Kapitel 14

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Schweißgebadet reiße ich meine Augen auf, mein Herz schlägt wie wild in meiner Brust. Nicht schon wieder. Hektisch atme ich ein und aus. Diese träume sind grauenhaft. Alles in mir zieht sich zusammen und ich wünsche mir ich wäre ganz weit weg. Weg von dieser Stadt. Weg von diesem Kerl. Warum hat er keine Strafe bekommen? Tränen sammeln sich in meinen Augen und ich ziehe meine Beine an. Unruhig Schaukel ich mich vor und zurück. Vor und zurück. Es ist nicht fair, dass er weiter machen kann wie bisher und mein Leben ist komplett zerstört. Fest beiße ich auf meine Lippe, um den Schmerz in meiner Brust zu lindern. Doch es hilft nicht. Mit voller Kraft kneife ich in meine Arme. Ich kann nicht mehr. Ich will das es endlich aufhört. Schniefend ziehe ich meinen kleinen Tisch an das Bett heran und mache mir eine Zigarette.
Viel zu schnell verqualmt sie und der drang nach einer weiteren ist so groß, dass ich ihm nachgebe. Vorsichtig greife ich unter mein Bett und taste nach einer Flasche, welche sich aber nicht mehr an der Stelle befindet, wo ich sie hingelegt habe. Murrend beuge ich mich vor und muss feststellen, dass die besagte Flasche nach ganz hinten gerollt ist. Augenverdrehend stehe ich auf und quetsche mich halb unter mein Bett. Doch nicht so toll zu dick zu sein. Schmerzhaft verkrampft sich meine Schulter und ich ziehe schnell meinen Arm ran. Langsam bewege ich meinen Arm, um den Krampf zu lösen, doch es tut nur noch mehr weh. Genervt schlage ich mir vor die Stirn. Ich hätte mein Bett einfach ein Stück vorziehen können, dann hätte ich mir die ganzen Schmerzen erspart.
Mit einem Lächeln im Gesicht schwenke ich die Flasche leicht. Ein Glück hat dich mein Papa nicht gefunden. Schnell drehe ich den Verschluss ab und setze die Flasche an. Ich halte den Atem an. Angewidert verziehe ich mein Gesicht. Zu viel Apfelkorn. Ich muss das würgen unterdrücken. Zumindest denke ich nicht mehr an diesen Traum. Mein Magen dreht sich im Kreis und droht damit alles wieder herauszupressen. Fest drücke ich meine Hand auf den Bauch, was ihn beruhigt.

Alles um mich herum dreht sich und der Alkohol leistet ganze Arbeit. Ich fühle mich wie in Watte gelegt. Langsam schließe ich meine Augen und genieße dieses Gefühl der Schwerelosigkeit. Mein ganzer Körper kribbelt und meine Fingerspitzen werden taub. Grinsend halte ich meine Hände hoch und versuche eine Faust zu machen, doch es klappt nicht. Ich habe keine Kraft dafür. Leise summt mein Wecker, aber ich habe überhaupt keine Lust auf Schule. Nach fünf Versuchen das nervige Tuten auszustellen, gebe ich es auf und lasse mein Handy einfach klingeln. Viel zu anstrengend.

Laut schreit mein Vater: „Anna, du musst zur Schule. Du hast verschlafen!“ Erschrocken fahre ich zusammen. Wo bin ich? Panisch sehe ich mich um. Mein Kopf pocht und mein Körper hat keine Lust auf meinen Befehl aufzustehen zu reagieren.
„Ich bin krank“, stöhne ich und ziehe mir die Decke über den Kopf. So schön dunkel. Leise murmle ich vor mich hin und döse wieder ein.
„Dann geh gefälligst zum Arzt! Ich schreibe dir keine Entschuldigung und komm nicht auf die Idee meine Unterschrift wieder zu fälschen!“, meckert er drauf los. Wild strample ich mit meinen Beinen und stöhne erneut. Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Mir tut alles weh. Völlig neben mir stolpere ich aus meinem Bett und ziehe mich an. Dann geh ich halt zum Arzt.

Die restliche Woche hat mich mein Hausarzt jetzt krankgeschrieben, dann darf ich bestimmt morgen, an meinem Geburtstag, nicht ins Kino. Frustriert schmeiße ich mich wieder auf mein Bett. Und was soll ich jetzt machen? Mal wieder ist mein Vater weg und so langsam breitet sich eine leere in meinem Magen aus. Ich hab riesigen Hunger. Langsam trotte ich in die Küche. Der Geruch der mir in die Nase steigt lässt mich die Nase rümpfen. Den Müll sollte man vielleicht mal runter bringen. Ein kurzer Blick auf den Müllplan verrät mir, dass morgen Abfuhr ist. Eilig haste ich mit den Tüten hinunter und schmeiße sie in die Tonne, neben dem Haus. Außer Atem stehe ich wieder in der Küche und weiß immer noch nicht was ich essen soll. Lustlos nehme ich mir das Toastbrot und etwas Aufschnitt mit ins Wohnzimmer, wo ich den Computer direkt einschalte.

