Als ich zum Gossip meiner Freunde wurde

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35. Kapitel

Eine Schulklingel ließ mich aufschrecken. Meine Ellenbogen stießen sich prompt an dem harten Kunststoff meines Tisches. Sofort breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus, eine Mischung aus Schmerz und Kribbeln, das sich meine ganzen Arme entlang zog. Und als ob das nicht schon gereicht hätte, hatten es die meisten meiner Mitschüler mitbekommen und tuschelten über mich wie Zwölfjährige.

Ein Seufzen entrang sich mir, zu allem anderen war ich zu müde, und ich setzte mich aufrechter hin.

Zu meinem Glück hatte es gerade erst vor geklingelt, sodass mich kein Lehrer zur Schnecke machen konnte – abgesehen davon, dass das schon meine Mitschüler übernehmen würden.

Seit Tyler und ich uns gestern von unseren Freunden verabschiedet hatten, Vio abgesetzt hatten und nachhause getuckert waren, hatten wir nonstop Hausarbeiten machen müssen. Wir liebten unsere Mutter, ich liebte sie wirklich, aber sie hätte in einem anderen Leben einen super Sklavenhalterin abgeben können. Nachdem ich also den Nachmittag lang von der Spüle oder hinter dem Staubsauger stand, war ich abends dementsprechend fertig. Trotzdem saß ich nun an einem bewölkten Montagmorgen in Biologie, wartete auf meine Lehrerin und kämpfte darum, nicht einfach hier und jetzt einzuschlafen.

Das Wissen, dass ich noch viele weitere Stunden in diesem Haus sitzen musste und anschließend sogar noch meine Strafarbeit bei den Footballern leisten durfte, machte den Prozess auch nicht einfacher. Ganz und gar nicht.

„Was ist los, McAlby?" Eine Stimme, die ich heute absolut nicht hören wollte, erklang hinter mir. Ich machte mir nicht die Mühe, mich umzudrehen, geschweige denn zu antworten. Wahrscheinlich wollte sie noch eine Beleidigung dransetzen, und unterbrechen war unhöflich. Nicht, dass ich besonders höflich war.

„Hast du schon wieder in den Spiegel geguckt? Du siehst echt deprimierend aus."

Ich hörte, wie Tiffinis Freundinnen – die natürlich alle nebeneinander in der letzten Reihe sitzen mussten – sich einschlugen und albern kicherten. Tiffini selbst stand da natürlich drüber, sie blieb leise – sie hatte ihren Teil der Show schon erledigt. Zu ihrem Glück war ich auch zum Antworten zu müde, sodass ich einfach nur meinen Kopf auf meinen Armen abstützte.

„Hast du sie gehört, Charlie? Du bist hässlich, das war die Quintessenz." Joey, die zu meinem Pech schräg hinter mir saß, steckte mir einen Stift in den Rücken. Natürlich mit der Spitze zu mir.

Überrascht zog ich die Augenbrauen hoch – was sie natürlich nicht sehen konnte – denn ich hatte absolut nicht erwartet, dass Joey überhaupt das Wort „Quintessenz" kannte geschweige denn es in einem sinnvollen Kontext benutzen konnte. Ich wusste nicht ob ich für sie klatschen wollte oder sie klatschen wollte. Die Qual der Wahl blieb mir erspart, denn just in dem Moment kam meine Retterin – unsere Biologie – Lehrerin – in den Raum gehastet, während unsere Schulkingel den Unterricht ankündigte.


Dem Schicksal sei Dank.

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Mein Atem rieb durch meine Lungen und mein Atem schien viel zu unregelmäßig und stoßweise aus mir zu kommen. Ich machte mir ernsthafte Sorgen, einfach mitten auf dem Sportplatz zu ersticken – hier und jetzt, zwischen all den Spielern und vor Coach. Trotzdem sprintete ich weiter – oder versuchte es jedenfalls.

Der Football wurde mir aus der Hand geklatscht und auf einmal lag ich im Gras, eine massige Figur auf mir, schon bevor der Schmerz einsetzte. Prompt stöhnte ich auf, während meine Hüfte innerlich zu jaulen schien und ein Haufen Beine an mir vorbeiliefen, der Person mit dem Ball nach.

Mit verbundenen AugenWhere stories live. Discover now