Kapitel 13

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Müde schaue ich an die Holzdecke. So sehr ich mich bemüht habe einzuschlafen, es hat nicht geklappt. Mirko liegt schlummernd auf meinen Bauch und ich streiche sanft über seinen Kopf. Ich will nach Hause, egal welches Zuhause. Plötzlich hustet Andreas so laut auf der anderen Seite, dass ich zusammenzucke.
„Sorry, hab ich dich geweckt?“ Verschlafen reibt er sich über die Augen und greift direkt zur Bong. Wie kann er nur so süchtig nach dem Zeug sein? Verneinend schüttle ich den Kopf.
„Kann ich dich mal was fragen?“ Abwartend schaut Andreas mich an und setzt die Bong an. Kurz nicke ich und warte auf seine Frage.
„Du und Mirko, was ist das? Nichts gegen dich, aber er ist anders geworden. Manchmal total aufgedreht und dann urplötzlich richtig depressiv. Ich will nicht sagen, dass du daran schuld bist, aber er ist erst so seit dem er dich kennt.“ Nachdenklich kratzt er sich am Kinn und nimmt den nächsten Zug.
„Ich weiß nicht“, antworte ich wahrheitsgemäß. Vom Tisch ziehe ich mir die Schachtel heran und pule nach der letzten Zigarette. Genervt werfe ich sie wieder auf den Tisch und zünde dieses geknickte elend an.
„Wie du weißt nicht?“ Andreas legt sich wieder hin und winkelt seine Beine an.
„Ich weiß halt nicht was das mit uns ist ich weiß nicht wo das hinführen wird. Ich weiß nur das er mich liebt.“ Fest beiße ich mir auf die Lippe. Ja er liebt mich und das ist vielleicht sein größter Fehler.
„Liebst du ihn?“, fragt er mich und ich sehe nur wie seine Augenlider immer wieder zuklappen. Stark ziehe ich an der Zigarette und halte den Qualm in der Lunge. Nachdenklich suche ich einen Punkt den ich fixieren kann. Ein kleiner Fleck an der Holzdecke lässt meine Augen ruhiger werden. Kein hektisches suchen mehr. Langsam lasse ich den Rauch aus meiner Lunge entweichen. Liebe ich Mirko? Vielleicht. Er hört mir immer zu, wenn ich was habe und er bringt mich zum Lachen. Was will man mehr? Wir könnten es noch ein Mal versuchen. So schlimm kann es nicht werden. Schon die ganze Nacht gehen mir diese Gedanken durch den Kopf, aber am Ende komme ich immer zum gleichen Ergebnis. Wir sollten es wirklich versuchen. Gähnend Strecke ich mich durch und versuche Mirko dabei nicht wach zu machen. Doch er dreht sich nur brummend um und umklammert mein Bein, als würde ich jeden Moment wegrennen. Es ist schon süß ihn zu beobachten, wenn er schläft.
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„Mirko, du musst jetzt gehen“, ertönt die Stimme meines Vaters an meiner Zimmertür.
„Papa“, stöhne ich genervt. Mirko darf noch nicht gehen, ich will das nicht.
„Nichts da Papa. Wir haben schon zehn Uhr, morgen ist Schule“, erwidert er scharf.
„Lass mich gleich wieder rein, wenn er schläft“, flüstert Mirko in mein Ohr, was mich zum kichern bringt. Schnell nicke ich und beobachte ihn, wie er seine Jacke von meinem Fernseher runter nimmt. Sanft drückt er mir einen Kuss auf die Lippen und geht. Bevor wieder jemand dazwischen kommt ziehe ich TJ hervor.

‚05.02.2012
Hey,
Weißt du wie müde ich eigentlich bin? Ich habe es satt so wenig Schlaf zu bekommen, aber ich kann einfach kaum schlafen. Immer wieder werde ich wach weil ich ihn vor mir sehe. In den letzten Wochen ist es sogar schlimmer geworden. Seit Chris weg ist, eigentlich. Warum tut es so weh, dass er mich alleine lässt? Ich habe mit allen Mitteln mir eingeredet, dass wir nur Sex haben und nur Freunde sind. Er ist viel zu alt für mich. 26, das musst du dir mal klar machen. Ich bin erst 16. Ok nächste Woche nicht mehr, aber trotzdem. Warum meldet er sich denn nicht? Er hat doch meine Nummer oder wurde ihm das Handy geklaut? Was ist, wenn er einen Unfall hatte und… nein daran will ich nicht denken. Ich muss an was anderes denken.
Mirko versucht alles um mich glücklich zu machen, aber immer wenn wir Sex haben interessiert es ihn nur, dass er zum Schuss kommt. Ich weiß nicht mal wie sich ein Orgasmus anfühlt, wenn ich ihn nicht selber machen würde. Es ist doch alles zum kotzen. Chris hat wenigstens versucht mir Orgasmen zu schenken, auch wenn es nicht geklappt hat. Immer verkrampfe ich mich und breche das ganze ab. Was stimmt nur nicht mit mir? Alle sagen immer wie toll ein Orgasmus ist und ich habe keine Ahnung wie es ist. Ich werde mich wohl niemals fallen lassen können.‘

