Lass uns über nichts Wichtiges reden, damit ich meine Gefühle ignorieren kann

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42. Kapitel

Wir redeten eine Weile über alles Mögliche: Jane Austens Bücher, die Wette mit seinen mehr schlechten als rechten Anmachsprüchen, das grausame Footballtraining – wobei Jasper versuchte, seine Belustigung über meinen Muskelkater sich nicht anmerken zu lassen.

Die Spannung war unterschwellig da, und meine Gedanken wollten nicht aufhören, mir vorzuwerfen, dass ich die Schuld dafür trug. Als ob ich das nicht bereits wusste. Mit jedem Blick, den Jasper mir nachdenklich zuwarf – als ob er genau wüsste, dass ich aus einem ganz anderen Grund auf dieser Klippe gewesen war – stieg mir der saure Geschmack des Unwohlseins in den Mund. Ich hatte die Situation nicht geklärt, dafür aber unangenehm gemacht.

Super Charlie, der Preis für die beschissenste Umsetzung von guten Einfällen steht bei weitem Abstand dir zu.

Ich hätte meine Gedanken am liebsten weggetrunken und -getanzt. Ich war keinesfalls eine Trinkerin – ich hasste den Geschmack von Alkohol, er brannte sich in meinen Rachen und lag schwer in meinem Magen –, aber desaströse Umstände erfordern ein gewisses Maß an katastrophalen Ideen. Nicht, dass ich mein Maß schon seit langer Zeit ausgereizt hatte.

Schließlich – als die Sonne gänzlich verschwunden und auch Jaspers Ersatzpullover mich nicht mehr vor dem kühlen Wind schützen konnte – hatte Jasper mich nachhause gefahren. Es war ein schöner Abend, abgesehen von dem dauerhaften Gefühl, dass ich eine optimale Chance verpasst hatte. Ich hatte es einigermaßen erfolgreich versucht zu verdrängen. Jasper hatte mich schließlich ziemlich erfolgreich mit Theorien über Jane Austens perfekten Vorzeigemodul Jane aus Stolz und Vorurteil ablenken können.

Die ganze Nacht hatte ich wach gelegen und konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, was alles passiert war. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich in jemanden verliebt hatte – und tatsächlich machte es mir gar nicht einmal so viel Angst wie erwartet. Ich fühlte das Ziehen im Bauch, wenn ich daran dachte, aber kein Instinkt, vor meinen Gefühlen wegzurennen, bis ich sie nicht mehr fühlen konnte. Mein Kopf war endlich an dem Punkt angelangt, an dem mein Herz schon seit Wochen war.

Schließlich war ich doch eingeschlafen, mit Schmerzen hinter meiner Stirn. Ich hatte zu viel nachgedacht. Trotzdem war ich mir sicher, dass ich mit einem Lächeln in einen viel zu kurzen, traumlosen Schlaf gesunken war.

Trotzdem zwang ich mich nun aufzustehen.

Schnell schlüpfte ich in das Bad, was zu meinem Glück schon so heiß wie eine Sauna war. Tyler hatte schon geduscht und nicht gelüftet, ich hätte ihm am liebsten dafür umarmt. Stattdessen schloss ich schnell die Tür, um die Wärme nicht rauszulassen, zog mich aus und sprang geradezu unter den heißen Wasserstrahl in der Dusche.

Als ich mit notdürftig ausgewrungenen Haaren in die Küche gelaufen kam, war Tyler bereits dabei, seine Schuhe anzuziehen. Er hüpfte hilflos auf einem Bein, in dem Versuch, seinen Fuß in seine Quadratlatschen zu zwängen. Ich verkniff mir ein Grinsen und ging stattdessen direkt zum Toast, das schon bereit auf dem Esstisch stand.

„Charlie, du weißt schon, dass in zwanzig Minuten der Unterricht beginnt, oder?" Tyler hatte anscheinend seinen Schuh um seinen Fuß bekommen – das der andere Schuh dabei noch fehlte, war ihm wohl egal. Ich zuckte als Antwort nur mit den Schultern, bevor ich mir mein Toast in den Mund schob und bereits aufstand, um wieder ins Bad zu laufen. Tyler seufzte nur, während er die Haustür aufriss und verschwand. Ich rief ihm noch ein schnelles, ziemlich unverständliches „Ich weiß, dass du auf mich warten wirst!" zu, bevor ich endgültig das Toast runterschluckte, um meine Zähne zu putzen.

Ich habe besser verdammt nochmal die Wahrheit gesagt – ich will nicht zur Schule laufen müssen.

**********************

Ich musste laufen.

Natürlich musste ich laufen. Tyler war ohne mich gefahren, und ich musste den ganzen Weg zur Schule sprinten, nur um trotzdem eine Viertelstunde zu spät zu kommen. Manchmal wollte ich der ganzen Welt, aber ganz besonders mir, den Mittelfinger zeigen.

Besser wurde es, als mir auffiel, dass ich für Sport meine Fitnessklamotten vergessen hatte. Keiner hatte eine Extraausstattung dabei, sodass ich nun vor der Jungenkabine stand und versuchte, Mut für meinen idiotischen Einfall zu sammeln. Vergeblich. Trotzdem stieß ich schließlich die Tür auf, hob mein Kinn etwas höher und trat ein.

Sämtliche Blicke schossen zu mir und ich fühlte mich, als hätte ich ein Déjà-vu. Wahrscheinlich hatte ich eins, vor allem, als Hulk schon wieder etwas wie „Oh Scheiße, es ist schon wieder ein Mädchen!" schrie, bevor er panisch seine Hände über seine Brustmuskeln legte. Als ob ich mich für die interessierte.

Schnell tippelte ich durch die ganzen Jungs durch, die mich erschrocken anstarrten. Was war denn immer deren Problem? Ich lächelte entschuldigend, bevor ich sie musterte und nach Tyler Ausschau hielt. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn auf einmal packte mich eine Hand von hinten und zerrte mich aus dem Raum, bevor ich mich wieder vor der Umkleidekabine mit meinem ziemlich angepissten Bruder vor mir wiederfand. Oh, wie mir diese Situation unangenehm war.

„Es tut mir-"

„Was zur Hölle machst du schon wieder in der Jungenumkleide? Ist Pornhub nicht genug für dich, oder was?" Oh, er war richtig angepisst.

„Also, das ist eine lange Geschichte...", setzte ich an, bevor Tyler noch weiter auf mich einreden konnte. Tyler zog skeptisch eine Augenbraue hoch und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Ich habe Zeit." Wir wussten beide, dass das eine Lüge war – in ein paar Minuten würde der Unterricht beginnen. Es war aber der falsche Moment, um das anzusprechen, entschied ich und fuhr im Kontext fort.

„Ich brauche deine Wechselklamotten. Ich habe meine Sportsachen vergessen und du weißt, dass Coach zum Teufel höchstpersönlich werden kann, wenn jemand seine Sachen zu seinem Unterricht vergisst." Bittend sah ich zu ihm hoch und es dauerte keine fünf Sekunden, bevor er den Blick abwandte und entnervt seufzte.

„Wenn ich mit dreißig meine Haare färben muss, weil ich bereits graue Haare habe, dann ist das deine Schuld. Du raubst mir den letzten Nerv!", meckerte er rum, während er mir bedeutete, vor der Umkleide zu warten, bevor er hinter die Tür verschwand.

„Ich bezahl das Färben und Tönen, wenn du mich die Farbe auswählen lässt!", rief ich noch hinterher, bevor die Tür zufiel und mein Grinsen einem erleichterten Seufzer wich.

„Will ich eigentlich wissen, über was ihr da geredet habt?"

Erschrocken fuhr ich herum, als die Stimme hinter mir ertönte. 


AUTHORS NOTE: 

Hey, meine lieben Freunde, es geschehen doch noch Wunder! 

Ich hoffe, ihr konntet das - sogar pünktlich veröffentlichte - Kapitel genießen. Wie immer freue ich mich über jedes Feedback ^^. 

Ich wünsche euch noch ein schönes Wochenende und wir lesen uns nächste Woche <3. 

Mit verbundenen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt