Kassette 4, Seite A

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“Ihr werdet mir sagen, dass das hier keine große Sache ist, aber lasst mich euch erzählen, wie es wirklich ist einsam zu sein. Menschen sind eine soziale Spezies. Wir verlassen uns auf Verbindungen, um zu überleben. Selbst die aller einfachsten sozialen Aktionen helfen uns am Leben zu bleiben. Statistiken beweisen, dass das subjektive Gefühl der Einsamkeit die Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Todes um 26% erhöhen kann. Falls es so klingt, als würde ich aus einem Schulbuch zitieren, das mache ich. Schade, dass sich niemand dafür interessiert hat es zu lesen. Und lasst mich euch sagen. Es gibt die unterschiedlichsten Arten sich einsam zu fühlen. Ich rede nicht vom alltäglichen allein in einer Menschenmenge einsam. Das ist jeder von uns, jeden Tag. Es ist nicht diese 'Wann werde ich Liebe finden' Art von einsam. Oder die 'Die beliebten Kinder sind gemein zu mir' Art von einsam. Die beliebten Kinder sind immer gemein. So sind sie beliebt geworden. Ich weiß, was für eine Ironie. Nichts Neues.“

Diesmal frühstücke ich nicht zusammen mit meinem Dad und meiner Tante. Ich gehe früher in die Schule, weil ich mitbekommen habe, wie sie über mich reden. Sie wollen, dass ich zu Dr Ellman gehe und mit ihr rede. So wie damals, als meine Mum gestorben war. Sie denken mit mir stimmt etwas nicht, und vielleicht haben sie ja recht. Vielleicht stimmt wirklich etwas nicht mit mir. Als ich die Schule betrete, gehe ich an Zach und seinen Freunden vorbei. Zu meiner Überraschung lächelt er mich sogar an. Also erwidere ich das Lächeln, passe aber auf, dass die anderen Sportler nichts mitkriegen. Ich nehme die Kopfhörer von den Ohren und gehe an meinen Spind. “Hey, Abby.“, höre ich Zach neben mir. Er lächelt mich freundlich an und diesmal scheint er keine Angst davor zu haben, dass ich ihn mit meinem Buch verhaue.
“Hey, Dempsey.“, begrüße ich ihn freundlich und verstaue ein Buch in meinem Rucksack.
“Kommst du zum Spiel heute?“, fragt er neugierig.
“Ich weiß nicht. Sport ist nicht so mein Ding.“, gestehe ich.
“Ach komm schon. Du solltest mehr aus dem Haus gehen. Aktiv sein.“, lacht Zach.
“Ich habe keine Ahnung von Baskettball, Zach.“
“Na und? Die meisten,die dort sitzen haben keine Ahnung von Baskettball. Komm schon, das kann ganz nett werden.“ Zach lächelt mich so süß an, dass ich nachgebe.
“Okay.“
“Also sehe ich dich dort?“ Ich nicke. “Naja, wenn du mich zwischen den ganzen Fans erkennst.“, scherze ich. Zach grinst mich an.
“Dich würde ich überall erkennen.“, sagt er und läuft rückwärts durch den Flur ohne den Blick von mir abzuwenden. “Bis dann.“, sagt er dann lachend und dreht sich um, um davon zu gehen. “Die Art von einsam über die ich rede ist, wenn man sich fühlt, als hätte man nichts mehr übrig. Nichts. Und niemanden. Als würde man ertrinken und niemand wirft dir eine Leine zu. Nun, als die Hauptfigur dieser Kassette ihre raffinierte Magie eingesetzt hat, habe ich mich genauso gefühlt. Und wenn du diese Art von einsam bist, dann greifst du nach allem. Egal wie albern es scheinen mag. Und das Fach Kommunikationswissenschaften kann äußerst albern sein, wie ihr wisst. Manchmal können die albernen Sachen mehr bedeuten als ihr euch vorstellen könnt.“

Das Fach war manchmal wirklich albern. Bei Mrs Bradley sprachen wir oft über unsere Probleme. An einem Tag, daran erinnere ich mich genau, gab es ein Mädchen, dass wegen ihres Gewichtes geärgert wurde. Vorne weinte sie und Sheri musste sie trösten. “Vielleicht hilft 'ne Diät?“, hatte ein Schüler damals in den Raum geworfen. “Ernsthaft, Pratters? Ich glaub's nicht.“, hatte ich verständnislos gesagt. “Ich sag's nur, okay? Wenn du gemobbt wirst, weil du fett bist, dann sei nicht fett.“ Die anderen Schüler lachten über diese Aussage. Es war wohl witzig für sie. Jedoch nicht für das Mädchen. “Pratters, das ist als würde jemand zu dir sagen, sei kein Idiot und kein Arschloch, aber du kannst es nicht ändern.“, sagte Zach zu ihm.
“Exakt. Dankeschön.“, sagte Pratters. “Total nicht auf deiner Seite.“, widersprach Zach und verdrehte die Augen. Hannah und ich tauschten Blicke und mussten lachen.
“Gut, Herrschaften. Denkt an die Komplimentetüten. Es ist immer am besten Komplimente von Angesicht zu Angesicht zu geben, aber manchmal ist es leichter anonym zu sein. In Ordnung, wir sehen uns morgen.“ Das war einer der Momente in denen ich merkte, dass Zach auch mal witzig sein konnte. Manchmal zumindest.

13 Reasons WhyWhere stories live. Discover now