36 ~ Das Portal

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»So, hier ist es«, sagte Lina und hielt vor einem kleinen Antiquariat an.

»In einem Antiquariat?«, fragte ich verwirrt. »Darin soll es ein Portal geben?«

»Was spricht denn gegen ein Portal in einer Buchhandlung?«, erwiderte Lina, öffnete die Tür und betrat dicht gefolgt von Jack und Jared das Antiquariat. Ich war nicht froh gewesen, als ich erfahren hatte, dass Jared uns mit in die Hölle begleiten würde. Allerdings hatten die anderen darauf bestanden, da sie Angst hatten, ich könnte als Halbdämon in der Hölle in Schwierigkeiten gelangen. Dann würden wir Jared gebrauchen, da er als Stufe 0 der stärkste Dämon von uns war.

Nach kurzem Zögern folgte ich meinen Freunden durch die Tür.

Durch die ungeputzt aussehenden Fenster drang bloß ein dämmriges Licht in das Antiquariat und beleuchtete die deckenhohen Regale, welche komplett mit Büchern vollgestopft waren. Die Gänge zwischen den Regalen waren so eng, dass ich Angst hatte, ich könnte jeden Moment aus Versehen gegen eines der Regale stoßen und es mitsamt den Büchern niederreißen.

Als wir den hinteren Teil des kleinen Ladens erreichten, lächelte uns eine ältere Dame mit einem fetten Grinsen von der Theke aus zu. Ihr Gesicht war von silbernen Löckchen umrahmt, welche von einem auffälligen, mit Spikes verziertem Haarreif zurückgehalten wurden.

»Oh, hallo Lina, Jack, Jared. Meine lieben Kinder!«, rief sie. »Wie schön, dass ihr mal wieder hier seid! Und ihr habt jemanden mitgebracht.« Sie wandte mir ihren Blick zu. »Wer bist denn du?«

» Ich bin Mon–«. Fing ich an, doch Lina unterbrach mich.

»Das ist unsere Freundin, sie ist neu in der Stadt. Wir würden gerne das Wochenende über zur Hölle fahren.«

»Oh, schön dich kennenzulernen, Mon«, erwiderte die Dame. »Ich hole mal eben das Portal.«

Während die ältere Dame um eine Regalecke verschwand, neigte Lina sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Sag ihr lieber erst einmal nicht, wer du bist. Nur Dämonen können mit dem Portal reisen. Falls das Portal nicht bei dir funktionieren sollte und sich herausstellt, dass dein Traum bloß ein normaler Traum war und du ein Mensch bist, sollten wir hier möglichst schnell verschwinden.«

»Glaubst du mir etwa nicht, dass ich ein Halbdämon bin?«, flüsterte ich zurück.

»Doch natürlich, aber nur für den Fall. Sie würde es nicht mögen, wenn wir einem Nicht-Dämonen den Standort eines Portals zeigen.«

Die ältere Dame kehrte mit einem sehr großen und alt aussehendem Buch unter ihrem Arm zurück. Sie legte das Buch auf den Tresen und öffnete es. Ein Bild von einer prächtigen, düsteren Stadt in Flammen sprang mir entgegen, zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Auf den zweiten Blick erkannte ich, dass nicht die Häuser brannten, sondern irgendetwas dazwischen, auf den Straßen.

»Jack, willst du als Erster reisen?«, fragte Lina. »Dann kannst du drüben auf Mon warten.«

»Ja, klar«, erwiderte Jack und stellte sich vor das Buch. Anschließend beugte er sich vor und ließ sein Gesicht durch das Buch gleiten, als wäre es gar nicht da. Ohne Vorwarnung ging er in Flammen auf.

Ich stieß einen Schrei aus. Im nächsten Moment spürte ich, wie Jared mir eine Hand auf den Mund legte.

»Er lebt noch«, sagte er lachend. »Er ist jetzt bloß in der Hölle.«

Dort, wo Jack eben noch gestanden hatte, war nichts mehr. Er hatte sich komplett in Luft aufgelöst. Angespannt nahm ich Jareds Hand von meinem Mund.

»Kind, du siehst aus, als hättest du noch nie ein Portal gesehen«, sagte die ältere Dame.

»Sie ist bloß sehr ängstlich«, meinte Lina. »Komm Mon, du bist dran.«

Zitternd näherte ich mich dem Buch. »Muss ich irgendwas beachten?«, fragte ich Lina.

»Steck bloß deinen Kopf ins Buch und du wirst in Sekundenschnelle drüben bei Jack sein«, erwiderte sie. »Hab keine Angst.«

Natürlich hatte ich Angst. Was wäre, wenn mich das Portal nicht in die Hölle befördern würde und ich für immer und ewig zwischen den Welten gefangen wäre? Konnte so etwas passieren?

Ich nahm all meinen Mut zusammen, schloss meine Augen und senkte meinen Kopf in das Buch.

Dann verlor ich den Halt unter meinen Füßen. Für einige Sekunden fühlte es sich an, als würde ich von einem brennenden Wirbelsturm erfasst werden, mein ganzer Körper brannte. Dann war es auch schon vorbei und ich spürte wieder Boden unter mir. Durch den Wirbelsturm war ich allerdings so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht worden, dass ich hin und her schwankte. Als ich merkte, wie ich fiel, riss ich panisch die Augen auf. Warme Arme fingen mich auf, bevor ich auf dem Boden aufkam. Ich blickte in Jacks Gesicht, welches nur Millimeter von meinem Entfernt war. Oh mein Gott – oder musste ich Oh mein Teufel sagen, jetzt wo ich wusste, dass ich ein Halbdämon war ? –, seine orangenen Augen waren so wunderschön. Und diese Hitze, die er ausströmte. Mein ganzer Körper fühlte sich heiß an.

Neben uns hörte ich ein Räuspern. Ich krallte mich an Jack fest und richtete mich mit seiner Hilfe wieder auf, dann brachte ich einige Zentimeter zwischen uns. Mir wurde kälter, sobald ich Jack nicht mehr berührte, allerdings war es keine unangenehme Kälte. Es war noch immer warm. Von wegen, die Hölle wäre unangenehm heiß. Der Raum, in dem wir gelandet waren, wurde von einem mittigen Feuer, welches tanzende Schatten an die grauen Wände warf, erleuchtet. Hier fühlte ich mich wohl. Ich fühlte mich seltsamerweise wie Zuhause. Als hätte ich schon immer hierhin gehört.

Ich drehte mich in die Richtung, aus der das Räuspern gekommen war. Ein ganz und gar unzufrieden aussehender Jared schaute mich an, als würde er mich im nächsten Augenblick umbringen wollen, während Lina mir lächelnd die Daumen hochhielt. Ich wünschte, ich hätte noch mehr Zeit alleine mit Jack in der Hölle verbringen können. Aber nun musste ich erledigen, weswegen ich hierher gekommen war: Mich hier umsehen und meine Begabung freischalten.

Monday - Dämonen der VergangenheitWhere stories live. Discover now