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Ein Klingeln ertönte laut durch den Pausenhof. Der braunhaarige Junge stand mit seinen Freunden in einer Ecke und redete über irgendwas. So genau wusste er es nicht. Er war seit dem Blickkontakt mit Maurice in Gedanken versunken gewesen. Aus ihm wurde Micha einfach nicht schlau. Jetzt allerdings schob er den blonden Jungen aus seinem Kopf und lief mit seiner Clique zum Schulgebäude. Er verschwendete nun keinen weiteren Gedanken an Maurice. Es war für ihn besser so, zumindest dachte Micha das. In Wirklichkeit wollte er einfach nicht wahrhaben, dass es dem Blonden mies ging. Zudem wollte er nicht seinen Stolz verlieren, den er noch besaß. Maurice hatte Micha sehr verletzt und das musste der Blonde einfach verstehen. Zudem sollte er seinen Fehler eingestehen, zumindest hoffte Micha, dass er es tat. Der Braunhaarige dachte nicht im geringsten damit, dass Maurice schon bereits dabei war zu handeln. Er hatte seinen Fehler sich schon längst eingestanden und war nun bereit zu kämpfen. Jetzt würde er um die Freundschaft kämpfen die ihm so sehr bedeutete. Ja, vielleicht sogar um die Liebe, doch als Erstes musste Maurice die Freundschaft wieder gerade biegen. Niemand konnte ihm dabei helfen, auch wenn Manuel sicher ein paar gute Ideen gehabt hätte. Das musste er jetzt selbst machen. Michael schob den Gedanken an den blonden Jungen beiseite. Er wollte sich seinen Tag nicht durch so etwas lästigem wie Maurice vermiesen lassen. Nun konzentrierte sich Micha voll und ganz auf seine Freunde. Wenige Sekunden bereute er es auch schon wieder. Es ging schon wieder um irgendein Computerspiel, was vor kurzem erschienen war. Das was das Thema schlecht hin. Computerspiele zeichnete original das Leben seiner Freunde ab. Ihnen ging es um nichts anderes und das störte Micha ein wenig. Bei Maurice war das anders. Er hatte mit ihm auch über ernste Dinge reden können, wie über die Politik oder sonstige Nachrichten. Bei Maurice hatte er wirklich einfach mal abschalten können. Micha hatte nicht die ganze Zeit an Youtube gedacht und es war fast wie ein Urlaub. Nur war da die Tatsache, dass es nur ein paar Ecken von seinem Haus entfernt war und die Tatsache, dass es Maurice war. Wieso musste es auch unbedingt der Blonde sein, bei dem er so gut entspannen konnte? Verärgert über sich selbst verdrängte der Braunhaarige die Gedanken an Maurice. Am liebsten würde er sie gerade einfach nur ertränken oder anders umbringen. Aber wie sollte man seine Gedanken ertränken? Dazu müsste man sich selbst unter Wasser halten, bis man keine Luft mehr kam, bewusstlos wurde und dann anschließend starb. Keine wirklich gute Idee, wenn man nur seine Gedanken ertränken wollte. "Micha wollen wir das Spiel mal gemeinsam als Gruppe ausprobieren?", riss ihn Timon aus den Gedanken. Etwas verdattert sah er seinen Kumpel an, doch nickte dann langsam. Natürlich es ging um das neue Computerspiel. Hatten die denn nichts anderes zu tun, als ihre Spielchen zu spielen? Micha war zwar selbst Let's Player, doch galt sein Kopf nicht immer irgendwelchen Games, die er zockte. Irgendwann war auch mal der Punkt da, wo man aufhören sollte dauernd vor einem technischen Gerät zu sitzen. Die Natur war an einigen Ecke wirklich schön und das verpassten seine Freunde einfach. Innerlich zuckte Micha mit den Schultern. Sollten sie doch, er war anscheinend schon etwas reifer oder weiter entwickelt als seine Clique. Irgendwie machte ihn das ein wenig stolz. Irgendwie machte es ihn aber auch traurig. Keinem schien es zu interessieren, wie es Micha ging. Naja, was wollte man denn auch erwarten, wenn man die ganze Zeit lachte und irgendwelche Witze riss? Genau, gar nichts. Null Komma Null, oder so etwas in der Art. Manchmal kam es dem Braunhaarigen wirklich so vor, als würde sich niemand für seine Gefühle scheren. Maurice zum Beispiel hatte ihn von Anfang an belogen. Er hatte sich als eine Person ausgegeben, die er nicht war. Ja verdammt, er hatte sogar seine Stimme immer verstellt. Es war dreist von Micha gewesen zu glauben, dass diese Freundschaft jemals echt war. Der Blonde war nur mit ihm befreundet gewesen, weil sie Youtube-Kollegen waren. Eigentlich hatte Micha immer geglaubt, dass da mehr als nur Kollegen zwischen ihnen war. Freundschaft, um genau zu sein, beste Freundschaft. Wie schnell man sich doch für falsche Menschen entscheiden konnte. Plötzlich blieben seine Freunde stehen. Gerade noch rechtzeitig konnte der Braunhaarige verhindern, dass er in die Menge stoß. Warum blieben sie auch einfach stehen? Verwirrt musste er nach kurzem Umschauen feststellen, dass sie schon am Klassenzimmer angekommen waren. Wo war die Zeit gewesen? Sonst brauchten sie gefühlt eine halbe Stunde, bis sie zum Raum kamen. Micha drückte die Türklinke herunter und öffnete die Tür. Der Lehrer war also schon da. Zusammen ging die Jungsgruppe in das Klassenzimmer. Ein paar Schüler saßen schon auf ihren Plätzen und unterhielten sich ganz leise. Von einer Ecke hörte man ein vergnügtes Kichern,  was eindeutig von einem Mädchen stammte. Micha achtete mal wieder nicht auf seine Freunde und sah sich um. Zu seiner Verwunderung sah er Maurice und Daniel auf ihren Plätzen sitzen. Sonst waren sie immer diejenigen, die so ziemlich als letztes eintrudelten. Komisch, dachte sich der Braunhaarige. Es interessierte ihn absolut nicht, warum Maurice schon früher im Klassenzimmer war. Wahrscheinlich war es eh nur wieder ein Zufall, oder so etwas in der Art. Mit einem leisen Seufzer ließ sich Micha auf seinen Stuhl fallen. Zum Glück kam genau in dem Moment der Lehrer herein und so musste sich der Junge nicht langweilen. Der Lehrer legte mies gelaunt einen Blätterstapel auf den Lehrertisch ab. Die komplette Klasse wurde plötzlich ganz leise. Keiner sprach mehr ein einziges Wort. Die Schüler wussten genau, dass wenn dieser Lehrer mies gelaunt ins Zimmer kam, dann konnte das nichts gutes bedeuten. "Buch auf Seite 364 aufschlagen.", gab er mürrisch von sich. "Bearbeitet die Aufgaben eins bis fünf bis zum Ende der Stunde.", fügte er noch hinzu und klappte dann seinen Kalender auf. Micha seufzte leise und schlug wie gerade befohlen das Buch auf. Er laß sich den Text durch und dann die Aufgaben. Spätestens jetzt wurde ihm klar, wieso es nur bis zur Aufgabe fünf ging. Jedes Mal wurde mindestens eine halbe Seite handgeschriebenes verlangt. Das konnten ja zwei tolle Schulstunden Deutsch werden. Der Braunhaarige schüttelte mit dem Kopf und nahm sich einen Stift auf seinem Federmäppchen. "Na dann mal an die Arbeit.", murmelte er kaum verständlich zu sich selbst. 

Ungefähr die Hälfte der Zeit war vergangen und die Klasse arbeitete still vor sich hin. Niemand traute sich irgendetwas zu sagen. Das würde nur eine Strafarbeit für alle geben, weshalb es jeder mied mit seinem Sitznachbarn zu reden. Micha arbeitete konzentriert an den Aufgaben, doch langsam tat ihm seine Hand weh. Er legte den Stift weg und schüttelte seine Hand ein wenig, nebenbei ging er noch einmal den Text durch, den er gerade geschrieben hatte. Nein, das war falsch formuliert. Seufzend und über sich selbst ärgernd öffnete er sein Mäppchen und nahm den TippEx aus der Seitentasche. Dabei fiel ein kleiner zusammengefalteter Zettel auf die Stifte. Verwundert legte Micha seinen Kopf schief. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er etwas auf einen kleinen Zettel geschrieben hatte. Unsicher nahm er das Papier in die Hand und öffnete es. 

Können wir bitte über alles reden? Ich würde dir gerne alles erklären. Komm heute (19.09) um 17 Uhr an den See. Ich werde auf dich warten. 

Maurice

Verärgert knüllte Micha den kleinen Zettel zusammen und stopfte ihn wieder zurück in das Federmäppchen. Wie konnte Maurice nur? Eine persönliche Einladung wäre viel besser gewesen, wobei Micha eh nicht hingehört hätte. Sein Kopf drehte sich langsam in die Richtung von dem Blonden. Dieser saß konzentriert an seinen Aufgaben. So sah es auf den ersten Blick aus, allerdings konnte er sich kein bisschen darauf konzentrieren. Er war völlig in Gedanken versunken und das wusste man auch nur, wenn man ihn ein bisschen näher kannte. Plötzlich sah Maurice nach oben und Micha direkt in die Augen. Sein Blick sagte wirklich alles, man konnte die Verzweiflung, die Reue und die leise Entschuldigung sehen und ja man konnte auch merken, dass er sich selbst dafür ein wenig fertig machte. Nun diese Dinge schien der Braunhaarige nicht wirklich zu realisieren, denn er sah verärgert weg. Aus dem Federmäppchen zog er den zerknüllten Zettel hervor. Noch einmal sah Micha zu Maurice und stand dann von seinem Platz auf. Der Lehrer hob fragend den Blick, doch ignorierte er diesen und lief direkt auf den Papiermülleimer zu. Der Mann am Lehrerpult senkte wieder desinteressiert seinen Blick und konzentrierte sich wieder auf seine Termine. Maurice folgte mit den Augen Micha zum Mülleimer. Er wusste was jetzt kam, doch hoffte er immer noch, dass es nicht so war. Ohne eine Miene zu zeigen ließ der braunhaarige Junge den kleinen Zettel in den Mülleimer segeln. Dabei sah er Maurice an. Sein Blick sagte so etwas wie "Niemals komme ich zu dem Treffen." oder "Darauf kannst du lange warten."

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