Ich hatte meinen ersten epischen Blickkontakt!

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43. Kapitel

Ich eroberte mir meine gelassene Haltung zurück, auch als ein grinsender Jasper in all seiner Pracht vor mir auftauchte. Er hatte einen grauen Pullover, eine verwaschene Jeans und die typischen Sneaker an, doch trotzdem musterte ich ihn so lange, als ob er gerade in einem Ballkleid vor mir stehen würde.

Kopfschüttelnd blinzelte ich kurz, bevor ich endlich auf seine Frage zurückkam.

„Will ich eigentlich wissen, über was ihr da geredet habt?", hatte er gefragt, obwohl ich mir sicher war, er wusste die Antwort bereits.

„Nein, willst du nicht. Die Russen haben verboten, Staatsfeinden die Geheimnisse der FSB auszuplaudern. Sorry, Jasper, ich mag dich – aber nicht so sehr, dass ich meine Karriere als Geheimagentin riskieren würde."

Was. Zur. Hölle. Redete. Ich. Da.

Am liebsten würde ich wie ein dreijähriges Kind wegrennen, in der Hoffnung, dass das alles nicht wirklich passiert war. Geheimnisse der FSB? Wer kam auf solche abwegigen, merkwürdigen und verstörenden Gedanken? Außer offensichtlich ich, natürlich.

Doch Jasper prustete nur los, bevor er zu mir kam und mir einen Arm um die Schultern legte.

„Agent McAlby, Sie haben vollkommen Recht. Karriere meint Geld und Geld ist definitiv wichtiger als Freundschaft. Oder sogar Liebe." Verdattert sah ich zu ihm hoch, während er fröhlich weiter plauderte. Wenigstens war ich nun nicht mehr die Einzige, die nicht nur heiß aussehen, sondern vollkommenen Müll reden konnte.

**********************

Etwa drei Stunden später stand ich wieder auf dem Footballplatz und musste den Drang unterdrücken, mir die Ohren zuzudrücken, als Coach neben mir schon wieder irgendwelche Anweisungen über den Rasen brüllte.

„Shane, hab ich gesagt, dass wir ein Kaffeekränzchen auf dem Platz halten? Beweg deinen Hintern und zwar nicht so, dass dich sogar eine sterbende Schildkröte überholen könnte!"

Dreimal darf man raten, wer heute mit dem falschen Bein aufgestanden ist.

Einmal mehr war ich froh, kein Football zu spielen. Dafür war es umso genüsslicher, die verschwitzten Jungs zu beobachten. Wobei ich eigentlich nur einen Jungen hinterherstarrte. Gerade jetzt fuhr er sich mit einer Hand durch die verschwitzten, verwuschelten Haare und seine bitterbraunen Augen blitzten lebendig. Ich konnte den Blick einfach nicht abwenden, auch als ich merkte, dass mein Starren alles andere als unauffällig war. Mir war es egal, was die anderen von mir dachten. Jaspers Blick flog auf einmal in meine Richtung, als ob er meinen Blick gespürt hätte, und die Intensität seines Blickes schien mich vollkommen einzunehmen. Ich wandte den Blick trotzdem nicht auf, auch nicht, als er provozierend den Kopf schräg legte, seine Miene unlesbar und ohne den Blick abzuwenden. Auch nicht, als er jemandem etwas sagte, ohne seinen Blick eine Sekunde von mir zu nehmen. Genauso wenig wie ich. Auf einmal drang die Stimme von Coach zu mir durch, und ich zuckte unwillkürlich zurück und blinzelte ein paar Mal verwirrt, bevor ich mich ihm zuwenden konnte.

„Charlie?", fragte er fast schon besorgt. Schnell setzte ich ein fröhliches Lächeln auf und sah ihn möglichst aufmerksam an, während mein Herz noch immer vergeblich versuchte, sich zu beruhigen. Als er sah, dass ich ihm anscheinend doch noch zuhörte, fuhr er fort.

„Könntest du dir vorstellen, diesen Samstag gegen neun Uhr abends wieder hier zu sein? Es wäre schön, wenn jemand den Jungs die Handtücher und Flaschen gibt und sich eventuell um kleinere Schnittwunden kümmern würde. Ansonsten müsste ich wieder eine der Ersatzcheerleaderinnen fragen, aber die sind immer so unaufmerksam."

Genau Charlie, weil du ja so viel mehr aufmerksam bist.

Coach sah mich flehentlich an und ich konnte nicht anders – ich sagte zu. Sein Gesicht schien geradezu zu strahlen und er klopfte mir unbeholfen auf die Schulter, bevor er sich räusperte und sich wieder dem Spielfeld zuwandte, um Harry anzuschreien. Unwillkürlich wandte auch ich mich wieder dem Spielfeld zu – und traf sofort auf Jaspers Blick, der mich musterte. Meine Kehle war auf einmal staubtrocken und ich schluckte reflexartig. Coach pfiff gerade an – das zweite Übungsspiel sollte starten – und Jas warf mir noch ein schnelles süffisantes Lächeln zu, bevor er sich abwandte und über das Spielfeld joggte. Das ganze restliche Spiel konnte ich meinen Blick kaum von ihm lösen. Mich beschlich das Gefühl, dass Jasper das ganz genau wusste – und außerordentlich genoss.

