Von Leichen und Eisenflaschen

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1. Kapitel

313 Tage, 2 Stunden und ein paar Sekunden später

Genervt wälzte ich mich auf die andere Seite meines Bettes, um auf meinen Wecker schauen zu können.

Es war bereits nach eins, und ich musste in sechs Stunden wieder aufstehen. Ich stöhnte, denn ich wusste ganz genau, dass jetzt an Schlaf nicht mehr zu denken war. Dank meines versehentlichen Mittagsschlafes von vorhin war ich hellwach. Resigniert stand ich auf, machte mein Fenster Richtung unseres kleinen Gartens auf und atmete die warme Nachtluft ein. Ich ließ meinen Blick über den Ausblick meines Fensters schweifen, während ich einen inneren Kampf austrug, einfach meinen Laptop zu schnappen, Netflix anzuschmeißen und so die restlichen Stunden bis zum Schulbeginn zu überbrücken. Theoretisch könnte ich einfach heimlich einen Energydrink von meinem Bruder stehlen, falls mein Körper doch noch entscheiden sollte, dass das Vampirleben nichts für mich war. Oder ich versuchte eben weitere sechs Stunden, bewusstlos zu werden und zu schlafen.

Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht, weil die Entscheidung eigentlich schon längst gefallen war. Ich war nicht gerade eine Geduldsperson und sechs Stunden ohne Beschäftigung einfach nur stumm dazuliegen, war dadurch einfach nur sterbenslangweilig. Als ich mich gerade vom Fenster abwenden wollte, um mich samt Laptop wieder auf mein Bett zu kuscheln, sah ich drei Personen durch den Garten schleichen. Ich hielt die Luft an und duckte mich etwas, heilfroh, dass ich kein Licht in meinem Zimmer angemacht hatte und unsichtbar blieb. Mit klopfendem Herzen linste ich nach ein paar galoppierenden Herzschlägen über den unteren Fensterrand, und tatsächlich: Da gingen drei Personen durch unseren Garten!
Shit.
Shit.
Was machte man in solchen Situationen? Oh mein Gott, was ist, wenn sie mich sahen? Ich versuchte, tief ein- und auszuatmen, hoffentlich mit dem Ergebnis, mich zu beruhigen. Nach ein paar dieser Atemzüge hatte ich mich wieder etwas mehr unter Kontrolle. Noch immer leicht panisch überlegte ich, welche Optionen mir offenstanden.

Erstens: Verschreckt die Polizei anrufen. Der Haken an der Sache? Ich hatte keinen Plan, wo ich mein Handy gestern Abend hingelegt hatte, womit die Idee wohl ziemlich flachfiel. Zweite Option: Meine Mutter wecken. Das Problem? Ich wusste bereits, dass sie geradezu in einen komaartigen Zustand fiel, sobald sie sich ins Bett legte. Bis ich Mom wach bekommen hätte und sie vor allem denkfähig wäre, wären die drei Gestalten schon längst wieder draußen und würden sich ins Fäustchen lachen. Damit blieb mir nur die letzte und dritte Möglichkeit übrig: Mich bewaffnen und die Situation selbst in die Hand nehmen, ganz egal wie gerne ich einfach panisch verschwinden wollte. Und wenn ich mein Handy doch irgendwo entdecken sollte, würde ich einfach zu Option eins umschwenken. Ich rieb mir die Hände in bester Ränke-Schmiede-Manier und überlegte, was jetzt zu tun wäre.

Sobald feststand, was ich jetzt machen würde, suchte ich mein Zimmer nach den Sachen ab, die ich eventuell gebrauchen könnte. Heute war eine ungewöhnlich klare Nacht, sodass ich dank des Mondlichts schnell in meine Jogginghose schlüpfen konnte, darauf bedacht, leise und flach zu atmen. Als ich mir meine Eisenflasche, die nachts immer neben meinem Bett stand, geschnappt hatte und leise zurück an das Fenster trat, konnte ich die Personen nicht mehr entdecken. Ich wusste nicht, ob das ein Grund war, richtig Panik zu bekommen und schreiend aus dem Fenster zu springen, oder ob ich erleichtert sein sollte. Immerhin könnten sie auch einfach wieder gegangen sein. Aber trotz meines Wunsches, dass Letzteres zutraf, kam es mir nicht wirklich logisch vor. Ich überlegte, ob es schlau wäre, einfach im ganzen Haus Licht anzumachen, damit man schneller Eindringlinge erkennen könnte, war dann aber doch zu feige, durch das ganze Haus zu laufen, um überall Lampen anzuschalten. Außerdem wollte ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite wissen.

Mein Raum lag im ersten Stock auf der Rückseite unseres Hauses, somit war für mich schnell klar, dass ich den Einbrechern von hinten auflauern würde, so, wie ich es schon tausendmal in Filmen gesehen hatte. Das ich weder Kampfsport trainiert hatte und es 1:3 stand, darum würde ich mir Sorgen machen, wenn es soweit war. Ich kletterte möglichst leise über den Rand meines Fensters, atmete einmal tief durch und sprang. Meine Knie knackten bei dem Aufprall und mein rechter Fuß fing an, schmerzhaft zu pochen. Nur mit Mühe konnte ich ein Stöhnen unterdrücken, und knirschte mit den Zähnen. Ich rappelte mich unelegant auf und hob meine Eisenflasche auf, die bei dem Aufprall aus meiner Hand gefallen war und nun neben mir im weichen, kühlen Gras lag. Gerade wollte ich in Richtung Haustür schleichen, als eine tiefe Stimme hinter mir erklang.

„Was machst du hier?"

Ich schrie auf und wirbelte mit ausgestreckter Flasche zu der Person herum. Sogleich sprang ich einen Schritt nach hinten, als ich bemerkte, wie nah mir besagte Person war. Trotzdem hatte die Flasche ihr Ziel verfehlt und war nun zwischen mir und dem Typ, der mich angesprochen hatte. Man, das Eisending hatte nur einen Job gehabt und auf voller Bahn versagt. Tja, da wären wir dann schon zwei. Von wegen Überraschungsmoment auf meiner Seite wissen.

In meinen Gedanken beleidigte ich die Flasche und meine fehlende kognitive Leistungsfähigkeit mit wüsten Flüchen, als die Person erneut sprach.

„Ganz ruhig. Wir wollen hier nur einen Freund nachhause bringen. Er wohnt hier. Aber was machst du hier? Und warum streckst du mir eine Flasche entgegen?"

Ich konnte erkennen, wie er seine Hände beschwichtigend hob, während er redete und irgendwie beruhigte mich das. Traurig, wie leicht man mich manipulieren konnte.

Ein belustigtes Schnauben erklang hinter dem definitiv männlichen Wesen, das mit mir sprach. Erst jetzt wurde ich mir der zwei anderen Gestalten bewusst. Nein, halt. Ein vierter Mensch hing zwischen den beiden, allerdings ziemlich k.o. 

Oder tot. 

Oh heilige Scheiße, bitte ließ es keine Leiche sein! Ich wollte nicht jetzt schon sterben, weil ich die werten Herren bei ihren schmutzigen Angelegenheiten erwischt hatte. Betend betrachtete ich besagte Eventuell-Leiche etwas länger und wartete, bis sich eindeutig erkennen ließ, dass sein Brustkorb sich regelmäßig hob und senkte. Erleichterung durchflutete mich. Und da wurde mir endlich klar, wer dieser ohnmächtige Typ war. Ich seufzte beruhigt und gleichzeitig unheimlich genervt auf.

Mein Bruder Tyler.

AUTHORS NOTE:
Ach man, krass, dass ich endlich das erste offizielle Kapitel zu Charlies Leben hochlade. Ich hoffe, ihr freut euch genauso wie ich! Wenn du willst, kannst du super gerne Kritik, einen Vote oder sogar Lob abgeben 🤭. Das gilt außerdem immer, denn ich werde es nicht jedes Mal erwähnen - ich will euch ja nicht nerven xD.
Hier noch eine Frage:
Was haltet ihr von Charlie?

Euch noch ein schönes restliches Wochenende - wir lesen uns am Freitag 🙊.

Mit verbundenen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt