2. Corvin

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Diese Nichtsnutze von Dämonenwachen konnten auch gar nichts! Zweimal war der Mensch schon da gewesen und zweimal hatten sie versagt. Beide Male waren meine Wachen im Komaschlaf gewesen und konnten nicht handeln, konnten meinem Befehl nicht Folge leisten und den Menschen festsetzen. Als hätte dieser kleine, winzige Wurm von einem Menschen gewusst, wann wir am schwächsten waren. Zum Glück hatte er nicht angegriffen. Die Verteidigung in der Mittagszeit hätte mich viel Kraft kosten können und die braucht ich unbedingt, schließlich wartete ich auf ganz besondere Gäste. Die Hexen wollten unbedingt das Schwert und ich hatte es, also mussten sie wohl oder übel zu mir kommen, um es sich zu holen.

Ich blieb stehen, schaute auf und zur gegenüberliegenden Wand hin, wo eine lange schmale Vitrine stand. In ihr lag ein vom Alter und Gebrauch gekennzeichnetes Langschwert. Es hatte nichts Magisches an sich. Was die Hexen also daran fanden, verstand ich nicht. Doch solange es seinen Zweck erfüllte und mir einen Hexer oder Hexe ins Haus lockte, war ich schon zufrieden. Vielleicht erfüllte dieses leblose Ding seine Aufgabe besser, als meine Wachen. Wundern würde es mich nicht.

Wütend fing ich wieder an meinen Weg durch mein Arbeitszimmer fortzusetzen: vorbei an meinem Schreibtisch zum Fenster dahinter, um einhundertachtzig Grad drehen und zwölf große Schritte zurück zur Tür, wieder kehrt machen und zum Fenster zurück. Der Raum war zwar lang, aber nicht lang genug für mich. Und das umherlaufen half nichts gegen die Wut, die sich in mir aufstaute.

Ruhige katzenhafte, grün schimmernde Augen folgten meinem hin und her Gerenne. Hektor hatte, seit der Wachhauptmann vor ein paar Stunden mir den Bericht geliefert hatte, nichts mehr gesagt. Er wartete stillschweigend auf meine Befehle. Doch was sollte ich ihm befehlen? Der Mensch war fort. In ein Auto gestiegen und davongerast. Ich hatte es selbst gesehen. Nur verschwommen zwar, wegen der Mittagsschwäche, aber ich konnte ohne Zweifel sagen, dass es ein Mensch mit einem Hund war. Frau oder Mann war in diesem Fall egal. Meine Leute brauchten Nahrung, ich brauchte Nahrung und dieser Mensch hätte unseren vorhandenen Energievorrat etwas aufgefrischt. Doch dank des Autos konnte noch nicht einmal Hektor die Spur des Menschen verfolgen.

Frustriert fuhr ich meine Krallen aus und wischte mit der Hand über den Schreibtisch, an dem ich gerade vorbeikam. Alles, was drauf lag, fegte ich hinunter. Übrig blieben nur fünf tiefe Rillen im Mahagoni. Laut klirrend landete die Schreibtischlampe auf dem Boden und das Glas der Haube zersprang in tausend Stücke. Auch das Tablet machte keine Ausnahme und landete zwischen den ganzen Glassplittern auf dem Paket, wo es von dem ganzen herabschwebenden Papierkram bedeckt wurde.

„Meister!" quiekte eine erschrockene Stimme hinter mir. Ohne, dass ich es bemerkt hatte, war die Tür aufgegangen und Larr war mit einem Menschen aus unserem Energievorrat hereingekommen. Ich drehte mich mit vor Wut sprühenden Augen um. Larr wich eilig ein paar Schritte zurück, wobei er den Menschen mit sich zog. Er wirkte entsetzt, als er den Blick zwischen mir, dem Schreibtisch - vor dem ich stand - und dem Chaos auf dem Boden hin und herwandern ließ. Hektor schenkte er wie immer keine Beachtung.

„Was?" knurrte ich Larr an, während ich ihn von oben bis unten musterte. Larr war ein mittlerer Dämon, der gerade mal so groß wie ein Kindergartenkind war. Er hatte nicht wie Hektor und ich etwas Menschliches an sich, sondern sah eher aus, wie eine Mischung aus blauem Affen, mit Ziegenfüßen und -ohren und kleinen mitternachtsblauen Drachenflügeln. Seine Art sicherte sich ihr überleben, indem sie sich bei mächtigeren Dämonen - wie mir - einschleimten und sich vor Kämpfen drückten. Außerdem waren sie alle verdammt nervig!

„Äh..." stotterte Larr jetzt „ich ... ich habe hier ... hier eine kleine Mahlzeit für Euch ... Meister." Dabei schob er den Menschen vor sich, wie ein Schutzschild. Der Mensch, ein junger Mann Ende zwanzig mit hellbraunen, kurzen, gelockten Haaren, verneigte sich kurz vor Hektor, bevor er sich vor mir niederkniete und unterwürfig den Kopf neigte. Ein kurzer Kuss würde genügen um ein Teil seiner Energie aufzunehmen und mich um einiges besser zu fühlen.

Dämon - Höllisch VerhextWhere stories live. Discover now