23 ~ In meinem Herzen

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Am Donnerstag ging ich wieder zur Schule. Allein aus dem Grund, weil ich Norbert nicht ertragen konnte.

Um Evelyn und meinen Stiefvater zu vermeiden, verzichtete ich auf das Frühstück mit der Patchwork-Familie und machte mich direkt auf den Weg.


»Hey Lina!«, rief ich, als ich sie auf dem Schulgelände entdeckte.

Sie kam auf mich zugerannt und knuddelte mich. »Warum bist du gestern nach Hause gegangen?«, fragte sie.

»Ich konnte den Anblick von Jared nicht ertragen«, erklärte ich.

»Also, ich finds gut, dass ihr nicht mehr zusammen seid!«, meinte Lina. »Er ist weit unter deinem Niveau.«

»Ich weiß«, murmelte ich.


Als ich vor der dritten Stunde ins Naturwissenschaften-Gebäude ging, war es unvermeidbar, dass ich Jared begegnete. Denn dieser stand direkt vor dem Physikraum und küsste Kim. Die Geräusche, die sie dabei machten, weckten wieder ein Unwohlsein in mir. Um ihr Rumgeknutsche nicht länger ertragen zu müssen, drückte ich die Tür zum Physikraum runter, doch sie ging nicht auf. Warum zum Teufel musste sie ausgerechnet jetzt abgeschlossen sein? Sonst war sie doch immer offen!

Mit einem schlechten Gefühl im Magen lehnte ich mich gegen die Wand und versuchte die beiden auszublenden, was mir jedoch ganz und gar nicht gelang. Diese grässlichen Knutschgeräusche waren viel zu laut.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. »Könnt ihr das nicht woanders machen?«, fuhr ich die beiden an.

Kim schaute auf. »Stört es dich etwa, wenn ich deinen Ex-Freund küsse?«, fragte sie und lachte. »Willst du ihn wieder haben?«

»Oh Mann, Kim. Wie dumm kann man eigentlich sein?«, fragte ich.

Sie schaute mich entsetzt an. »Redest du von dir selbst? Wenn ja, dann hast du recht, dumm bist du!«

»Nein, ich rede von dir!«, fauchte ich und trat einen Schritt auf sie zu. »Weil du die Wahrheit einfach nicht einsiehst. Ich war nie mit Jared zusammen. Er hat nur darum gebettelt, dass ich ihm helfe, dich von ihm fernzuhalten. Also haben wir eine Beziehung vorgetäuscht.«

Ich wollte gerade weiterreden, als Jared lauthals anfing zu lachen. »Monday, du hast eindeutig eine viel zu große Fantasie!«, schrie er.

Kim stimmte in sein Lachen ein. »Genau, er war nur mit dir zusammen, um mich eifersüchtig zu machen. Weil er schon die ganze Zeit auf mich stand!«

Wäre Jared nicht so dreist und würde Lügen über mich verbreiten, so könnte ich fast lachen über Kims Theorie. Jared würde nie im Leben in sie verliebt sein. Er würde sich niemals in irgendein Mädchen verlieben.

Ich war unendlich froh, dass der Lehrer genau in diesem Moment kam und den Physikraum aufschloss. Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich darüber, einen Lehrer zu sehen.


Am Freitag setzte ich mich im Deutschunterricht neben Lina, aber nach Reden war mir nicht zumute.

»Wie geht's dir?«, fragte Lina.

»Gut«, log ich. Den ganzen Tag über fragte ich mich schon, warum Jared das getan hatte. Mal war er nett zu mir, mal gemein. Und während unserer Fake-Beziehung hatte er sich mir gegenüber so süß verhalten, aber jetzt... Jetzt war er ein Arschloch, welches mich vor der ganzen Schule bloßstellte.

Erst jetzt bemerkte ich, dass Lina mich erwartungsvoll anstarrte.

»Was?«, fragte ich. »Hast du was gesagt?«

»Ob du deinen Teil für das Referat schon kannst?«, wiederholte sie.

»Natürlich.« Schon wieder log ich sie an. Seit dem Wochenende hatte ich nichts für unser Referat gemacht. Aber wenn ich die nächsten Tage meinen Part üben würde, dann würden wir das am Dienstag hinbekommen. Lina würde nichts von meiner Lüge merken.


Daddy sammelte gerade die Asche des Dämonen ein, während ich mich erschöpft an der Wand festhielt. Es war der erste Dämon, den ich getötet hatte. Zwar hatte es sich bei dem Exemplar nur um eine Vier gehandelt, jedoch war ich trotzdem überfordert gewesen. Wäre Daddy nicht gewesen, dann hätte der Dämon mich wahrscheinlich getötet.

»Dad, wie soll ich jemals eine Eins besiegen?«, fragte ich.

»Mit viel Übung kannst du das auch schaffen«, sagte er.

»Nein, ich werde mir das nie trauen«, meinte ich und schaute auf den Boden.

»Ach, Monday«, seufzte Daddy, verschloss seinen Beutel mit der Dämonenasche und wischte sich seine dreckigen Hände an der Hose ab. »Du bist doch erst sieben Jahre alt. Noch musst du dir keine Gedanken darum machen eine Stufe Eins zu töten.«

»Aber was ist, wenn sie mich töten will?«, fragte ich.

»Dann werde ich dich beschützen.« Er küsste mich auf die Stirn. »Monday, ich werde immer bei dir sein.«


Als ich samstagmorgens aufwachte, war mein Gesicht komplett nass.

»Daddy«, flüsterte ich. »Ich vermisse dich.«

Müde setzte ich mich hin, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und schaute auf dem Wecker. 4:33 zeigte er an.

Da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte, zog ich mir eine bequeme Jogginghose und einen Pullover an. Um meine Eltern nicht zu wecken, schlich ich so leise wie ich konnte die Treppe hoch und trat durch die Haustür nach draußen.

Die Luft war kühl und ließ die Feuchtigkeit auf meinem Gesicht fast angenehm wirken.

Ich joggte los. So wie die Tränen auf meinem Gesicht sich gut anfühlten, machte mich auch die Erinnerung an meinen Vater glücklich. Selbst wenn er tot war, so lebte er noch in meinem Herzen weiter. Nun konnte er mir nichts mehr anhaben.

Zufrieden mit mir selbst joggte ich um die Ecke.

Zu meinem Erstaunen war die Straße nicht leer.

Dort hinten an der Wand, drückte ein Mensch einen anderen an die Wand.

Misstrauisch rannte ich auf die beiden Menschen zu. Von Nahem konnte ich die beiden trotz der Dunkelheit identifizieren: Jared und Kim.

Viel zu spät erkannte ich, was die beiden dort machten.

Monday - Dämonen der VergangenheitWhere stories live. Discover now