Mit Abigail Johnson gibt es eine Reihe von Problemen

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Fassungslos starre ich auf den Bildschirm des Laptops. Ich stehe vor Bryce Walker, in der Hand eine Waffe, die auf ihn gerichtet ist. Das Video kommt mir fast schon surreal vor, doch es ist alles wahr. Nur habe ich es niemandem erzählt. Justin ebenso. Er ist der einzige, der weiß, dass ich vor Monaten durchgedreht bin und Bryce Walker mit einer Waffe bedroht hab. Die Waffe habe ich mir von Tyler geliehen. Es war während des Prozesses passiert, dass ich mich vor Bryces Haus wiederfand. Hannahs Stimme hatte mich dazu gebracht. "Abby, vor einer Minute haben Sie mir noch erzählt, dass Sie nur da waren, um mit ihm zu reden.", sagt der Sheriff zu mir.
"So war es ja auch.", erkläre ich leise.
"So sieht nur reden aus?"
"Es ist nicht wie es aussieht."
"Wie sieht es denn für Sie aus?"
Ich schweige. Es sieht überhaupt nicht gut für mich aus. "Sind Sie dorthin gegangen mit der Absicht Bryce zu töten?"
"Nein.", stelle ich klar und sehe den Sheriff zum ersten Mal seit ich auf dem Polizeirevier bin an. "Ich war nur wütend."
"Und weshalb?", fragt der Sheriff weiter. Langsam wird mir schwindelig und ich wünsche mir endlich hier wegzukommen.
"Er ist mit dem, was er getan hat durchgekommen. Obwohl er Hannah vergwaltigt hat.", erzähle ich.
"Also hatten sie vor Hannah Baker zu rächen, indem Sie ihren Vergewaltiger töten?"
"Nein. Ich hab nichts getan, das sehen Sie doch.", sage ich sauer.
"Richtig. Weil sie jemand gestoppt hat. Wo haben Sie die Waffe her?"
Ich schlucke. Ich darf nicht sagen, woher ich sie habe. Es sind schon genug Menschen involviert. Wenn rauskommt, dass ich sie von Tyler habe, werden die Polizisten herausfinden, wer der Schütze beim Spring Fling war. Deshalb entscheide ich mich dazu, zu lügen. "Von so einem Kerl. Ich hab ihn im Internet gefunden. Keine Ahnung, wie er heißt."
"Haben Sie die Waffe damals auch mit zu Bryce genommen, als Sie gedroht haben, ihn zu töten?"
"Nein.", entgegne ich ihm.
"Und wo ist sie jetzt?"
"Justin hat sie in der Nacht entsorgt. In irgendeinem Mülleimer in der Innenstadt glaub ich.", sage ich, nachdem ich einmal durchgeatmet habe. "Das war eine einmalige Sache."
"Sind Sie sich da ganz sicher? War es wirklich Ihr letzter Versuch Bryce zu konfrontieren?", fragt der Sheriff. Reumütig schüttel ich den Kopf.
"Wir haben Ihre Fingerabdrücke an der Fahrertür von Bryces Auto sichergestellt."
"Eine Freundin wohnt in Bryces Haus, ich war oft in der Nähe.", erzähle ich.
"Ihre Freundin Ani?" Der Sheriff setzt sich aufrecht hin, ohne mich aus den Augen zu lassen. Ich nicke. "Genau."
"Sie ist Ihnen wichtig und Sie wollen sie beschützen, richtig?"
"Ich glaube, jeder will seine Freunde beschützen.", erwidere ich schulterzuckend.
"Ja, aber vielleicht hatten Sie ja das Gefühl, Ani beschützen zu müssen. Vor Bryce. So ähnlich, wie Sie damals dachten, Sie würden Hannah beschützen müssen." Der Polizist will mich tatsächlich dazu bringen, dass ich den Mord an Bryce gestehe. Einen Mord, den ich nie begangen habe.
"Das wollte ich doch gar nicht. Sie war schon tot!", mache ich deutlich.
"Weil Sie es nicht geschafft haben sie zu beschützen. Vielleicht haben Sie nach jemand anderem gesucht, das Sie retten können.", entgegnet mir der Polizist und beugt sich langsam vor. Fassungslos schaue ich ihn an. Das ist doch alles ein schlechter Witz. "Ich wollte nie irgendjemanden retten."
"Ani wohnt ausgerechnet bei dem Typen, der Hannah weh getan hat."
"Das kann man nicht vergleichen.", unterbreche ich ihn sofort. "Ani ist... Nicht so wie Hannah." Seufzend senke ich den Blick und richte ihn auf meine Hände. Die Sache ist die, Ani und ich haben uns anfangs echt gut verstanden. Sie hatte ihre Meinungen und ich meine.

"Du bist echt irre, weißt du das?", fragte ich Ani, während ich kopfschüttelnd Kaffee in zwei Becher füllte. "Und du fühlst dich dauernd angegriffen.", stellte Ani fest.
"Du hast meinen Lieblingscharakter in Stücke gerissen." Empört stellte ich die Kanne Kaffee auf den Tisch. Dabei achtete ich natürlich, dass kein Kaffee auf den Tisch kam, den Justin und ich erst kürzlich gekauft hatten. "Genau, da liegt der Fehler. Percy kann doch nicht dein Lieblingscharakter sein. Richtig miese Entscheidung. Du hast echt keine Ahnung. Sorry.", entgegnete mir Ani selbstsicher. Kopfschüttelnd nahm ich auf einem Stuhl Platz. "Du hast keine Ahnung, sorry. Du stehst ernsthaft auf Astrid und Zymorx! Er ist ein dämlicher Roboter, der dringend ein bisschen mehr Hirn bräuchte. Astrid hat was besseres verdient!"
"Astrid ist eine sich selbst versorgende Heilerin, die sich dazu entschließt in jedem das Beste zu sehen. Muss ich dich daran erinnern, dass das einzige, das Percy ausmacht, sein Drang ist jeden zu retten?" Langsam verarbeitete ich, was sie da gesagt hatte und schüttelte zaghaft den Kopf. Wir stritten uns tatsächlich um eines meiner Lieblings Graphic Novels.
"Oh, okay. Okay, jetzt kapier ich es.", sagte Ani plötzlich und sah mich wissend an, was mich verwirrt die Stirn runzeln ließ. Dann verstand ich. Sie verglich mich wirklich mit Percy.
"Ich hasse dich. Abgrundtief.", entgegnete ich.
"Tust du nicht. Und jetzt hör auf meinen Kaffee mit deinem depressiven Gelaber zu foltern. Gib ihn her."
"Nein.", sagte ich und weigerte mich. Schmunzelnd griff Ani nach der Tasse, doch ich schnappte sie ihr weg. "Sag, dass du Percy magst.", trällerte ich.
"Nein.", meinte sie und versuchte die Tasse zu kriegen, doch ich hielt sie weit weg von ihr. "Im ernst, sag, du magst Percy. Nur so kriegst du deinen Kaffee.", lachte ich. Ani lachte ebenfalls.

13 Reasons WhyWhere stories live. Discover now