Mein Leben als Muffingroupie, Teil 2

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46. Kapitel

Die Tür zum Poolhaus war bereits offen, als wir näher kamen und eintraten. Keiner von uns machte das Licht an – durch die Glasscheiben kamen genug Sonnenstrahlen hindurch, dass wir nicht Gefahr liefen, aus Versehen in das große Wasserbecken zu fallen.

Das gedämpfte Licht und das Schimmern des Wassers, Jaspers Hand in meiner, all das hielt mich zurück zu fragen, wo genau Jasper uns hinführte. Es fühlte sich wie ein Verbrechen an, diese Atmosphäre durch Worte zu zerstören.
Jas zog mich vorbei an dem Pool, auch an dem Platz, wo wir damals die Trinkspiele gespielt hatten. Mittlerweile konnte ich es kaum mehr glauben, dass ich die Ähnlichkeiten nicht vom ersten Moment an gesehen habe. Schließlich drückte Jasper mit seinem Ellenbogen – in der anderen Hand hielt er wieder seinen vollgepackten Teller – eine unscheinbare Tür auf, die ich für eine Abstellkammer gehalten hatte.

„Jas, was...", fing ich an, doch da zog er mich schon hindurch in den dunklen Raum. Durch ein kleines Fenster schien der Mond bereits langsam aufzugehen - auf dieser Seite des Gebäudes war die Sonne bereits verschwunden und machte ihn gut sichtbar. Als Jasper einen Lichtschalter betätigte und ich auch den Rest des Raumes in Augenschein nehmen konnte, konnte ich nur erstaunt die Luft einziehen. Ich drehte mich im Kreis, um das Ausmaß aufnehmen zu können – überall standen alte Bücherregale, dessen Bücher fast aus den Regalen platzten. Trotzdem hatte sich der Gestalter dieser kleinen Bibliothek die Mühe gemacht, eine Ecke des Raumes leer zu räumen und für ein geräumiges, dunkelrotes Sofa Platz zu machen, das geradezu dazu einzuladen schien, sich mit einer Packung Chips darauf gemütlich zu machen. Unmengen von Kissen und Decke lagen darauf herum – und natürlich Bücher. Als ich nah genug heran trat – meine Schritte waren leise auf dem Fließenboden zu hören, bis ich auf den wuscheligen Teppich stand, der vor dem Sofa lag – um den Titel des aufgeschlagenen Buchs zu lesen, drehte ich mich grinsend zu Jasper um.

„Du hast wirklich noch einmal 'Pride and Prejudice' gelesen." Er zuckte mit den Schultern, als sei es nicht der Rede wert, und da fiel mir auf, dass ich es mir hätte denken müssen. Jasper war der Junge von vor einem Jahr. Schon da hatte er mir gestanden, alle Jane Austen Romane gelesen und geliebt zu haben. Noch immer fiel es mir schwer, diese Tatsache zu verarbeiten, weshalb ich sie weitestgehend vermied.

Mit einer Bewegung zog sich Jasper das Jackett aus und krempelte die Ärmel seines weißen Hemdes hoch.
Verdammt.
Ich sollte nicht so starren, doch es war verdammt schwer. Er hatte mehr oder weniger klar gemacht, dass meine Gefühle nicht erwidert wurden. Aber es wirkte nicht so. Diese Spannung, diesen Nervenkitzel konnte ich mir doch unmöglich einbilden. Oder?

Verwirrt zog ich mir die Hemdjacke von den Schultern, warf sie auf das Sofa und lief zu einem der Bücherregale. Die ungeteilte Aufmerksamkeit, die Jasper mir währenddessen schenkte, war mir nur allzu bewusst.

Ich fuhr mit den Fingern über die Buchrücken und ich hätte schwören können, dass sie pulsierten. Alte, zerlesene Ausgaben von allen möglichen Jane Austen Romanen schienen mir entgegen zu lächeln. Ich erwiderte es unwillkürlich.

‚Ihr seid also Jaspers Affären. Schön, euch kennenzulernen, solange ihr mir keine Konkurrenz macht.'

Belustigt über meine eigenen Gedanken drehte ich mich wieder zu Jas um, der an der gegenüberliegenden Wand lehnte, die Arme verschränkt und sein Blick auf mir.

Ich schluckte, bevor ich mich komplett zu ihm umwandte, und auch die Arme verschränkte.

„Also... Wir müssen reden", meinte ich schließlich und er nickte.

„Ja."
Ich wartete, aber er sagte nicht weiteres.
Genervt stöhnte ich auf.  So ging das nicht weiter, vor allem, weil Jasper, während ich an Nervosität nicht mehr zu überbieten war, nur belustigt auf mich herunterlinste. Neppdepp.

Mit verbundenen AugenWhere stories live. Discover now