27 ~ Freund oder Feind?

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Es war dunkel. Nur ein paar Kerzen erleuchteten den Raum und ließen Schatten an den Wänden tanzen. Wo war ich? Ich versuchte aufzustehen, doch es gelang mir nicht und ich landete mit einem Plumps auf meinem Rücken.

Frustriert schrie ich und zappelte mit den Beinen. Ein mir unbekanntes Gesicht, welches mir trotzdem seltsam vertraut vorkam, tauchte über mir auf. Die Person war eindeutig weiblich. Braune Haare umrahmten ihr wunderschönes Gesicht und die Flammen der Kerzen spiegelten sich in ihren Augen.

Augenblicklich hörte ich auf zu schreien. Ich erkannte sie.

»Mama«, sagte ich.


Ich blinzelte. Es dauerte einige Momente, bis meine Augen sich an das helle Licht gewöhnt hatten.

»Sie ist aufgewacht!«, schrie Lina, welche an meiner Bettkante saß. Nach einigen Sekunden traten zwei Jungs in mein Blickfeld, Jack und Jared.

Ich setzte mich hin, vorsichtig, denn meine Umgebung schien sich zu drehen.

»Was ist passiert?«, fragte ich.

Jared antwortete zuerst: »Ein Dämon hat versucht dich umzubringen. Er hatte eine verdammt nützliche Gabe, nämlich konnte er Dinge um sich herum durchsichtig machen, sich selber eingeschlossen. Das ist der Grund, warum du vorhin die Wand vor dir nicht gesehen hast und dagegen gelaufen bist. Ich hab dich nicht ausgesaugt. Das war er. Und eben gerade hat er versucht dich wieder zu töten.«

Es dauerte einen Augenblick, bis die Informationen bei mir ankamen. Es wirkte fast so, als hätte der Dämon gezielt versucht mich umzubringen. Aber wieso? Dämonen waren keine Jäger. Gezieltes Jagen führten nur die Dämonenjäger aus.

»Wenn er sich durchsichtig machen konnte, wie habt ihr ihn dann besiegt?«, fragte ich.

»Er war zum Glück keine hohe Stufe, nur eine Vier«, erklärte Lina. »Jack konnte ihn festhalten und hat ihm seine Energie ausgesaugt.«

Ich schaute zu ihm. Wow, ein Dämon der einem Dämonenjäger das Leben gerettet hat. So etwas war bestimmt noch nie vorgekommen.

»Warum?«, fragte ich.

Keiner schien meine Frage zu verstehen.

»Warum habt ihr mich gerettet? Ich bin doch euer Feind.«

»Du bist nicht unser Feind«, widersprach Lina. »Wir glauben nicht daran, dass alle Dämonenjäger böse sind. Du hattest mehr als einmal die Möglichkeit Jack umzubringen. Und du hast es trotzdem nicht getan.«

Ich lachte. »Dämonenjäger sind böse? Ihr seid doch diejenigen, die unschuldigen Leuten die Seele aussaugen.«

»Nicht alle Dämonen sind so«, behauptete Lina. »Es gibt mehrere Dämonenclans. Wir gehören zu einem guten. Ich meine, hast du jemals gesehen, wie wir unschuldige Menschen getötet haben?«

»Ja, Jared hat Kims Seele ausgesaugt, kurz bevor ich gegen die Wand gelaufen bin.«

Jared schüttelte den Kopf. »Ich hab mir nur ein wenig Energie geliehen«, sagte er. »Wir nehmen Menschen nur so viel Energie weg, dass sie noch stark genug sind, diese Energie selbst wieder aufzubauen.«

Wie ein Blitz trafen mich seine Worte. Ich verstand. Und ich glaubte ihm. Denn, nach längerem Nachdenken, hatte ich in unserer Schule noch nichts von mysteriösen Fällen gehört, welche vom einen auf den nächsten Moment gestorben waren.

Mein Dämonenhass, er war nicht unbegründet. Nein, viele Dämonen hatten versucht mich und meine Freunde zu töten. Und einige hatten es geschafft. Mein Vater war tot. Aleksej war tot. Aber was hatte ich getan? Blind Dämonen getötet, welche womöglich unschuldig gewesen waren? Welcher nie einer Menschenseele etwas getan hatten? Ich bekam ein ungutes Gefühl im Magen.

»Monday, alles okay?«, fragte Lina besorgt. »Du bist so blass.«

Ich nickte und versuchte das schlechte Gewissen zu verdrängen. »Welche Dämonenstufe bist du eigentlich?«, fragte ich. »Eine Eins oder bist du auch so etwas wie Jared? Was ist Jared überhaupt? Ich habe noch nie einen Dämonen mit schwarzen Augen gesehen.« Ich guckte zu ihm rüber. Seine Augenfarbe verschwamm von einem saphirblau zu einem schwarz. Dann wurde sie wieder blau.

»Mir wurde gesagt ich bin eine Stufe Null«, sagte er. »Die stärkste Stufe. Du hast absolut keine Chance mich zu besiegen. Ich kann meine Augenfarbe sehr schnell wechseln, schneller als Dämonen der Stufe Eins. Ich kann sie so schnell wechseln, dass du gar nichts davon mitbekommst und kann trotzdem in dieser Millisekunde meine Dämonenkräfte nutzen.«

Ja, davon, dass Dämonen der Stufe Eins nur im Dunklen sehen konnten, wenn sie ihre echte Augenfarbe nicht verdeckten, hatte ich schon irgendwann gehört. Von den Begabungen der Dämonen wusste ich erst seit wenigen Stunden. Und dass Dämonen nett sein konnten, wusste ich erst seit fünf Minuten. Wie viel gab es noch, was mir nicht über Dämonen beigebracht wurde?

»Ich bin nur eine Stufe Eins«, unterbrach Lina meinen Gedankengang. Nur war nett gesagt. Dämonen der ersten Stufe waren stärker als ich.

Jared setzte sich neben mich und nahm seine Hand in meine. Eisige Kälte wanderte meinen Arm hinauf.

Ich streubte mich. »Was soll das?«

»Guck mir in die Augen«, befahl er. Die Kälte machte sich in meinem Herzen breit und machte es mir unmöglich, mich gegen seinen Griff zu wehren. Ich schaute zögernd hoch. Saphirblau. Wunderschön. Seine schwarzen Dämonenaugen waren nicht zu erkennen. »Ich spüre, dass dein Hass weniger geworden ist. Ich spüre Schuldgefühle. Und...«, er lachte. »Ich spüre deine Temperatur. Kälte.« Er ließ mich los und ich hoffte fast, dass er mich noch einfach weiter festgehalten hätte.

Ich erinnerte mich, dass auch Lina und Jack vorhin über diese Temperatur gesprochen hatten. Als wäre es ein Gefühl. Was hatte es damit auf sich? Bis jetzt hatte ich immer gedacht, dass Dämonen keine Gefühle hatten. Aber diese drei Dämonen bewiesen mir das Gegenteil. Lina zum Beispiel, sie sprühte nur so vor Lebensfreude.

»Lina, was ist eigentlich deine Begabung?«, fragte ich.

Sie verzog das Gesicht. »Ich will nicht darüber reden.«

Ihre Worte verletzten mich ungewollt. Mittlerweile hielt ich sie für meine beste Freundin. Und doch vertraute sie mir nicht? Ich war wohl dazu verdammt keine guten Freunde zu finden.

Monday - Dämonen der VergangenheitWhere stories live. Discover now