Kassette 6, Seite A

579 18 1
                                    

Ich habe euch von zwei der schlechtesten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe erzählt. Und von dem Schaden, den sie hinterlassen haben. Und von den Menschen, die verletzt wurden. Aber es gibt noch eine weitere Geschichte zu erzählen. Eine weitere schlechte Entscheidung. Und an der bin nur ich schuld. Nein, es war nicht die Entscheidung zur Party zu gehen, denn wie hätte ich es wissen können. Aber es war dieselbe Nacht. Dieselbe furchtbare Nacht. Erinnerst du dich an die Geschichte, die ich für später aufgehoben habe? Nun, das ist sie. Und sie handelt von dir. Abigail.“

Aufgewühlt laufe ich auf und ab. Was hat Hannah über mich zu sagen? Was habe ich getan? Bin ich Hannahs Mörder? Tausend Fragen gehen mir durch den Kopf und ich kann keine einzige beantworten. Noch nicht. “Verdammt nochmal, wie soll ich mir das denn anhören?“, frage ich an Tony gewandt. Wir sind immer noch auf dem Spielplatz. Es ist immer noch Abend. Hannah ist immer noch tot. “Ich glaube die Arschlochantwort ist, du setzt die Kopfhörer auf, legst die Kassette ein und dann drückst du Play.“, antwortet er.
“Das ist echt eine Arschlochantwort, oder nicht?“, frage ich und sehe ihn an.
“Ja, aber sie ist wahr.“
“Ich kann das hier nicht. Ich kann das hier nicht hören.“, erkläre ich verzweifelt und schaue auf die Rutsche. Dieselbe Rutsche, auf der Hannah war. Mit Justin. “Kannst du mich fahren?“, frage ich dann.
“Wo willst du denn hin?“
“Einfach irgendwo hin. Anders wo hin.“
Tony zieht seine Schlüssel aus der Innentasche seiner Jacke.

“Ich weiß, wieso du dich fragst, warum du auf diesen Kassetten bist. Was könntest du denn womöglich getan haben? Was könnte sonst noch in der Nacht von Jessicas Party passiert sein?“

“Nun.“, begann ich, als Hannah auf mich zukam. “Viel Glück mit deinem Neustart.“, lachte ich.
“Und dir auch viel Glück, Partylöwe.“, lachte Hannah. “Mir gefällt dieser Rollentausch übrigens.“
Verwirrt blickte ich sie an. “Ja?“
“Du hast sowas Rebellisches an dir.“ Ich nickte. “Naja, so bin ich.“, sagte ich ernst, musste dann aber doch lachen. “Ich will einfach mal versuchen ein normaler Teenager zu sein. Und die sind ja bekanntlich rebellisch.“
“Jeff hat 'nen guten Einfluss auf dich.“, sagte Hannah und sah mich lächelnd an.
“Findest du?“, fragte ich.
“Er hat dich dazu gebracht, dass du auf eine Party gehst. Sicher, dass da nichts läuft?“ Empört sah ich sie an. “Hannah!“, lachte ich. “Jeff ist ein guter Freund. Mehr nicht.“
Hannah lachte auch. “Gut, okay.“

“Ein Teil von mir hat gesagt, frag mich nochmal. Aber ein anderer Teil von mir sagte, geh nicht. Nicht einmal für, Abby. Ich hätte auf diesen Teil von mir hören sollen. Siehst du, ich habe es dir nie gesagt, Abby. Aber ich habe dich immer bewundert. Du bist, wer du bist und das ist dir egal. Und mir war es immer wichtig, was andere Leute über mich dachten. So sehr ich auch getan habe, als wäre es nicht so. Ich wette du wünscht dir auch, dass du nie zu Jessicas Party gegangen wärst. Richtig, Abby? Ich wette du wünscht dir, mich niemals eingeladen zu haben.“

