80 ~ Der Keller

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Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, warum Wednesday hier im Treppenhaus und nicht in einer Zelle im Keller sein sollte, sprintete ich die Stufen hinunter, doch die blondhaarige Frau, dir mir hinter der Ecke entgegenblickte, war nicht meine Mama.

»Was...«, stammelte Tuesday. »Was machst du hier?«

»Die Frage ist wohl eher, was du...« Die fremde Frau unterbrach sich selbst, als sie mich sah. »Bist du das, Monday?«

»Wer ist das?«, fragte ich an Tuesday gewandt. »Und warum kennt sie meinen Namen?«

»Das ist die Frau, von der ich dachte, sie wäre meine Mutter«, erklärte meine Schwester. Sie schien noch immer an ihrem Platz festgefroren. »Mutter, was machst du hier?«

»Was machst du... Was macht ihr hier?«, entgegnete diese. »Wie habt ihr hierher gefunden?«

Ich flitzte nach vorne, um Tuesdays Schein-Mutter herum, umklammerte sie von hinten und hielt ihr mein Messer an den Hals.

»Sag uns, wo unsere echte Mutter ist. Ansonsten wird das hier nicht gut für dich enden«, sagte ich bedrohlich.

Ich spürte, wie sie unter meiner Berührung zitterte.

»Sie ist hier, im Keller«, sagte sie. »Ich kann euch zu ihr bringen.« Das ging viel zu einfach. Aber auch wenn ich ahnte, dass dies eine Falle sein könnte, welche andere Möglichkeit hatten wir, als ihr zu folgen?

Mit meinem Messer noch immer an ihrem Hals führte sie uns die restlichen Stufen hinab.

Im Keller war es, bis auf ein einziges Licht am Eingang, stockdunkel. Zu beiden Seiten des Flurs befanden sich silbrig glänzende Türen. Wie lang der Flur genau war, konnte ich in der Dunkelheit nicht ausmachen.

Im Gegensatz zu den modrigen Kellern, die ich von der Erde kannte, lag hier der Duft von Feuer in der Luft. Der Boden schwankte leicht und ich meinte sogar, um mich herum das Zischen der Lava ausmachen zu können.

»In welcher Zelle ist sie?«, fragte ich.

»Die fünfte auf der rechten Seite.«

»Ich passe auf sie auf, dann kannst du reingehen«, sagte ich und blieb mit ihrer Schein-Mutter am Eingang stehen.

Tuesday ging sicheren Schrittes auf die genannte Zelle zu. Je weiter sie sich von mir entfernte, desto verschwommener nahm ich sie durch die Dunkelheit wahr. Ich hörte, wie eine metallene Klinke hinunter gedrückt wurde. »Hier ist jemand«, sagte Tuesday und ging in die Zelle hinein. »Monday, hast du eine Taschenlampe dabei? Es ist so dunkel hier.«

In dem Moment fiel die Tür mit einem lauten Knall hinter ihr zu. Ein Knall, der im gesamten Keller widerhallte.

Ich schubste die Schein-Mama vor mir her, um zu der Tür zu gelangen, doch wie aus dem Nichts tauchten Gestalten aus den umliegenden Schatten auf und versperrten mir den Weg.

Von innen hämmerte Tuesday wild gegen die Tür, dann stieß sie einen schmerzhaften Schrei aus. »Scheiße, ich komme hier nicht raus!«, rief sie. »Die Tür ist von innen ganz aus Silber.«

Mein erster Instinkt war, die Schein-Mama zu töten. Sie hatte uns verdammt noch mal in eine Falle gelockt. Das Messer in meiner Hand zitterte unkontrolliert und ich hörte, wie sie ängstlich jammerte.

Nein, ich konnte sie nicht töten, sie war Tuesdays Bezugsperson und ich wollte Tuesday nicht verletzten.

Gewaltsam schmiss ich sie aus dem Weg, gegen die nächste Zellentür, dann stürzte ich mich auf die Gestalten vor mir.

Der erste, offensichtlich ein sehr großer Vampir, griff mich mit einem Silberschwert an, das er von oben auf mich herunter schwang. Ich wich zur Seite, doch dort wartete schon der nächste Vampir, der mich mit seinem Schwert angriff. Fluchend duckte ich mich.

Warum zum Teufel hatte ich kein Schwert dabei? Ich hätte Tuesday ihres wenigstens abnehmen sollen, bevor sie in die Falle gegangen war.

Dem zweiten Vampir stach ich mein Messer in den Bauch, dann riss ich ihm das Schwert aus der Hand und griff ich ihn, um ihn gegen den anderen Vampiren zu schmeißen. Beide gingen polternd zu Boden. Tot waren sie noch lange nicht, aber das war auch nicht mein Ziel. Ich wollte lediglich zur Zellentür gelangen, um Tuesday befreien. Sie hätte mit ihrer Begabung eine gute Chance, im Gegensatz zu mir. Dumm nur, dass sie sich nicht durch eine Silberwand teleportieren konnte.

Ich wich dem Schwerthieb eines Dämonen aus, den nächsten Hieb wehrte ich mit meinem neu gewonnenen Schwert ab. Gerade wollte ich ihm den Kopf abtrennen, als ein starker Schmerz meine linke Schulter durchfuhr. Jemand hatte mich tatsächlich angeschossen! Den kurzen Augenblick, den ich benötigte, um meine Schulter anzugucken, nutzten meine Gegner, um mich mit einem gewaltsamen Stoß von meinem Schwert zu trennen. Als ich wieder aufschaute, hatten Dämonen sowieso Vampire mich umzingelt. Mit jedem Augenblick wurden es mehr. Zwei Vampire griffen nach meiner Hand, um mir das Messer zu entreißen. Wild stach ich um mich, wollte bloß irgendetwas treffen, doch meine Mühen waren sinnlos. Es dauerte nur Sekunden, da hatte ich nicht einmal mehr mein Messer. Weitere Gegner griffen nach meinen Armen und zogen mich mit sich. Ich zappelte, drehte mich, versuchte mich irgendwie herauszuwinden.

Da! Die Griffe an meinem linken Arm lockerten sich. Schwungvoll zog ich ein weiteres Mal, doch es waren zu viele.

Ich hörte, wie sich eine der Metall-Silber-Türen öffnete, dann wurde ich auf den harten Boden einer Zelle geworfen. So schnell wie ich konnte sprang ich auf und preschte zur los, doch ich rannte lediglich in die geschlossene Tür hinein. Das einzige, was ich davon hatte, war der Schmerz des Aufpralls. Die Tür bewegte sich nicht einmal einen Millimeter. Ich nahm wieder Anlauf, versuchte es noch einmal. Und noch einmal. Bis ich mir schließlich aufgrund der Stockfinsternis nicht einmal mehr sicher war, in welcher Richtung überhaupt die Tür war und ob ich mich gegen die richtige Seite schmiss. Resigniert gab ich auf und ließ mich auf den Boden fallen. Er war zwar nicht kalt, vermutlich von der Lava, die ich noch immer unter uns zischen hörte, doch trotzdem war er wegen seiner Härte extrem unbequem. Abgesehen vom Zischen der Lava und den Schritten eines Wachmanns im Gang war es still im Keller.

»Die Tür wird nicht aufgehen«, hörte ich Tuesdays Stimme von nebenan. »Wir kommen hier nicht mehr raus.«

Monday - Dämonen der VergangenheitWhere stories live. Discover now