Niemand ist sauber

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In der Cafeteria konfrontieren wir Alex mit Justins Fund. Es muss eine Erklärung dafür geben. Eine einfache, die ihn nicht zum Mörder von Bryce macht. "Das ist total beschissen. Das ist eine Verletzung der Privatsphäre.", sagt Alex sauer und knallt das Täschchen auf den Tisch.
"Justin sagt, es lag im Mülleimer.", erkläre ich ihm ruhig.
"Scheiß auf Justin! Er will Leute wegen Drogen verpfeifen? Wirklich?" So aufgebracht habe ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.
"Alex, ist alles gut?", frage ich vorsichtig nach.
"Ja und bei dir? Bei dir alles gut? Oder bei dir, Ani? Fickt euch, Leute!"
Entsetzt öffne ich den Mund und sehe Alex an. Es scheint mir fast so, als wäre er wütend auf Justin. Vermutlich weil dieser Jessica datet. "Alex...", beginne ich sanft, doch er unterbricht mich.
"Sagt das bloß nicht meinem Dad, okay?", fleht er uns an.
"Geht's dabei um Bryce?", hake ich vorsichtig nach.
"Nein. Nein, ich hab nichts von Bryce gekauft. Luke hat mir nen Typen vorgestellt.", erzählt er uns.
"Aber wieso?", fragt Ani verwirrt.
"Was denkst du denn?", fragt Alex, als wäre es völlig offensichtlich. "Sieh mich doch mal an."
"Also ich finde dich sehr attraktiv. Du bist echt süß.", meint Ani.
"Ah ja. Dann bist du hier wohl die einzige, die auf traurige, dürre Jungs steht.", kommentiert Alex das ganze. Dabei sollte man meinen, dass Menschen sich über Komplimente freuen. "Schon bevor ich versucht hab mich abzuknallen, hab ich mich immer schwach gefühlt. So als würde an meinem Körper nichts passen." Diese Art Jungs, der ruhige und sanfte Typ, es steckt mehr dahinter als man vielleicht denkt.

Ani kommt mit schnellen Schritten auf mich zu, als ich vor meinem Spind stehe. "Luke wurde erwischt. Aber er hat sein Zeug nicht von Bryce gekauft.", erzählt sie mir aufgeregt.
"Und was ist mit Monty?", frage ich und deute mit dem Kopf auf Montgomery, der an seinem Spind steht und eine Papiertüte rausholt.
"Er versucht was loszuwerden.", stellt Ani leise fest. Ich würde echt gern sagen, dass Alex und Monty völlig verschieden sind. Und Alex würde mich bestimmt dafür hassen, dass ich sowas sage. Aber wie sich herausstellt, haben die beiden viel mehr gemeinsam als wir denken. Wir folgen Monty bis nach draußen und beobachten wie er die Tüte in einem Auto versteckt, bevor er geht. Sobald er außer Sichtweite ist, laufen Ani und ich auf das Auto zu, um nachzusehen, was Monty so unbedingt loswerden wollte. Ani greift in die Papiertüte und zieht ein paar Zettel heraus. Abschlussprüfung. Verwirrt runzle ich die Stirn. "Ich hab hier was. Monty wollte anscheinend sicher gehen, dass der Typ die Klappe hält. Aber wieso?", fragt Ani mich und zeigt mir den Ausweis eines Schülers.
"Das hier war auf dem Rücksitz.", sage ich und greife nach einem Stock, jedoch mit dem Ärmel meines Pullis, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. "Ist das...Blut? ", beginnt Ani und deutet auf die roten Flecken.
"An alle Schüler. Die Schule wird abgeriegelt.", ertönt es aus den Lautsprechern der Liberty. Sofort verstauen wir alles wieder im Wagen.
Alex und Monty haben beide etwas Ähnliches zu verbergen. Aber alle Jungs versuchen Dinge zu verstecken. Ihre Geheimnisse. Ihre Ängste. Ihre tiefsten, beschämenden Sehnsüchte und ihre Wut darüber, wie unfair diese Welt sein kann.

"Wollen Sie mir sagen, wieso Sie gerade nicht im Unterricht waren?", fragt Mr Standall mich, während er meinen Spind durchsucht.
"Ich war nur zu spät vom Mittagessen zurück.", erkläre ich ihm. So oft wie ich lüge lande ich am Ende sicher in der Hölle.
"Ihr habt hier doch ne Kantine oder nicht?" Erwischt. Aber das darf ich mir bloß nicht anmerken lassen.
"Waren Sie mal mit Bryce Walker unterwegs?" Diese Frage lässt mich kurz zusammenzucken.
"Zum Mittagessen? Nein.", antworte ich.
"Auch sonst nicht?" Mr Standals Blick durchleutet mich wie eine Lampe. Ich schlucke und schüttle den Kopf. Ich kann nicht leugnen, dass ich sehr wütend auf Bryce war. Aber ihn umbringen würde ich nie. Das könnte ich nicht. Nicht einmal, wenn ich es mir wirklich wünschen würde

Sehr viele Jungs sind einfach nur wütend. Doch nicht nur die. Auch manche Mädchen haben sehr viel Wut in sich, die sie nicht zeigen können,weil sie sonst verdächtig wirken. Aber Monty hat sich nie die Mühe gemacht seine Wut zu verbergen. Er hat nur verzweifelt versucht zu verstecken, woher sie kam. "Kann ich dich mal was fragen?", durchbreche ich die Stille im Auto, während ich Monty dabei beobachte wie er auf seinen Wagen zugeht. "Warum willst du herausfinden, wer es war? Wieso ist es dir so wichtig?"
"Abby, ich hab heute morgen gehört wie Mrs Walker mit der Polizei über dich gesprochen hat.", erzählt Ani.
"Ach also geht es um mich?", frage ich sie überrascht. "Und nicht viel mehr um Bryce? Und wie du über ihn gedacht hast?" Ani verdreht die Augen. Das tut sie ständig, wenn ich Bryce erwähne. "Und wenns beides ist?", fragt sie mich seufzend. Bevor ich ihr antworten kann, bekommt Monty meine Aufmerksamkeit. Er fährt mit seinem Wagen an uns vorbei. Sobald ich sicher bin, dass er uns nicht mehr sehen kann, fahre ich aus der Parklücke, um ihm zu folgen. Wir fahren ihm nach und warten vor seinem Haus. Es gibt Dinge, die er versteckt und über die er mit niemandem reden kann. Irgendwann sind wir wohl eingeschlafen, denn als ich die Augen öffne, ist es stockdunkel. "Oh scheiße, ich muss dich nach Hause bringen.", sage ich, nachdem ich einen Blick auf die Uhr geworfen habe. Da wir die ganze Zeit auf der Rückbank gesessen haben, steigen wir aus dem Wagen. Aus Montys Haus dringen laute Rufe. Sein Vater haut ihm Beleidigungen an den Kopf. Nennt ihn einen Kriminellen und eine Schwuchtel. Als er dann auch noch mit etwas nach Monty wirft, sauge ich erschrocken die Luft ein. "Was ist denn da los?", frage ich Ani verwundert. Montys Vater schaut in unsere Richtung und torkelt nach vorne. Er scheint völlig betrunken zu sein. "Ey du da! Ich seh dich!" Und dann kippt er einfach nach vorne auf den Boden. Als ich sehe, dass Monty aus dem Haus kommt, gehe ich langsam hinter das Auto, damit er mich nicht sieht. Ich habe das Gefühl, dass wir hier nicht sein sollten. Ani neben mir scheint zu zittern. Ich weiß nur noch nicht, ob es an der Kälte liegt oder ob sie Angst hat. "Jetzt bist du nicht mehr so hart, du verficktes Stück Scheiße.", höre ich Monty wütend sagen. Er holt den Stock hervor, den wir bei ihm im Auto gefunden haben. Daher stammt das Blut. Er wird zu Hause von seinem Vater geschlagen. Monty geht ein paar Schritte in unsere Richtung. "Rufen wir die Polizei? ", fragt Ani unsicher , doch ich bin wie paralysiert.
"Wir sollten gehen. Steig ein.", befehle ich.
"Steig du ein. Ich steig erst ein, wenn du dasselbe machst."
Entgeistert sehe ich sie an. Ist das ihr ernst? Genervt gehe ich um das Auto herum. Ani folgt mir. "Verdammt nochmal, was macht ihr hier?", fragt Monty uns sauer.
"Gar nichts.", antworte ich. Eine bessere Antwort fällt mir leider nicht ein.
"Ist das Blut?", fragt Ani nervös und deutet auf den schwarzen Stock in Montys Hand.
"Was geht dich das an?"
"Ist es von Bryce?", frage ich.
Monty beginnt zu lachen. "Was? Nein, es ist meins. Und seins. Willst du auch was?", fragt Monty provokant.
"Nein, danke.", sage ich und schlucke.
"Er war mein bester Freund, du Schlampe. Lass mich ja in Ruhe." Mit diesen Worten dreht Monty sich um, und geht wieder Richtung Haus.
"Kannst du mich bitte nach Hause bringen?", bricht Ani die Stille.
"Klar.", sage ich leise und steige ins Auto.

13 Reasons WhyWhere stories live. Discover now