Shit, ich bin zum Panda mutiert

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Kapitel 3

„Charlie! Du wirst mir nicht glauben, was ich heute geträumt habe!", meine beste Freundin Tella kam quer über den Schulhof auf mich zu gerannt. Ihre blonden Locken wippten dabei wild auf und ab und die hellblauen Augen funkelten mich aufgeregt an, als sie vor mir stehen blieb und mich in eine schnelle Umarmung schloss. Ich erwiderte sie müde, bevor sie mich wieder losließ, mich kurz musterte und anschließend eine Augenbraue hochzog.

„Okay, bevor ich von mir erzähle: Was zur Hölle ist mit dir passiert?", sie schaute mich fragend an, immer noch die eine Augenbraue hochgezogen. Sie konnte das mit beiden Seiten, worauf ich ziemlich neidisch war. Wenn ich versuchte, meine rechte Augenbraue hochzuziehen, sah es mehr nach einem epileptischen Anfall aus, als nach einer coolen, lässigen Geste. Ich fuhr mir kurz über meine Augen, die schon jetzt anfingen, mir immer wieder zuzufallen, bevor ich mich auf das Geredete von Tella konzentrierte.

„Bin müde. Lange Geschichte", murmelte ich in meinen übergroßen Hoodie, den ich vorhin schnell über meine Jogginghose von gestern Nacht geschmissen hatte.

Tella seufzte, musterte mich noch einmal von oben bis unten und zog mich dann in Richtung Eingang unserer Highschool.

„Okay, ich werde dich jetzt erst einmal zurecht machen, du siehst wie ein verheulter Zombie aus, mit diesen verquollenen Augen. Und dann erzähle ich dir über meinen Traum. Ich habe nämlich in einem Horoskop gelesen, dass mein Traum bedeuten würde, dass ich heute fünf Menschen das Leben langfristig verbessern würde, dafür aber einen wichtigen Verlust erleiden müsse. Ich bin mir ja nicht ganz sicher, warum ich immer einen Verlust erleiden muss, nur weil ich so einen komischen Traum habe, aber was kann man da schon ausrichten? Es ist, was es ist", sie seufzte theatralisch, während sie mich zielstrebig weiter durch die Schülermassen zog.

Ich stöhnte gequält auf, als ich durch zwei Schüler gequetscht wurde und mein Gesicht unsanft Bekanntschaft mit einem schwarzen Rucksack machen musste. Ich murmelte ein „Sorry" bevor ich, von Tella erbarmungslos gezwungen, weiter stolperte. Mein Blick huschte über die Schülermassen, ohne wirklich ein Ziel zu haben. Vielleicht suchten meine Augen auch einfach eine Fluchtmöglichkeit vor dem Gebäude vor mir. Verständlich. Wäre ich ein Auge, würde ich auch nicht stundenlang auf eine grüne Tafel starren wollen.

Shit, ich musste echt fertig sein, wenn ich schon anfing, meine Augen wie eigenständige Persönlichkeiten zu behandeln. Eigentlich tat ich das erst nach zwei schlaflosen Nächten.

Als Tella endlich ihr Tempo drosselte, konnte ich mein erleichtertes Seufzen nicht zurückhalten, bevor ich neben sie trat. Doch leider blieb die Erleichterung mir im Hals stecken, als ich sah, warum Tella angehalten hatte.

Wir standen direkt vor dem Eingang, das aus einer großen, glasigen Doppeltür bestand. Ich konnte schon durch die Tür den Schweiß förmlich riechen, der durch ein solches Gedrängel wie in den Gängen zustande kam. Doch das war nicht der Grund für Tellas Erstarren. Ihr Freund, Chole, stand kurz hinter der Tür. Oder besser saß. Chole war querschnittsgelähmt und saß im Rollstuhl. Er war mit Tella mein bester Freund und seit die beiden zusammengekommen waren, auch mein Sozusagen-Schwager. Leider dachten manche Menschen, das eine Behinderung wie seine aus ihm einen schlechteren Menschen machte, einer, der weniger wert wäre. Allein schon, wenn ich hörte, wie manche Schüler sagten „Ja, Chole ist im Rollstuhl. Aber trotzdem ist er ein toller Mensch", könnte ich auf irgendwas - oder besser irgendwen - einschlagen. Der Rollstuhl ist eine körperliche Einschränkung, aber keine seelische. Er war ein toller Kerl, aber nicht trotz seines Rollstuhls, sondern mit seinem Rollstuhl. So sah ich das zumindest. Aber wie es aussah eine Gruppe Möchtegern-Cooler-Jungs nicht. Denn vor Chole hatten sich fünf Jungs aus der Unterstufe aufgebaut. Wir mussten sie gar nicht hören können, um zu wissen, dass sie Chole nicht anboten, ihm mit seinen Büchern oder seinem Rucksack zu helfen. Tella und ich stürmten gleichzeitig los, schwangen die Türen auf, schritten auf die Szene vor uns zu und bauten uns hinter unserem Freund auf.

Mit verbundenen AugenWhere stories live. Discover now