Es war Samstag, ich stand seit geschlagenen vier Stunden in der Küche und versuchte, meine Hände zu massieren. Noch nie hatte ich so einen aufwendigen Kuchen gebacken. Und nie würde ich es wieder machen. Noch immer versuchte ich, den Schmerz aus meinen Händen zu bekommen. Vergeblich. Seufzend ließ ich meine – bildete ich mir das ein, oder waren sie geschwollen? – Hände sinken und starrte auf das verzierte Monstrum vor mir. Innerlich klopfte ich mir auf die Schulter.

Der Kuchen sah für meine künstlerische Begabung einfach fantastisch aus. Das Ungetüm war ganz in braun gekleidet, noch immer tropfte die Schokolade an manchen Stellen auf die Küchenablage. Oben hatte ich mit bunten Streuseln ein „Happy Birthday!" gelegt. Der runde Kuchen bestand unter dem braunen, leckeren Kleid aus einem Kakao-Vanille-Teig, eine edle Variante eines Marmorteigs. Zufrieden zog ich mir die klebrige, mit Mehl bestäubte Schürze über den Kopf und zwang mich, nicht mir meinen dreckigen Händen meine losen Strähnen hinter die Ohren zu stecken. Meine Mom hatte bereits Fotos von mir gemacht, um diesen besonderen Moment festzuhalten, daher wusste ich, wie gruselig ich derzeit aussah. Man hätte mich glatt mit dem Krümelmonster verwechseln können. Doch ich war nervös gewesen und kam mir so unvorbereitet für den morgigen Tag vor, dass ich einfach irgendwas machen musste – und da ich auch schon etwas in Panik verfallen war, dass ich noch kein Geschenk für Jaspers Mutter hatte, war das Backen eines extravaganten Kuchens die ideale Lösung. Jasper würde mich morgen am frühen Nachmittag abholen und bereits jetzt wusste ich, dass ich davor noch zehn Tode erleiden würde. Was sollte ich anziehen? Gab es einen Dresscode? War es nur eine kleine Familienfeier oder ein großes Fest? Und warum zur Hölle hatte sich Jasper entschieden, mich mitzunehmen? Die Fragen schwirrten mir im Kopf herum, sobald ich zum Stillstand kam und meinen Kopf denken ließ. Was ich tunlichst zu vermeiden versuchte, denn prompt fand ich mich in tiefen Grübeleien wieder. Dazu kam diese Ungewissheit, was zwischen Jas und mir eigentlich war, und die Atemlosigkeit und das Sehnen – nach ihm, nach mehr. Schnell schüttelte ich den Kopf, als ob die Gedanken sich dadurch vertreiben ließen. Selbst in diese Richtung zu denken und zu hoffen fühlte sich gefährlich an. Doch das alles, dieses ganze Chaos in meinem Kopf machte mich fertig und langsam hielt ich es nicht mehr aus. So konnte es nicht weiter gehen, das wusste ich, doch seit dem fehlgeschlagenen Versuch, Jasper meine Gefühle zu gestehen, schob ich einen erneuten Start von Mission „Gefühle gestehen" vor mir her. Ich wusste, dass es nie einen idealen Moment geben würde – es würde immer eine Hürde geben. Doch das durfte mich nicht aufhalten. Ich musste es endlich hinter mich bringen, denn umso länger ich es vor mir her schob, desto schwerer wurde es. Spontan fasste ich einen Entschluss: Wenn ich Jasper das nächste Mal sah, dann würde ich die Chance endlich am Schopf packen. Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als Entschlossenheit sich in mir festsetze. Ich würde es endlich tun.

Mit steifen Beinen – ich hatte viel zu lange nur in der Küche gestanden – tapste ich die Treppe hoch zu meinem Zimmer. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich schleunigst einen Gang zu legen sollte. In einer halben Stunde würde das Footballspiel starten und ich musste bereits eine Viertelstunde früher da sein. Tyler war bereits dort, weshalb ich laufen musste. Meine Beine stöhnten bereits bei dem Gedanken, doch ich versuchte, es positiv zu sehen. Immerhin würde ich mir nicht mehr vorwerfen müssen, keinen Sport zu machen.

Schnell schlüpfte ich aus meinem Pullover, der trotz Schürze mindestens zwei Löffel Teig und eine Menge Mehl abbekommen hatte, genau wie meine Jogginghose. Ich schmiss sie einfach in eine Ecke, bevor ich meine regenbogenfarbenen Leggins überzog, zusammen mit dem gemütlichsten Pullover, den mein Kleiderschrank auf Lager hatte.


AUTHORS NOTE:

Hallöchen an alle!
Ich hoffe, ihr habt eine gute Woche gehabt und könnt gut gelaunt ins Wochenende starten!

Was haltet ihr außerdem von Kuchen backen? Ich gehöre eher zu der Sorte, die gerne welchen isst ^^.

Wir lesen uns nächste Woche, habt alle ein tolles Wochenende und einen guten Start in die neue Woche <3.

Mit verbundenen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt