Die Kiste Polaroids

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Bryce und ich waren Freunde seit ich in der dritten Klasse war. Und Freundschaft kann eine mächtige Sache sein. Und Freundschaft ist kompliziert. Man macht auf einmal Sachen, an die man vorher nicht mal gedacht hätte. Denn in einer Freundschaft verpflichtet man sich, was auch passiert.

Justin und ich kommen am nächsten Morgen in die Küche und überraschenderweise ist Tante Polly wieder da. “Guten Morgen.“, sagt sie fröhlich und sieht uns an. Sie sitzt mit meinem Vater am Tisch. Vor ihr eine Tasse Kaffee.
“Hey, Tante Polly.“, begrüße ich sie. “Hallo, Mrs Johnson. Mr Johnson.“, begrüßt auch Justin die beiden.
“Was ist denn mit euch passiert?“, fragt Tante Polly, als sie unsere Gesichter sieht.
“Eine Streit.“, antwortet Justin. “Sport.“, sage ich und sehe Justin kurz an. Wenn sie erfährt, dass ich verprügelt wurde, dann würde sie sich nur wieder Sorgen machen.
“Bei mir war's ein Streit. Bei ihr im Sport.“, erklärt Justin und ich nicke zur Bestätigung.
“Habe ich Dad gestern erzählt.“, sage ich deutlich.
“Wir haben ein Recht zu erfahren, was los ist, so wie ihr ausseht.“, beginnt meine Tante.
“Ehm Tante Polly, was machst du hier?“, frage ich leicht verwundert und setze mich an den Tisch.
“Naja, ich will mich entschuldigen, weil ein Streit, der eigentlich deinen Vater und mich betrifft, keine Auswirkungen auf die Familie haben darf. Und auf dich Justin. Das war nicht fair.“ Überrascht schaue ich sie an.
“Ich hab das Gefühl, ich habe alles durcheinander gebracht.“, beginnt Justin reuevoll, aber mein Vater widerspricht sofort.
“Nein. Justin, das hast du nicht.“ Auch ich nicke zustimmend.
“Du hast gar nichts durcheinander gebracht.“ Sanft lächel ich ihn an. “Also, bist du jetzt wieder hier?“, frage ich zögerlich.
“Ich komme dich wieder besuchen, ja. Aber keine Sorge. Nicht jeden Tag.“, versichert sie mir. “Ich wusste nicht, dass es dich so stört, wenn ich hier bin.“ Schnell schüttel ich den Kopf. “Nein, das stört mich nicht. Ich mag es, wenn du hier bist.“, sage ich und sie lächelt.
“Und ich muss mit Justin unter vier Augen reden. Nach dem Frühstück. Ich habe gestern erfahren, dass du heute aussagen wirst und auch wenn ich Dennis Vasquez wirklich sehr mag, deine Interessen vertritt er nicht. Ich will sicherstellen, dass du genau weißt, was für dich auf dem Spiel steht bevor du heute aussagst.“ Fragend sehe ich sie an.
“Was meinst du? Was sollte das sein?“
“Abby, ich will keine Geheimnisse, aber wenn ich Justin helfe, dann muss das unter uns bleiben. Vorerst. Sollte er es dir nach unserem Gespräch erzählen, ist das seine Sache. Vertrau mir.“ Ich nicke verständnisvoll.
“Ja.“

“Was hat sie dir gesagt?“, frage ich Justin neugierig. Er steht gerade vor meinem Spiegel und versucht schon seit zwanzig Minuten seine Krawatte zu binden.
“Nichts wichtiges, nur wie der Tag so ablaufen wird.“, antwortet Justin. Frustriert zupft er an der Krawatte. “Und was steht auf dem Spiel?“ Ich frage vorsichtig.
“Mehr oder weniger das, was du schon weißt.“ Vorsichtig nicke ich. “Verdammt.“ Fragend sehe ich Justin an.
“Weißt du wie das geht?“ Justin blickt mich nicht an.
“Ja.“, sagt er genervt. Dann atmet er durch. “Ich bin nur nervös, okay?“ Ich erhebe mich vom Sofa und gehe zu ihm rüber. Ich kann mir das einfach nicht länger ansehen. Ich drehe ihn zu mir und greife nach der Krawatte, die ich ihm kurzerhand umbinde. “Weißt du, sie nüchtern zu binden ist schwieriger als ich gedacht hätte.“, gesteht Justin. “Ich werde Sachen sagen über mich und Hannah... Sachen, die du nicht weißt. Wir hatten nie Sex oder etwas in der Art. Es steckt einfach mehr dahinter. Und ich will nicht, dass du mich wieder hasst.“ Seufzend lasse ich von ihm ab. “Hab ich je aufgehört?“, frage ich provokant, kann mir aber ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
“Dreh bloß nicht durch, okay?“ Ich nicke seufzend.
“Das wird schon.“ Ich sage das nicht, weil ich wirklich daran glaube. Es ist, um ihn nicht noch nervöser zu machen. Als Justin wieder an der Krawatte rumfummelt und sie zerstört, blicke ich ihn entnervt an. “Wie kommt es, dass du das nicht kannst? Du hattest doch eine Krawatte. Letztes Jahr, beim Winterball.“ Schnell ziehe ich ihn zu mir und binde sie noch einmal. Justin sieht mich an.
“Bryce hat das immer gemacht.“, sagt er. “Ich hab das nie gemacht.“

13 Reasons WhyWhere stories live. Discover now