31. Corvin

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Langsam zog ich die Decke um Nellys nackten Körper fester und betrachtete versonnen ihr friedliches Gesicht. Ihr offenes, langes, mahagonifarbendes Haar umrahmte ihr Gesicht, wie ein Fächer und bildete einen starken Kontrast zur weißen Bettwäsche. Vorsichtig strich ich eine verirrte Haarsträhne aus ihrem wunderschönen Gesicht. Sie seufzte leicht und streckte sich meine sanfte Bewegung entgegen, als bräuchte sie den Kontakt genauso sehr wie ich. Ich war schon geradezu süchtig nach ihr. Ihren Berührungen, ihrem Duft, ihrer Stimme all das, wollte ich nie mehr missen.

Seufzend drehte ich mich auf den Rücken und fuhr mir durch die Haare. Diese kleine Hexe hatte echt mein komplettes – keine Ahnung, wie lange schon dauerndes – Leben auf den Kopf gestellt und das innerhalb von nur wenigen Monaten. Wenn ich kein Dämon wäre, würde ich sagen, ich liebte sie und dass mit ganzem Herzen. Aber ich war einer und konnte daher nicht lieben. Also was war es dann, was ich führ die kleine Hexe empfand? Ich wusste es nicht.

Nelly regte sich neben mir und kuschelte sich wieder enger an mich, wie eine verschmuste Katze. Mit einem Lächeln auf den Lippen begann ich sie im Nacken zu graulen und registrierte erfreut, ihr wohliges stöhnen. Sie war wirklich wie eine Katze. Meine kleine Katze.

Zufrieden schloss ich die Augen, um noch etwas zu schlafen.

Erschrocken riss ich sie kurz darauf wieder auf, als ein schmerzhafter Ruck durch meinen Körper fuhr. Verdammt, was wollte der Boss von mir? Warum rief er mich jetzt schon wieder zu sich? Warum gerade jetzt?! Ich musste das klären und zwar sofort. Ich musste einen Weg finden, nicht in die HhHölle zurückzukehren. Ich musste, um der kleinen Hexe Willen.

Entschieden setzte ich mich auf. Ein protestierender Laut neben mir, ließ mich jedoch innehalten. Ich hatte Nelly vergessen und unbeabsichtigt von mir gestoßen. Sofort beugte ich mich zu ihr, wickelte die Decke wieder fest um sie und gab ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe. Ihr Atem wurde sofort ruhiger und sie schlief friedlich weiter. Es fiel mir verdammt schwer jetzt das Bett und damit sie zu verlassen. Nur mit sehr viel Überwindung schaffte ich es, mich aus den Lagen zu befreien und aufzustehen.

Leise schlich ich durchs Zimmer, die Treppe hinab und direkt ins Bad unter die Dusche. Danach holte ich mir aus dem begehbaren Kleiderschrank neue Klamotten zum Anziehen. Meine Alten lagen noch irgendwo eine Etage über mir am Bett.

Nachdem ich mir ein schwarzes T-Shirt, eine Lederhose und ein paar Lederstiefel übergestreift hatte, verließ ich meine Räume und machte mich auf zur Bibliothek. Ich benutzte den Eingang auf dieser Etage, schwang mich über die Brüstung des Steges und landete mit einem leisen Aufprall in der Hocke zwischen den Bücherregalen. Schnell richtete ich wieder auf und machte mich eilig auf dem Weg zu Nellys Arbeitsplatz. Dort fand ich sofort das, weswegen ich hierhergekommen war: die Abschrift des Buches. Mit leicht zitternden Fingern griff ich nach den losen Blättern und schaute sie mir zum ersten Mal wirklich an.

Wort für Wort sog ich die dämonischen Schriftzeichen in mich auf. Es war schon Jahrtausende her, dass ich diese Schrift zuletzt gesehen hatte. Es fühlte sich so gut an, so heimisch. Noch ein paar Sekunden genoss ich den Anblick der Zeichen, dann wand ich mich ab und ging zurück in meinen Turm. Ich konnte die Abschrift genauso gut dort bei Nelly lesen.

***

Nach einem kleinen Umweg in den rechten Flügel des Hauses, ließ ich mich auf die Couch in meinem Wohnzimmer fallen und stellte leise die Musikanlage an. Die Möbel in dem halbrunden Raum waren schwarz und weiß sowie sehr schlicht gehalten. Die Wände und der dicke Teppich waren ebenfalls weiß, genauso wie die Vorhänge seitlich an den hohen Fenstern.

Ich legte entspannt meine Füße auf den Kaffeetisch ab. Aus reiner Gewohnheit beugte ich mich noch kurz zu der Leselampe neben der Couch und stellte sie an. Ihr sanftes Licht vertrieb die hereinbrechende Dunkelheit des Abends und ich wand mich konzentriert den Blättern in meiner Hand zu.

Wie besessen flogen meine Augen über die Zeilen, auf der Suche nach einem Hinweis, wie ich mich vom Boss lösen konnte. Die ersten dutzend Seiten waren Geschichtlicher kram darüber, wie der Boss aus dem Himmel verband wurde. – Blablabla, das kannte ich alles schon.

Danach folgten an die fünfzig Seiten wie wir Dämonen erschaffen wurden und über die einzelnen Stärkegerade. – Uninteressant, ich übersprang sie einfach.

Doch die nächsten drei Seiten sog ich in mich auf wie ein trockner Schwamm es mit Wasser tat. Tatsächlich fand ich dort die Beschreibung, wie ich mich vom Boss loseisen konnte. Zu meiner Frustration fehlten zwei Seiten, als gerade das dicke, fette ''Aber'' kommen sollte. Nelly hatte auf beide Seiten in menschlicher Schrift geschrieben „Kaffeefleck". Wut flammte in mir auf. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein! Das wichtigste konnte doch nicht einfach fehlen, wegen eines Kaffeefleckes!

Das knistern von Papier ließ mich auf meine Hände schauen. Ich hatte die Rechte zur Faust geballt und damit besagte Seiten zusammengeknittert. Langsam holte ich tief Luft, um mich wieder zu beruhigen, öffnete ein Finger nach dem anderen und strich die Blätter wieder glatt. Danach legte ich sie sicherheitshalber auf den kleinen Tisch vor mir ab und stand auf. Wie ein Tiger im Käfig schlich ich durch den Raum.

Immer wieder nahm ich den gleichen Weg, bis meine Füße ihn ohne mein Zutun sicher fanden. Irgendwann blieb ich am Fenster stehen und starrte in die inzwischen sternenerhellte Dunkelheit der lauen Sommernacht. Doch ich nahm sie gar nicht wahr. Die Seiten des Buches geisterten wie wild durch meinen Kopf. Immer wieder tauchten die entsprechenden Textstellen vor meinem inneren Auge auf und verhöhnten mich mit ihrem Inhalt. Wie sollte ich es bitteschön schaffen, dass sich ein nicht dämonisches Wesen in mich – so wie ich war – verliebte? Eher würde das Fegefeuer gefrieren, als dass das passieren würde!

Ich war sowas von am Arsch! Es gab keine Möglichkeit dem Boss zu entfliehen. Keine Möglichkeit bei der kleinen Hexe zu bleiben, jeden Tag mit ihr in meinen Armen aufzuwachen, in ihre wunderschönen, verschlafenden Augen zu blicken, sie sanft zu liebkosen bis sie in meinen Händen zu Wachs werden und mich um Erlösung anflehen würde. Der Boss kannte garantiert mehrere Wege, um dies verhindern zu können.

Und dann war da noch dieses unbekannte ''Aber''. Was würde es für Nachteile mit sich bringen, wenn sich eine Frau in mich verlieben würde, so wie ich nun mal war?

Ach das war doch alles so ein verdammter Mist! Verzweifelt fuhr ich mir mit beiden Händen durch die Haare. Warum musste ich auch nur ein verdammter Dämon sein? Hätte ich nicht Nellys wegen, als ein Hexer geboren werden können?

***

Schlanke Arme schlossen sich um mich und ein warmer, weicher Körper lehnte sich an meine Rücken. Sofort wurden meine Gedanken ruhiger und meine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf die Frau hinter mir. Ich schloss die Augen und genoss ihre Berührung.

„Du wirkst durcheinander." Stellte die kleine Hexe sanft fest. „Was beschäftigt dich?"

In meinem Kopf ratterte es. Was sollte ich ihr nur antworten? Garantiert nicht die Wahrheit! Sie hatte schon genug Probleme wegen des Buches gehabt. Also musste wohl ein Plan B her. Doch so schnell viel mir nichts ein. Verdammt, mein Kopf war wie leer. Also tat ich das erstbeste, was mir einfiel: ich wand mich blitzschnell um, beugte mich zu Nelly und küsste sie innig.

Weich fühlten sich ihre Lippen auf meinen an und sofort verschwand alles, um mich herum. Das einzige was blieb und worauf sich mein ganzes Wesen fokussierte, war sie: meine kleine Hexe.

Ich schlang meine Arme um sie, schob die Hände unter den weichen Stoff meines alten Hemdes, welches sie sich übergezogen hatte, und zog sie näher an mich. Ihre Hände pressten sich gegen meine Brust und sie stöhnte leise auf, als ich ihren Mund eroberte.

In diesem Moment wurde mir klar, dass ich alles tun würde, um sie zu behalten und ich irgendeinen anderen Weg finden musste, um nicht in die Hölle zurück zu kehren.

Mein Griff wurde fester und ich presste mich noch näher an sie. Sie war mein. Mein!

Dämon - Höllisch VerhextWhere stories live. Discover now