Seufzend schließe ich das Buch wieder und ziehe an der Zigarette. Panisch springe ich auf und öffne das Dachfenster. Wenn du schon in der Wohnung rauchst, mach das Fenster auf. Höre ich die Stimme meines Vaters im Kopf. An meiner Wand höre ich es klopfen und stecke den Kopf aus mein Fenster.
„Hast du noch ne Kippe?“, fragt Fabrizio, unser Nachbar und ein guter Freund meiner Schwester.
„Sorry ist meine letzte“, rufe ich zurück und muss mir ein Lachen verkneifen, weil er eine Schnute zieht, „Aber warte kurz, ich schau mal im Schrank ob da noch Tabak ist.“
„Bist ein Schatz.“ Eilig gehe ich ins Wohnzimmer und durchsuche den großen alten Schrank meiner Urgroßmutter.
„Was suchst du?“ Fragend schaut mein Vater mich an und zieht seine Wolldecke zurecht.
„Tabak“, antworte ich knapp und halte stolz die Dose hoch. Mit schnellen Schritten laufe ich wieder in mein Zimmer und mache Fabrizio eine Zigarette.
„Kannst du fangen oder soll ich rüber kommen?“ Mit einem Kopfnicken deutet er mir an rüber zu kommen, was ich auch sofort tue. Vorsichtshalber nehme ich die Dose mit und gebe noch schnell meinem Vater bescheid.
„Hab ich nicht gesagt das morgen Schule ist?“, nörgelt er, genervt verdrehe ich meine Augen.
„Bin nur zehn Minuten weg.“ Murrend stimmt er zu. Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht schließe ich die Haustür und klopfe an die andere.
„Die Rettung ist da!“ Erfreut nimmt Fabrizio mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Warum alle sich immer umarmen müssen habe ich noch nie verstanden.
„Ich Rauch noch eine mit, dann muss ich wieder rüber.“ Grinsend gehe ich in die Wohnung durch den kleinen Flur nach rechts ins Wohnzimmer. Ein Typ, den ich nicht kenne, sitzt auf der Couch und hält mir seine Hand hin.
„Hey du bist bestimmt Anna, ich bin Sebastian.“ Lächelnd reiche ich ihm meine Hand und setze mich dazu. Es war wohl nicht die schlauste Idee mein pinkes T-Shirt mit dem weiten Ausschnitt anzuziehen. Dieser Sebastian starrt mir permanent dort hinein. Leicht grinse ich. Ihm gefällt was er sieht und mir gefällt, das ich trotz meines Gewichts eine Anziehung auf Männer ausübe.
„Was macht Nicole? Habe schon lange nichts mehr von ihr gehört.“ Fabrizio reicht mir eine Zigarette und zündet seine an.
„Sie wohnt jetzt in der Schwarmstraße, mehr weiß ich aber auch nicht.“ Schulterzuckend beuge ich mich vor und spüre regelrecht wie Sebastian mich mit seinen blicken auszieht. Wie gerne ich das jetzt wollen würde. Leicht beiße ich auf meine Lippe und lächle schief.
Fragend hält Fabrizio mir eine Wodka Flasche und ein Pinnchen hin. Eins kann ja nicht schaden. Ich nehme ihm beides ab und Kippe die klare Flüssigkeit ins Glas. Er reicht mir noch zwei weitere Gläser, welche ich befülle und wieder zurückgebe. Lächelnd stoßen wir an und trinken das Pinnchen mit einem Zug leer. Angewidert verziehe ich mein Gesicht, als die Flüssigkeit sich in meinem Mund ausbreitet und brennend meine Kehle hinunter läuft. An dieses brennen werde ich mich nie gewöhnen. Sebastian legt langsam seine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelt auf und ab. Kurz schaue ich hinunter und grinse erneut. Das Kribbeln, welches durch meinen ganzen Körper wandert, lässt mich schaudern. Unruhig rutsche ich ein Stück nach hinten ziehe meine Füße mit auf die Couch und setze mich im schneidersitz hin.

Überrascht schaue ich auf die Uhr und springe hoch. Über eine Stunde bin ich schon hier. Schnelle verabschiede ich mich und schreibe Mirko er soll aus dem Keller kommen. Leise schleichen wir uns in die Wohnung und tapsen in mein Zimmer. Müde schmeiße ich mich auf mein Bett und ziehe Mirko mit zu mir.
„Ich liebe dich“, flüstere ich an sein Ohr und verteile federleichte küsse unterhalb seines Ohrläppchen.
„Ich dich auch mein Schatz.“ Sanft legt er seinen Arm um mich und stupst mich mit seiner Nase an. Grinsend vergrabe ich mein Gesicht an seine Brust und atme tief seinen Duft ein. Ich genieße es nicht alleine in meinem Bett liegen zu müssen. Langsam driften meine Gedanken ab und ich Falle in den schon längst überfälligen Schlaf.

Wann hört es auf? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt