15. Corvin

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Abrupt stand ich von meinem Stuhl auf und unterbrach dadurch Hektor mitten im Satz. Er stand vor meinem Schreibtisch im Arbeitszimmer und erklärte mir die Gestaltungspläne des Gartens. Fragend schaute er mich jetzt an, doch ich beachtete ihn nicht und rannte einfach zur Tür. Ich riss sie auf und lief den Gang hinunter zu den Gemächern der kleinen Hexe. Zorn und Sorge kämpften in meinem inneren um die Vorherrschaft. Die kleine Hexe hatte das Haus verlassen, das konnte ich deutlich spüren. In ihren Gedanken jedoch fand ich nichts, außer Angst und Panik. Woher diese kamen, konnte ich in ihrem Gedankenchaos nicht feststellen.

Sobald ich die Tür zu ihren Räumen erreicht hatte, riss ich die Klinke nach unten und die Tür auf. Zum Glück war sie nicht abgeschlossen - die Reparaturkosten wären einfach zu teuer gewesen. Die offene Balkontür stach mir sofort ins Auge, sobald ich das Wohnzimmer betreten hatte. Der Teppich an der Tür war durch den Frühlingsregen der hereinviel durchnässt wurden. Schnell hatte ich den eleganten Raum durchquert und... blieb wie angewurzelt stehen. Irgendwas stimmte hier nicht.

Die kleine Hexe lag auf den dunklen Steinfliesen des Balkons und krümmte sich auf der Seite zusammen. Ihre Hände zerrten wie verrückt an ihrem Hals. Ihr Köter saß neben ihr und winselte laut. Er knurrte mich noch nicht mal an, als er mich wahrnahm, so viel sorgen machte er sich um sein Frauchen. Schnell schaute ich mich nach einem Angreifer um, doch ich fand nichts und die Raben hatten auch nichts bemerkt.

Beunruhigt ging ich neben der kleinen Hexe in die Hocke und streichelte ihr das nasse Haar aus der Stirn. „Nelly, hörst du mich? Was ist los mit dir?"

Sie schaute mich nur aus weitaufgerissenen Augen an und japste laut nach Luft.

„Verflucht!" Tönte es von der Tür. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Hektor mir gefolgt war. Jetzt hockte er sich ebenfalls neben die kleine Hexe und schob bestimmt meine Hand weg. Verwirrt schaute ich zu ihm rüber. In seinen grünen Katzenaugen lag reine Sorge. Ohne mir irgendwelche Beachtung zu schenken, konzentrierte sich Hektor ganz auf Nelly. Er drehte sie auf den Rücken und nahm ihr Gesicht in beide Hände, bis sie seinen Blick erwiderte, dann redete er auf sie ein. Kurz darauf nahm er ihre Hand und drückte sie auf seine Brust, ehe er weiter ruhig auf sie einsprach.

Ein Tier erwachte brüllend in mir und verlangte lautstark die kleine Hexe in meine Arme zu reißen - weg von Hektor und seinem sehr guten Aussehen. Schnell unterdrückte ich diesen sinnlosen Drang und stand rasch auf. Ich war hier nicht von nutzen und würde nur im Weg stehen, bei was auch immer Hektor da gerade tat. Sobald ich in der Trockenheit des Hauses war, konzentrierte ich mich kurz und die Nässe verschwand aus meinen Haaren und Klamotten. Danach fing ich an durch den Raum zu tigern, während das Tier in mir immer noch wütete - kein Wunder, dass ich nicht ruhig in einen Sessel sitzen konnte.

Eine gefühlte Ewigkeit später kam Hektor zurück ins Haus. Auf seinen Armen trug er die kleine Hexe. Sie war bis auf die Knochen durchnässt und wirkte sehr Erschöpft, doch was auch immer ihr dort draußen geschehen war, war jetzt vorbei.

„Corvin, was stehst du da so rum?" wies mich Hektor streng zurecht. „Wir brauchen dringend ein Handtuch oder soll ich sie so Nass auf die Couch legen?"

Sein Tonfall feuerte das Tier in mir an. Es war kurz davor auf Hektor loszugehen und es wurde auch nicht gerade davon beruhigt, dass die kleine Hexe so vertrauensvoll in seinen Armen lag. Zornig auf Hektor und auf dieses komische Tier in meinem Inneren wand ich mich abrupt ab, lief in Nellys Schlafzimmer und von dort aus ins Bad. Einfacher wäre es gewesen, einen Zauber zu verwenden, um die Handtücher herbei zu schaffen, aber ich musst dringend den Raum verlassen. Die Versuchung, Hektor an die Kehle zuspringen, war einfach viel zu groß. Dieses Mal, wäre er nicht mit ein paar Tritten in seinen Arsch davongekommen.

Schnell schnappte ich mir einen Stapel der flauschigen Handtücher aus dem Badschrank und ging zurück in Wohnzimmer. Das Tier in mir war aufgebracht, dass ich die kleine Hexe alleine in Hektors Armen zurückgelassen hatte und drängte mich zur Eile. Es wurde auch nicht besser, als ich zurück ins Wohnzimmer kam und Hektor sah, der die kleine Hexe immer noch im Arm trug. Lauernd lag das Tier in mir bereit zum Sprung. Das kleinste Anzeichen würde genügen und Hektor würde in der Hölle landen.

Zornig auf mich beziehungsweise auf dieses verdammte Tier in mir, auf Hektor und die kleine Hexe - fassen wir uns kurz: auf die ganze scheiß Situation - schmiss ich das Mitgebrachte auf die Couch und wand mich zum Gehen. Ich musste weg, so weit weg wie es nur ging. Auf einmal kam mir der dritte Ruf, der mich heute Nachmittag ereilt hatte, nach dem Nelly aus der Bibliothek abgehauen war, nicht mehr vor wie ein Fluch, sondern wie ein Segen. Es war die perfekte Gelegenheit mich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Als ich an der Tür angekommen war, drehte ich mich nochmal zu den anderen Beiden um. Hektor hatte es irgendwie geschafft, ein paar der Handtücher auf dem Sofa auszubreiten und die kleine Hexe darauf abzulegen. Jetzt beugte er sich über sie und wickelte ihre nassen Haare in eines der Tücher. Werder er noch die kleine Hexe schienen meinen Abgang zu bemerken. Kalte Wut floss durch meine Adern und ich musste die Hände zu Fäusten ballen, um das Tier in mir unter Kontrolle zu behalten.

„Hektor!" peitschte meine Kalte stimme durch den stillen Raum. Der verdammte Köter - den hatte ich ja komplett vergessen - knurrte und stellte sich schützend vor sein Frauchen. Sollte er doch versuchen mich aufzuhalten, dann wäre ich ihn wenigstens los und die kleine Hexe würde mir alleine gehören. Moment?! Was dachte ich da bitteschön?! Schnell konzentrierte ich mich wieder auf den blonden Dämon, der aufgeschaut hatte, als er seinen Namen hörte. „Du wirst dafür sorgen, dass die kleine Hexe in ihren Räumen bleibt, solange ich weg bin. Sie hat Hausarrest. Besuche sind nicht gestattet. Essen und alles was sie sonst noch brauchen sollte, wird ihr auf einen Wagen vor die Wohnungstür gestellt. Drei Stunden am Tag darf sie die Bibliothek aufsuchen. Ich vertraue darauf, dass du darauf achtest, dass diese Regeln eingehalten werden. Haben wir uns verstanden?"

Hektor nickte ruhig. „Ja, Herr."

„Gut."

Ich wand mich ab und hatte bereits die Türklinke nach unten gedrückt, als mich die schwache, empörte Stimme der kleinen Hexe unterbrach. „Das kannst du nicht machen."

„Was kann ich nicht machen?" fragte ich unberührt.

„Mich hier einsperren."

Ich lachte kalt auf. „Oh doch, dass kann ich sehr wohl! Immerhin gehörst du mir und meinen Befehl zu missachten, war auch nicht gerade schlau von dir."

Entsetzt weiteten sich ihre grauen Augen. „Aber..."

Mit erhobener Hand unterbrach ich sie. „Schweig! Du machst deine Lage nur noch schlimmer!"

Damit öffnete ich die Tür und trat in den Flur. Sobald die Tür sich hinter mir geschlossen hatte, spielte das Tier in mir verrückt. Es konnte nicht fassen, dass ich die kleine Hexe mit Hektor alleine in einem Raum gelassen hatte. Ihm gefiel es weder: Hektor mit der kleinen Hexe zu sehen, noch dass ich ihm diesen Anblick ersparte, indem ich das Zimmer mit den beiden verließ. War dieses Tier denn nie zufrieden? Ein Bild flackerte vor meinen Geistigen Augen auf. Ich lag in meinem Bett im Turm und umschlang mit meinen Armen die kleine Hexe. Wir küssten uns und waren beide... nackt?! Das würde das Tier zufrieden stellen? Ernsthaft?!

Ich schob das Bild beiseite und richtete meine Gedanken auf meine bevorstehende Reise in die Hölle sowie den Vorbereitungen für das Höllentor. Das half, um das Tier in meinem Inneren zu verdrängen. Hoffentlich hatte der Boss wenigstens gute Laune und die Reise würde nicht allzu lange dauern. Die Hölle war nicht gerade das schönste Reiseziel.

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Eure MaSoFeh

Dämon - Höllisch VerhextWhere stories live. Discover now