Kapitel 34

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Leise atmet Pia ein und wieder aus und ein und aus. Sie ist eine verrückte Nudel. Grinsend liege ich auf der kleinen Couch und muss mir ein Lachen verkneifen. So viel wie heute habe ich schon lange nicht mehr gelacht. Wie wir mit den Kuscheltieren gespielt haben und sie lautstark gerufen hatte, von hinten kostet aber Hundesteuer. Kopfschüttelnd nehme ich mein Handy in die Hand und schreibe Mirko eine Gute Nacht Nachricht. Es wundert mich ziemlich, dass er sich heute kaum gemeldet hat, aber vielleicht ist er auch einfach zu müde. Ich bin total müde, aber einschlafen kann ich trotzdem nicht. Ein leises Klopfen an der Tür ist zu hören und Alex, Daniels Bruder, steckt seinen Kopf, durch den Spalt.
„Schlaft ihr schon?“, flüstert er in den Raum hinein.
„Pia ja, aber ich kann nicht“, flüstere ich genauso leise zurück.
„Lust auf ne Serie? Alleine ist langweilig.“ Vorsichtig stehe ich auf und klettere über den kleinen Tisch vor der Couch. Sein Zimmer liegt direkt gegenüber von Pias. Laut knarzt seine Tür und ich presse meinen Zeigefinger auf den Mund. Ich weiß, dass es nichts bringt, dennoch tue ich es. Alex Zimmer ist riesig, er hat sogar ein eigenes Badezimmer. Erstaunt schaue ich mich um. Sein Computer steht direkt neben der Tür und leise brummt Musik aus den Boxen.
„Was willst du denn gucken?“, frage ich schließlich und schaue zum großen Fernseher, welcher gegenüber von seinem Bett, an der Wand hängt.
„Irgendwas mit Zombies.“ Alex ist schon knapp 30 Jahre alt, aber er wirkt viel jünger. Eifrig durchsucht er eine Liste mit Zombieserien und bleibt letztendlich bei The walking dead hängen.
„Wenn ich mich erschrecke und schreie ist es deine Schuld“, sage ich und lache leise, während ich auf das Bett zu steuerer.
„Keine Sorge, ich halte dir dann den Mund zu“, grinst er und klopft auf die Matratze. Dieser Satz bringt mich völlig aus dem Konzept. Fest beiße ich auf meine Lippe und lasse mich neben ihm fallen.
Die erste Staffel haben wir schon fast durchgeschaut und langsam wird mir kalt. Leicht schiele ich Alex an, wir haben die ganze Zeit kein Wort mehr gesagt und doch waren auch keine Worte vonnöten. Vorsichtig greife ich mit meinem Fuß nach der Decke und ziehe sie zu mir hoch.
„Warum sagst du denn nichts?“ Erschrocken fahre ich zusammen und murmle: „Geht schon.“ Müde kuschle ich mich ein, lege mich auf die Seite und platziere meinen Kopf auf Alex Bauch.
„Na bequem?“, fragt er amüsiert und legt seine Hand auf meine Schulter. Grummelnd nicke ich und schließe meine Augen. Nur ein paar Minuten schlafen. Seufzend wackle ich mit meinem Kopf und werde von der Dunkelheit überrannt.

Unsanft werde ich an der Schulter hin- und hergerissen: „Anna, ich hab dich schon überall gesucht! Wir müssen gleich los.“ Stöhnend Strecke ich mich und stelle überrascht fest, dass ich über Alex liegt. Grinsend rutsche ich von ihm und schaue Pia an. Anscheinend wartet sie auf eine Erklärung, doch ich kann nur mit den Schultern zucken.
„Ist ja auch egal, komm rüber. Wir brauchen 20 Minuten bis zur Bushaltestelle.“ Wieder stöhne ich auf. So viel reden am frühen Morgen und auch noch so viel laufen. Niedergeschlagen stemmte ich mich hoch und torkle schlaftrunken ins andere Zimmer. Irgendwas kommt auf mich zu geflogen und ich höre nur noch ein fang, von Pia. Völlig überrumpelt springe ich dem teil hinterher stolpere über eines der vielen Kuscheltiere und lande laut ächzend auf dem Boden.
„Hab’s“, rufe ich erfreut und muss grinsen, als ich erkenne, dass es eine Zigarette ist. Dankend werfe ich ihr einen Luftkuss zu und krabble zur Couch. Mein Handy blinkt fröhlich vor sich hin und ich weiß, dass die Nachricht nur von Mirko sein kann, doch ich bin noch viel zu gerädert um ihm zu antworten.
„Was hast du denn bei Alex gemacht?“, fragt Pia schließlich ist zieht ihre Augenbraue hoch.
„Nicht das was du vielleicht denkst …“
„Was denk ich denn.“ Ihr grinsen wird breit und anzüglich, laut lache ich auf.
„Wir haben ne Serie geguckt, weil wir beide nicht schlafen konnten und irgendwann haben wir dann doch geschlafen“, erkläre ich ihr und suche nach einem Feuerzeug. Wieder kommt etwas auf mich zugeflogen und knallt schmerzhaft gegen meinen Kopf.
„Ups.“ Pia bricht in schallendes Gelächter aus. Grimmig schaue ich sie an und reibe die Stelle intensiv, aber Pia lacht einfach weiter, sodass ich mir ein Grinsen nicht verkneifen kann.
„Blöde Kuh“, murmle ich und zünde die Zigarette an.
„Mäh“, macht sie eine Ziege nach und fängt wieder an zu lachen, fragend lege ich meinen Kopf schief. „Blöde Kühe wissen nicht, dass sie Muh machen“, erklärt sie grinsend und angelt nach einer Cola Flasche vor dem Bett.
„Du bist bescheuert.“ Grinsend schüttle ich den Kopf.

Nachdem wir durch die Felder zur Bushaltestelle gestiefelt sind, habe ich schon keine Lust mehr mich noch in irgendeiner Art und Weise weiterzubewegen.
„Ein Glück fährt der Bus bis zum BZH“, brumme ich und lasse mich auf die Bank nieder. Gedankenverloren starre ich auf die Straße. Plötzlich fühle ich mich unfassbar leer und alleine. Die aufkommenden Tränen blinzle ich weg und beiße auf meine Lippe. Doofe Angewohnheit. Was ist nur los mit mir? Seufzend lehne ich meinen Kopf gegen die Scheibe und knibble an einem Hautfetzen am Fingernagel.
„Ist alles ok?“, fragt Pia sanft und legt ihre Hand auf meine Schulter. Eine unglaubliche Wärme breitet sich aus. Sie ist wie eine lebendige Heizung. Über meine eigenen Gedanken schmunzelnd sehe ich sie an.
„Ja, bin nur ziemlich fertig.“ Verständnisvoll nickt sie und reicht mir ihre Schachtel mit gestopften Zigaretten hin. Dankend nehme ich eine.
„Du hättest ja schlafen können, aber du musstest ja unbedingt nach Alex rüber.“ Ihr verschmitztes grinsen, sagt eindeutig, dass sie mir nicht glaubt, dass wir nur eine Serie geschaut haben. Ich lasse sie einfach in dem Glauben, weil es doch recht amüsant ist. „Gib es zu. Du stehst auf ihn.“ Grinst sie mich noch immer an.
„Er sieht nicht scheiße aus, sagen wir es so, aber … jetzt kommt das große aber, ich habe einen Freund und er ist mir zu alt.“ Gut zu alt ist er mir nicht, es ändert aber nichts daran, dass ich mit Mirko zusammen bin.
„Mirko ist ein Arsch“, sagt sie schließlich ziemlich abwertend und schüttelt heftig den Kopf.
„Du kennst ihn doch gar nicht“, beschwere ich mich sofort und sehe sie entsetzt an.
„Ich weiß. Du hast aber schon genug über ihn erzählt und so wie er dich kontrolliert.“ Augen verdrehend ziehe ich an der Zigarette.
„Dein Freund ist doch auch nicht besser, mit seinem ‚Gehörlosen treffen‘.“ Ich male Gänsefüßchen in die Luft und ziehe eine Augenbraue hoch. Kurz schmunzelt Pia und steckt sich einen Kopfhörer ins Ohr.
„Du bist ne Nase“, gibt sie belustigt von sich und schließt das Thema damit. Mir soll es recht sein. Auch wenn Pia und ich viel über unsere Partner gesprochen haben, so ist es doch am besten. Endlich kommt der Bus und wir müssen uns nicht mehr von dieser peinlichen Stille umgeben lassen.

Wann hört es auf? Where stories live. Discover now