18. Nelly

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Freitag, sieben Wochen nach Corvins verschwinden.

Auf dem Rücken ausgestreckt lag ich auf der Couch. Lucky hatte es sich auf meinen Füßen bequem gemacht und schlief. Ich streckte meine Hände nach oben und betrachtete sie. Sie leuchteten schwach in einem weißen Licht. Meine ganze Konzentration war darauf gerichtete, dieses Licht zu einer Kugel zu bündeln. Ein stechender Schmerz zuckte von Nacken ausgehend durch meinen ganzen Körper. Zischend sog ich die Luft ein. Das war schon der fünfte fehlgeschlagene Versuch heute gewesen, meine Magie in irgendeiner Weise zu nutzen. Corvin hatte mir scheinbar nicht nur Zimmerarrest gegeben, sondern auch um einiges meine Hexenmagie eingedämmt. Somit war alles, was ich noch mit meiner Magie anfangen konnte, meine Hände als Taschenlampe zu benutzen. Na klasse, das war doch echt zum kotzen.

Ich ließ meine Arme sinken und sie vielen nutzlos auf das weiche Sitzpolster. Eigentlich hätte ich jetzt aufgebracht, wütend oder frustriert sein sollen, doch ich fühlte nichts als Leere. Das ging schon seit mehr als einer Woche so. Als ich das erste Mal festgestellt hatte, dass ich nicht mehr hexen konnte, war ich vollkommen ausgerastet, habe Gott und die Welt verflucht und ganz besonders diesen schwarzäugigen Dämon sowie das gesamte Wohnzimmer verwüstet. Alles hatte nichts geholfen.

Also warum dann noch aufregen, hatte ich gedacht und die Gefühle beiseitegeschoben. Irgendwann hatte dann die innere Taubheit begonnen. Sie half mir die Tage zu überstehen und nicht durchzudrehen. Auch das abschreiben des Buches viel mir jetzt wesentlich leichter, weil ich den Schmerz kaum noch wahrnahm. Und so gingen die Tage bedeutungslos ineinander über. Selbst Lucky schaffte es nicht, mich in meinem Kokon zu erreichen. Ich stieß ihn weg, sobald er mir Emotional zu nahekam. Um auf Distanz zu ihm zu bleiben, sorgte ich dafür, dass er nicht nur am Tag bei Eva blieb, sondern auch nachts. Das er heute hier bei mir war, war eine Ausnahme. Eva wollte alleine mit Eddy zeitverbringen und bat mich, Lucky für diese Zeit zu nehmen. Auf ihre Nachricht hatte ich ihr ein Einfaches, emotionsloses ''mach ich'' zurückgeschickt. Als ich Lucky dann abends die Tür öffnete, kam er mit eingekniffenem Schwanze und gesenktem Kopf herein. Nebenbei registrierte ich, dass er mir eigentlich leidtun sollte und ich ihn durch streicheln und knuddeln wieder fröhlich stimmen sollte, schließlich war er mein bester Freund. Doch ohne Gefühle wurden selbst solche wichtigen Gedanken unwichtig, weswegen ich sie einfach verwarf. Nennt mich Grausam, Miststück, Kuh oder was weiß ich noch alles und ich würde es noch nicht mal abstreiten. Die innere Taubheit hatte aus mir genau das gemacht.

***

Immer noch auf dem Rücken liegend, starrte ich zwei Stunden später noch an die Decke. Lucky hatte sich auch nicht vom Fleck bewegt. Die vom Feuer beleuchtete Stuckrose an der Decke konnte ich bereits mit geschlossenen Augen malen. Ich nahm mein Handy in die Hand, um kurz auf die Zeit zu schauen. Warum? Keine Ahnung. Die Zeit war doch sowieso bedeutungslos. Das Display leuchtete auf und zeigte mir, dass es kurz vor Mitternacht war. In drei Minuten würde es Samstag sein - bedeutungslos. Ich legte das Handy zurück auf den Couchtisch und starte wieder an die Decke. Das flackernde Feuer zeichnete verschiedene Muster an den Putz. Ich sah sie, nahm sie aber nicht wahr.

Ein Beben erschütterte die Burg. Lucky sprang winselte von der Couch und versteckte sich darunter. Langsam setzte ich mich auf und schwang die Beine herunter. Wie ferngesteuert ging ich auf die Tür zu und öffnete sie. Ohne zu zögern trat ich auf den Gang hinaus. Die Taubheit hatte auch ihre Vorteile. Ich machte mir keine Gedanken darüber, was für Konsequenzen mich erwarten würden, wenn ich den Arrest brach oder was mich erwarten würde, wenn ich der Ursache des Bebens nachging. Denn es interessierte mich einen Scheiß. Nachdem ich gerademal einen Fuß auf den Gang gesetzt hatte, überrollte mich eine Energiewelle. Taumelnd hielt ich mich an dem Türrahmen fest. Was war denn das jetzt gewesen? Erst das Beben und jetzt eine Welle aus Energie? Was ging hier vor sich?

Dämon - Höllisch VerhextDonde viven las historias. Descúbrelo ahora