Ich schaue mir Chris Profil an ‚zuletzt online am: 03.11.2011‘ da haben wir uns kennengelernt. Entschlossen tippe ich ihm eine Nachricht, in der Hoffnung das er sie irgendwann liest.
‚Lieber Chris, oh man hört sich das doof an ^^
Ich wollte dir für die ganzen Nächte danken, die du dir mit mir um die Ohren geschlagen hast. Danke, dass du mir zugehört hast. Danke, dass du mir immer, egal wie, ein Lächeln auf den Lippen gezaubert hast. Danke, dass du für mich da warst. Es waren tolle Nächte mit dir und ich werde sie gut in Erinnerung halten. Aber es tut verdammt weh, dass du ohne ein Wort wieder aus mein Leben verschwunden bist. Du hättest mir wenigstens Lebewohl sagen können. Ich hoffe es geht dir gut. Mir geht’s im Moment echt beschissen. Ich würde dir so gerne erzählen was los ist, aber ich weiß nicht mal ob du diese Nachricht jemals lesen wirst. Ich vermisse dich wirklich sehr, vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder.‘
Schnell drücke ich auf Senden, bevor ich doch noch einen Rückzieher mache. In der kurzen Zeit wie ich Chris geschrieben habe, poppten unzählige Nachrichten am Rand auf. Genervt klicke ich die meisten weg und antworte auf ein paar Anfragen.

Stundenlang verbrachte ich vor dem Rechner. Meine Augen brennen ganz schön, müde reibe ich darüber, was das Brennen nur verschlimmert. Mittlerweile ist es schon dunkel geworden und von meinem Vater fehlt weiterhin jede Spur. Wie ich es hasse, dass er so oft trinken ist. Er kann sich nicht ein Mal zusammenreißen. Der Alkohol ist ihm anscheinend wichtiger, als alles andere. Langsam schleppe ich mich in mein Zimmer und seufze. So ein scheiß Leben.
‚08.02.2012
Ich habe keine Lust mehr… Weißt du wie scheiße es sich anfühlt, wenn du niemanden hast? Ich dachte immer Silvia sei meine Freundin, doch seit dem sie in Bochum wohnt hat sie sich nicht ein Mal mehr gemeldet. Mit wem soll ich denn reden? Wen hab ich denn? Mit Mirko kann ich nicht über Chris reden, er würde mich nur verurteilen und das will ich nicht. Ich will und kann ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich wette damit er würde Schluss machen, ich kann ihn nicht auch noch verlieren. Das wäre zu viel für mich.

Ich habe das Gefühl, als würde ich nirgendwo hingehören. Mein Zuhause, ist nicht wirklich mein Zuhause. Von anderen Menschen werde ich gemieden. Warum sollten sie auch jemanden wie mich mögen, eine die so kaputt ist und nur zum schein lacht? Ich bin zu kaputt für diese Welt. Schon als Kind wurde ich nur abgeschoben, weil mich niemand wollte. Manchmal wünschte ich mir ich wäre niemals geboren worden. Hätte meine Mutter mich besser angetrieben. Ich bin doch jedem nur eine last.‘

Erschöpft lasse ich mich nach hinten fallen und drehe den Stift zwischen meinen Fingern. Ich nehme mein Handy und wähle die einzige Nummer, die mir gerade einfällt.
Erfreut ertönt Mirkos stimme: „Hey mein Schatz. Freust du dich schon auf morgen?“ Genervt stöhne ich auf und erkläre ihm, dass ich nicht mit ihm ins Kino darf, weil ich krank bin.
„Egal, ich komme trotzdem morgen. Da du ja eh zu Hause bist kann ich schon morgen früh bei dir sein oder jetzt gleich noch los fahren.“ Nachdenklich kratze an meinem Kopf.
„Komm jetzt, dann bin ich nicht alleine“, gebe ich leise von mir. Auch wenn ich noch zwei Stunden warten muss, bis er hier ist. Ist es mir lieber, als alleine zu sein. Die Ganze Zeit über telefonierten Mirko und ich, bis er vor der Tür steht. Stürmisch presst er seine Lippen auf meine und nimmt mich in den Arm. Er schmeckt wie ein Aschenbecher riecht, nur weil ich ein paar Stunden nicht geraucht habe, fällt es mir so sehr auf. Leicht verziehe ich mein Gesicht und zeige auf mein Zimmer.

Wann hört es auf? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt