Menschliche Puzzle und ich

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24. Kapitel

Es wurde inzwischen schon dunkel, auch wenn ich vor nicht allzu langer Zeit erst nachhause kam. In den letzten Tagen war es kühl geworden, auch wenn mich immer wieder eine warme Briese davor bewahrte, zu frieren. Trotzdem hatte ich mir sicherheitshalber einen meiner wärmeren Pullover über mein T-Shirt geschmissen, bevor ich raus gegangen und die Straße hinuntergeschlendert war. Die Worte Tylers schwirrten mir immer noch im Kopf herum und weigerten sich, Platz zu machen. Es hatte wehgetan, was er gesagt hatte, aber nicht so sehr, dass ich es nicht vertragen konnte. Tatsächlich tat es weniger weh, als ich erwartet hatte nach diesen ganzen Jahren Schwärmerei für Kyle.

Ein Scheinwerfer blendete mich und warf mich gewaltsam aus meinen Grübeleien, während das Auto mir entgegenfuhr und schließlich neben mir stehenblieb. Ich warf dem Fahrer ein Lächeln zu, bevor ich einstieg.

Ein schnelles "Hey" murmelnd zog ich die Tür hinter mir zu und wartete darauf, dass das angenehme Klima des Autos mich umgeben würde. Klimaanlagen waren eine Erfindung des Himmels, dies wurde mir nun klar.

„Hey", meinte nun auch Jasper, bevor er wieder losfuhr. Leise Musik füllte die Stille zwischen uns, die nur von den Motorgeräuschen unterbrochen wurde - ich erkannte den Song sofort. Leise summend schaute ich aus den Fenster, beobachtete die Häuser und belebten Straßen und wie sie langsam einer ländlicheren Landschaft wichen. Ich fühlte mich merkwürdig losgelöst von ihr, obwohl ich ein Teil von ihr war. Trotzdem registrierte ich, wie er mir einen Blick von der Seite zuwarf. Ich unterbrach meine leise Musikbegleitung.

„Dieser Song ist genial", erklärte ich schließlich, als ich mich ihm zugewandt hatte. Er lächelte nur während er seinen Blick wieder auf die leere Straße vor uns wandte.
„Was ist deine Lieblingsmusik?", ich konnte einfach nicht widerstehen zu fragen, es war, als ob auf einmal die Frage sich meiner Zunge gebrannt hätte und der einzige Ausweg, war, das Eingebrannte auszusprechen, ihm Platz zu geben und es zu befriedigen.

Mein Blick verharrte auf seinem Seitenprofil, während er zu überlegen schien.

„Wahrscheinlich habe ich keine Lieblingsmusik. Ich bin ein Puzzle aus vielen verschiedenen Menschen, die ich getroffen habe, aus Erinnerungen, die ich erlebt habe, aus Gedanken, die ich getroffen habe. Ich esse Sushi so, wie es mir mein Vater beigebracht hat, ich mag die Musik, die Harrys Opa beim Kochen hört und ich werde von Sprüchen inspiriert, die nicht ich habe geschrieben." Er warf mir einen Blick zu, bevor er weitersprach. „ Wie auch immer, deshalb habe ich keine Lieblingsmusik. Ich höre die Musik, die ich mit Situationen, mit Menschen oder Gedanken verbinde."

Ich starrte ihn eine Weile einfach nur an. Es war erstaunlich, wie sehr er mich immer wieder überraschen konnte – in welchem ​​Gegensatz diese tiefgründige, philosophische Seite zu der durchgehend gelassenen, lächelnden Person stand, die mir regelmäßig in der Schule begegnete. Ein Jasper, den ich kannte, derselbe Jasper, den ich gar nicht kannte. Also sah ich ihn an, dieses Puzzle, dessen Teile sich nur langsam nach und nach zusammensetzten und dessen Gesamtbild ich noch nicht erfassen konnte. Und bezweifelte, dass ich es je könnte. Erstaunlicherweise verunsicherte er mich nicht, mit keiner von seinen Seiten. Ich brannte sogar darauf, mehr von ihm zu sehen, falls er bereit war, sie mit mir zu teilen.

„Dieses Puzzle ist wunderschön, weißt du das eigentlich?", meine Worte nur ein Flüstern, als sie aus mir herauskamen, ohne es geplant zu haben. Sofort überkam mich Scham, so etwas laut ausgesprochen zu haben. Bestimmt wirkte ich jetzt wie eine dieser Mädchen, mit denen er was gehabt hatte und die nichts anderes als rosarote Wolle in ihrem Kopf mit ihren perfekt frisierten Haaren und unglaublich genau gezupften Augenbrauen haben, ganz anders als ich, die ständig in lockeren Hosen und unfrisierten Haaren in der Schule auftauchte...

Mit verbundenen AugenWhere stories live. Discover now