Kapitel 62

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„Liegst du auf meinen Kopfhörer?“, höre ich Pia genervt fragen. Verschlafen reibe ich meine Augen und brumme: „Glaube nicht.“
„Dein Ernst? Seit zwei Stunden versuche ich dich wach zu machen, halte dir Kaffee vor die Nase, rüttle dich und ich bekomm keine Reaktion, aber jetzt?“ In ihrer Stimme schwingt ein Hauch von Belustigung mit, aber ich glaube nicht, dass ihr zum Lachen ist.
„Tut mir leid, konnt heut Nacht nicht schlafen.“ Langsam strecke ich mich durch und versuche dabei nicht von der Couch zu fallen. Wann haben wir überhaupt aufgehört sie auszuklappen?
„Wir müssen einkaufen und die Schlüssel abholen und den Mietvertrag musst du auch noch unterschreiben.“ Schuldbewusst beiße ich auf meine Lippe. Ich hab es total verpennt.
„Tut mir leid.“
„Davon können wir die Zeit auch nicht zurückspulen, los steh auf, zieh dich an, dann können wir gemeinsam noch einkaufen!“ Es ist keine höfliche bitte mehr von ihr und ich kann es mehr als nachvollziehen. So schnell ich kann mache ich mich fertig und renne noch eine kurze runde mit Leo durch den Wald.

„Du hast deine Wohnung“, flüstert Pia neben mir und stupst mir mit ihrem Ellenbogen in die Seite. Breit grinse ich sie an und nicke eifrig. „Lass uns gleich mal reingehen.“
„Natürlich, ich ruf dann mal bei meiner Mutter an und frag sie, ob sie noch was für meine Wohnung hat und Papa muss ich auch noch anrufen, wegen meinem alten Zimmer. Vielleicht hat er auch noch was.“ Mein Grinsen wird immer breiter, je näher wir nach Hause kommen. Eckhard, Pias Vater, lenkt den Wagen in unsere Straße, doch in dem Moment betätigt er mit seinem Bauch die Hupe. Laut lacht Pia auf und schüttelt ihren Kopf.
„Jetzt weiß jeder, dass wir wieder zurück sind.“ Ich stimme in ihr Lachen ein, es ist jedes Mal dasselbe, weil Eckhard so dick ist und sein Bauch an das Lenkrad kommt, hupt er immer, wenn wir starke kurven fahren. Noch immer grinsend schließe ich die Haustür auf und gehe die Treppen hoch, um meine Wohnung anzusehen. Es ist ein unglaublich komisches Gefühl, meine Wohnung, mein Herz rast und alles in mir fängt an zu kribbeln. Mit zittrigen Fingern schließe ich die Tür auf. Am liebsten würde ich sie sofort wieder zu ziehen, der Flur ist unfassbar dreckig und ein Boden ist nicht wirklich vorhanden. Der blanke Estrich starrt uns regelrecht an, vereinzelt liegen PVC ähnliche Fliesen auf dem Boden. Der Geruch von kaltem Rauch steigt mir zusätzlich in die Nase. Warum kann man denn nicht vernünftig lüften beim Rauchen?
„Piiiaaa“, stöhne ich genervt und habe gar kein Bock mehr weiterzugehen. Meine anfängliche Freude auf die erste eigene Wohnung verfliegt im Nu und mein Kopf arbeitet auf Hochtouren, die Wohnung irgendwie wohnlich zu gestalten.
„Ach komm, schlimmer kann der Rest nicht sein.“ Aufmunternd klopft sie auf meine Schulter und schiebt mich weiter in den Flur. Die Aufteilung ist wie bei Pia, Flur, Abstellraum, Badezimmer, Wohnzimmer mit Schlafecke, Küche und einen Balkon, also nichts Besonderes, aber für 280Euro Warmmiete, kann man auch nicht viel erwarten.
„Den Teppich müssen wir entfernen und diese grottenhäßliche Tapete auch, alter was ist das für ne ekelhafte Farbe?“ Hätte ich mir die Wohnung vorher anschauen können, hätte ich sie definitiv nicht genommen und mir was anderes gesucht.
„Warum muss der Teppich denn raus?“, fragt Pia ahnungslos, „Ein mal reinigen reicht doch.“
„Ich habe eine Hausstaubmilbenallergie, Teppich ist für mich nicht gesund.“ Ein leises Ah kommt von ihr. „Ach, bevor ich es vergesse, Nicole hat gestern geschrieben, dass ein bekannter von ihr bald Katzenbabys bekommt, also seine Katze, und er sie nicht behalten kann und will, aber es sind Inzestbabys.“
„Katzenbabys?“, quietscht sie und schaut mich mit großen Augen an. Kurz nicke ich und gehe auf die Balkontür zu, um eine zu rauchen. „Wann sind sie da, dürfen wir auch eine oder wir beide eine?“ Ihre Stimme überschlägt sich fast und ihre Aufregung wirkt ansteckend auf mich.
„Ich weiß nicht, wann die zur Welt kommen. Auf jeden Fall müssen sie definitiv kastriert werden, wenn sie denn gesund zur Welt kommen.“
„Jaja, wir holen uns beide eine.“ Grinsend reicht sie mir eine Zigarette und lehnt sich am Geländer an.
„Du kannst deinen Arsch selber sauber halten, sonst hab ich zehn Tage Sodbrennen.“

Wann hört es auf? Where stories live. Discover now