen.

»Denkst du echt, ich wüsste nicht, dass du das gewesen bist?«

Oh Gott.

»Ich ... ähm ...«, stotterte ich hilflos. Die Tatsache, dass er anscheinend die ganze Zeit über gewusst hatte, wer ich war, schockierte mich.

»Du solltest die Leute in deiner Umgebung nicht unterschätzen«, erklärte er schulterzuckend, bevor er sich endgültig abwandte und ohne ein weiteres Wort in die entgegengesetzte Richtung lief.

Mir wurde abwechselnd kalt und heiß, während ich noch immer auf der Stelle stand, um ihm nachzusehen. Ich ignorierte die fragenden Blicke der Menschen, welche in der Zwischenzeit meinen Weg passierten und schaffte es erst, mich zu lösen, als er nicht mehr in meinem Blickfeld war.

Shit.

Er wusste also die ganze Zeit Bescheid. Trotzdem stellte sich mir die Frage, warum er nichts gesagt hatte?

Schämte er sich vielleicht? Dachte er womöglich, dass ich ihn nicht wiedererkannt hatte?

Meine Gedanken überschlugen sich und ich hatte noch immer Mühe meine Atmung zu regulieren. In Zeitlupe begab ich mich schließlich auf den Heimweg, nicht wissend, was ich von der unerwarteten Wendung halten sollte.

****

»Wie bitte?« Megans Stimme überschlug sich förmlich, als ich sie auf den neuesten Stand gebracht hatte. Anscheinend hatte sie ebenso wenig mit dieser Entwicklung gerechnet, wie ich. »Und dann ist er einfach abgehauen?«

»Er meinte, ich sollte die Leute um mich herum nicht unterschätzen. Danach ist er gegangen.«

»Vielleicht ist er ein Psychopath«, überlegte meine Freundin laut, woraufhin ich nur meine Augen verdrehte. Auch wenn ich aus seinem Verhalten absolut nicht schlau wurde, spürte ich, dass diese Beschreibung nicht auf ihn zutraf.

»Das Gleiche könnte er wohl auch über mich behaupten«, seufzte ich, während ich aufgeregt in meinem Zimmer auf und ablief. »Immerhin habe ich ihm nachspioniert und bin mehrmals vor dem Haus seiner Tante aufgeschlagen.«

»Vielleicht wollte euch das Schicksal zusammenführen. Einsamer Psychopath und verrückte Stalkerin – ich finde, das passt ziemlich gut«, kicherte Megan auf einmal belustigt in mein Ohr. Obwohl mir überhaupt nicht nach Lachen zumute war, stimmte ich kurz mit ein. Die gesamte Situation war so absurd, dass ich noch immer völlig verwirrt war.

»Ich frage mich, ob er jemals etwas davon erwähnt hätte, wenn ich nicht damit angefangen hätte.«

»Vermutlich nicht. Was ist jetzt eigentlich mit dem mysteriösen Brief?«

Heilige Scheiße. Den Brief hatte ich tatsächlich vollkommen ausgeblendet.

»Ich schätze, den muss ich ihm noch wiedergeben«, gab ich zu. Zeitgleich steuerte ich den Platz an, an den ich ihn nach der letzten gescheiterten Übergabe verbannt hatte. Behutsam schob ich also mein Kopfkissen zur Seite und zog langsam den Brief hervor. Er befand sich noch immer in dem Briefumschlag, bereit endlich wieder seinem Besitzer übergeben zu werden.

»Er wird wahrscheinlich keine Ahnung haben, dass du ihn gefunden hast. Immerhin könnte er ihm bei seiner Flucht auch zu einem anderen Zeitpunkt aus der Tasche gefallen sein«, hörte ich Megan sagen, während ich noch immer den Briefumschlag in meiner Hand betrachtete. Wahrscheinlich hatte sie recht, allerdings gab es nun keine Ausreden mehr. Ich musste ihm den Brief so schnell wie möglich wiedergeben.

»Gleich morgen werfe ich ihn ein«, versicherte ich meiner besten Freundin, als ich mich wieder erhob und den Brief sorgsam auf meinem Schreibtisch ablegte. Letztendlich lagen die Karten nun auf dem Tisch und es gab keinen Grund die Übergabe noch weiter hinauszuzögern.

»Meine Mom hat heute Morgen übrigens feierlich verkündet, dass wir wohl nächstes Wochenende nach Hause fahren«, wechselte sie plötzlich das Thema. »Obwohl meine Großeltern immer furchtbar traurig sind, wenn wir sie verlassen, freue ich mich wirklich unglaublich darauf, endlich wieder nach Beaufort zurückzukehren. Immerhin passiert endlich mal was in unserem Kaff.«

»Ich kann es auch kaum erwarten, dich wieder um mich zu haben. Du hast mir noch nie so gefehlt, wie in der letzten Zeit«, gab ich ehrlich zu. Obwohl mich ihre spezielle Art manchmal nervte, wusste ich, dass ich mich uneingeschränkt auf sie verlassen konnte. All der Stress, den Dylans Auftauchen verursacht hatte, wäre viel leichter zu ertragen gewesen, wenn sie es mit mir gemeinsam durchgestanden hätte. Natürlich hatte sie mir telefonisch zur Seite gestanden, trotzdem war das nicht vergleichbar.

»Du musst mir morgen unbedingt Bescheid geben, sobald du ihm den Brief übergeben hast, ja?«, forderte Megan hörbar aufgeregt. Selbstverständlich hatte ich das ohnehin vor. Immerhin gab es sonst niemandem, mit dem ich über die ganze Angelegenheit sprechen konnte.

»Natürlich mache ich das«, versicherte ich meiner Freundin also, bevor ich ihr eine Gute Nacht wünschte und das Telefonat beendete.

Who Is Dylan?Onde histórias criam vida. Descubra agora