7. Nelly

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Die Morgensonne schien hell durch die Bogenfenster und weckte mich. Müde reckte ich mich und öffnete die Augen. Für einen Moment war ich verwirrt - wo war ich? Doch dann erkannte ich den in beigen Tönen gehaltenen Raum. Ich hatte die ganze Nacht auf der Couch im Wohnzimmer verbracht. Das Bett im Schlafzimmer war für mich alleine einfach viel zu groß gewesen. In ihm habe ich mich so verloren gefühlt, so klein, auch wenn Lucky an meiner Seite gelegen hatte.

Apropos Lucky! Wo war der neugierige Hund jetzt schon wieder? Er lag auf jeden Fall nicht mehr neben mir. Hoffentlich machte er nichts kaputt.

Ein leises Kratzen lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Eingangstür meiner Wohnung. Lucky stand davor und versuchte die Tür aufzudrücken, was ihm aber nicht gelang. Er machte einen Satz rückwärts und starte die Tür gebannt an, als überlege er, wie er sie aufbekommen konnte. Nach kurzem Zögern lief er wieder zur Tür zurück und richtete sich auf um die Türklinke mit seinen Tatzen nach unten zu drücken, doch es gelang ihm wieder nicht. Kein Wunder, denn die Tür musste man aufziehen. Ich musste lächeln. Lucky bei seinen Versuchen zuzuschauen war total niedlich. Er stellte sich gar nicht so dämlich dabei an, nur das er nie zog, sondern drückte.

Nach dem ich ihm eine Weile beobachtet hatte, kam ich zu dem Schluss, ihm etwas unter die Arme zu greifen. Ich stand auf und streckte mich ausgiebig, ehe ich zu meinem vierbeinigen Freund hinüber ging und mich neben ihn kniete. Schwanzwedelnd ließ er sich von mir durch knuddeln. Seine blauen Augen leuchteten begeistert.

„Lass mich kurz etwas anziehen. Dann gehen wir gemeinsam schauen, wo du dein morgendliches Geschäft machen kannst. Okay?" Als Antwort bekam ich einen Kuss nach Hundeart.

In der Kommode ganz hinten in meinem begehbaren, mit nagelneuen Klamotten in meiner Größe vollgestopften Kleiderschrank fand ich tatsächlich alle meine eigenen Kleidungsstücke. Corvin hatte also heute Nacht die Wahrheit gesagt. Hoffentlich betraf das auch den Rest der Dinge, die er erwähnt hatte. Nach einer kurzen Suche hatte ich mich für eine Bluejeans entschieden und einen enganliegenden dünnen Pully. Es schien ein warmer Frühlingstag zu werden. Die Leggins und das Top, die ich vorher angehabt hatte, ließ ich einfach auf dem Boden liegen. Martin hatte mich immer mit meiner Unordentlichkeit aufgezogen, doch das hatte mich nie wirklich gestört - schließlich beherrscht nur das Genie das Chaos.

Schnell schaute ich noch nach meinen Wunden und legte frische Verbände an.

Zurück bei Lucky öffnete ich die Tür - indem ich sie aufzog - und ließ Lucky hinaus. Er sprang ein paarmal umher, bevor er stehen blieb und mich auffordernd ansah. Ich griff nach einer der Jacken die an der Garderobe rechts neben der Tür hingen - denn die Gänge im Haus waren kalt -, zog sie über und folgte ihm. Seit an Seit gingen wir den Korridor entlang. Eine Hand hatte ich auf Luckys Rücken gelegt. Sein Fell war weich und warm und beruhigte mich etwas, denn das Haus war riesig und es herrschte Toten stille - beängstigend. Schweigend und wachsam folgte ich seiner Führung hinunter in die Eingangshalle und von dort in den linken Flügel, zur Rückseite des Hauses. Dort befand sich eine kleine Tür. Ohne Probleme ließ sich der Griff drehen und die Tür schwang nach innen auf. Lucky tobte sofort nach draußen in den verwilderten Garten, um sein Geschäft zu machen.

Wartend lehnte ich mich an den Türrahmen. Immer darauf bedacht, nicht die Türschwelle zu überdrehten. Ich wollte dem verdammten Dämon keinen Grund geben, mir meine Magie wieder zu nehmen, oder mich auf andere Art zu bestrafen. Ich wand meine Aufmerksamkeit wieder nach draußen. Lucky war bereits aus meinem Blickfeld verschwunden. Kein Wunder, denn überall wuchs das Gras mindestens einen Meter hoch, Büsche und Dornengewächse überwucherten Mauern und die Stämme mächtiger Bäume. Einst musste es ein wahres Paradies, ein unglaublicher Garten gewesen sein, doch heute war es nur ein Paradies für streunende Hunde, die von ihren Besitzern nicht gefunden werden wollten. Das einzige was störte war der widerliche Geruch nach Dämon, der einem sofort in die Nase zog, sobald man das Haus verließ.

Dämon - Höllisch VerhextWhere stories live. Discover now