An diesem Abend hatte ich mir ein Kleid angezogen. Es war das erste Mal, dass ich ein Kleid trug, aber wenn ich auf eine Party ging, konnte ich ja nicht in Jeans kommen. So dachte ich jedenfalls früher. Meine sonst glatten Haare fielen mir lockig über die Schulter. Tante Polly hatte mir dabei geholfen. Bei Jessica angekommen, öffnete sie mir dir Tür. “Abby.“, sagte sie überrascht und blickte mich an.
“Ist die Party schon vorbei?“, fragte ich, als ich nichts hörte und auch niemanden sah.
“Sie hat noch nicht mal angefangen. Die ersten kommen später.“, lachte sie. “Aber du sagtest sieben Uhr.“
“Ja, aber es ist 18:55 Uhr und sieben heißt eigentlich neun.“ Peinlich berührt sah ich sie an.
“Dann komme ich später wieder.“ Jessica lachte.
“Nein, komm rein. Du kannst helfen.“ Ich nickte zustimmend und betrat das Haus einer belustigten Jessica. Ich folgte ihr in die Wohnküche, in der Zach und Monty ein Fass Bier trugen. Auf der Theke lagen rote Plastikbecher und andere Getränke.
“Jeder Typ sagt immer 'lasst uns ein Fass holen' und wenn es darum geht es anzustechen...“, begann Jessica belustigt.
“Ich hab's dir gesagt. Es ist der falsche Hahn.“, erklärte Zach lachend. Als er mich sah, blickte er mich für ein paar Sekunden einfach nur an.
“Jetzt beruhigt euch mal wieder.“, lachte Monty. Jessica machte den beiden die Tür zum Garten auf und kam dann zu mir rüber.
“Du kümmerst dich um die Snacks.“ Sie griff nach zwei großen Tüten und reichte sie mir.
“Alles klar.“ Auf dem Tisch breitete ich mehrere Schüsseln aus,in die ich die Snacks füllte. Von Popcorn bis hin zu Brezeln war alles da. Langsam füllte sich das Haus mit Teenagern. Da mir langweilig war, füllte ich später jede Schüssel neu auf, sobald sie leer waren. “Du bist ja gekommen.“, sagte Jeff fröhlich, als er mich erblickte.
“Ja, ich bin sogar schon 'ne ganze Weile hier.“, erklärte ich.
“Du hast dich wirklich gemacht. Und hübsches Kleid übrigens.“ Lächelnd nahm ich das Kompliment an.
“Danke.“ Ich legte die Tüte mit den Chips weg und sah dann zu Zach, der mich anschaute. Er lächelte mich leicht an und hob seinen Becher.
“Wirst du ihn ansprechen?“, fragte Jeff. Verwirrt blickte ich ihn an.
“Wen?“ Wissend zwinkerte er mir zu und ging.
“Hey, Abby.“, begrüßte mich Alex und schnappte sich etwas Popcorn.
“Oh, hey Alex, was geht?“, fragte ich locker.
“Es ist eine Party, also tue ich so, als hätte ich Spaß.“ Ich nickte lachend. “Nein, ich bin eigentlich nur hier, um meinen Plan zu verfolgen. Und zwar will ich in Jessicas Nähe sein bis sie genervt ist und sie sich dann wieder verliebt.“ Verdutzt schaute ich ihn an. “Ich glaube, da ist ein Logikfehler in deinem Plan.“, sagte ich.
“Das ist Liebe. Da gibt es keine Logik.“ Auf einmal hörte ich, wie eine Menge Leute Hannahs Namen riefen. Mein Blick gleitete zur Tür und tatsächlich war sie gekommen. Wollte sie nicht Zuhause bleiben? Fröhlich ging ich auf sie zu. “Hey, du bist ja hier.“, stellte ich fest.
“Ja, das bin ich. Übrigens, schönes Kleid.“ Lächelnd sah ich sie an.
“Danke. Cool, dass du doch noch gekommen bist.“
“Ich habe mich rebellisch gefühlt.“ Ich lachte.

13 Reasons WhyWhere stories live. Discover now