7 - Schlangenphobie 💜

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Felix POV

Rachel setzte mich um zwanzig vor acht an der Schule ab. Mir ging es heute Morgen so schlecht, dass ich es kaum aus meinem Zimmer geschafft habe. Sie musste mich fast schon aus meinem Zimmer schieben, weil ich so Angst vor der Schule hatte.
"Wir sehen uns heute Nachmittag. Lass dich nicht ärgern, Brüderchen." Ich lächelte sie an. "Werde ich schon nicht." Dann gab ich ihr einen Kuss auf die Wange und stieg aus dem Auto aus. Doch dann hielt ich auf einmal inne. Ich war kurz davor wiederumzudrehen, entschied mich aber dagegen. Noch einen Tag konnte ich in der Schule nicht fehlen.
Ich atmete tief durch, warf mir meine Umhängetasche über den Kopf und ging durch die Eingangstür in den Korridor. Es waren schon sehr viele Schüler hier, doch ich ignorierte sie einfach. So wie jeden Tag. Das war mir eh lieber. Ich hatte hier eh keine Freunde, außer Hyunjin, also warum sollte ich dann mit ihnen reden? Und sie hassten mich. Noch ein Grund, wieso ich nicht mit ihnen interargierte. Sie waren alle gleich.
Ich öffnete meinen Spind und nahm die Bücher für die ersten beiden Stunden heraus. Wir hatten Englisch und Geometrie. Und nach der Pause eine Doppelstunde Biologie. Auf Bio freute ich mich gar nicht, denn unser Thema war Reptilien und es gab ein Tier auf der Welt, wovor ich richtig Panik hatte. Und das waren scheiß Schlangen. Seit ich mal von einer gebissen wurde, machte ich einen Bogen von vierzig Metern um diese scheußlichen Kreaturen.
"Felix!", rief eine Stimme. Ich drehte mich nach rechts und sah Hyunjin auf mich zulaufen. Wie konnte er zu dieser Uhrzeit schon so gut gelaunt sein? Offen gesagt war er schon immer ein kleiner Sonnenschein gewesen. Er lachte wirklich gerne und viel. Nun ja, mir soll es recht sein. Ich war einfach nur froh, ihn zu sehen. "Hey, Hyunjin. Wie geht es dir?" "Mir geht es gut. Und was ist mit dir? Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken." "Wie man's nimmt. Habe nur keine Lust auf Biologie. Sport wäre mir lieber." Hyunjin lächelte. "Wir sind doch eh zusammen im Biologie-Kurs. Wenn du Hilfe brauchst, frag einfach mich. Ich bin für dich da." "Danke, Hyunjin."
Ich verschloss meinen Spind und lief mit meinem Freund den Korridor entlang. Doch wir hielten uns nicht an den Händen. Einfach, um uns selbst zu schützen.

Ich setzte mich an den hintersten Tisch des Klassenraumes. Hyunjin setzte sich neben mich. Da er in Englisch nicht so gut war wie ich, half ich ihm im Unterricht ein wenig. So machten wir das immer. Dadurch sind auch meine Noten besser geworden. Und seine ebenfalls.
"Findest du nicht auch, dass es ungewöhnlich still hier ist?", fragte Hyunjin und sah sich um. Jetzt, wo es es sagte, fiel es mir auch auf. Mein Blick schweifte durch den Raum. Es war so still, ich hätte eine Stecknadel fallen lassen können und jeder hätte es mitbekommen. "Kein Wunder, Hyunjin. Chan und die anderen sind gar nicht hier. Wahrscheinlich schwänzen sie eh." Er lachte. "Wäre ihnen zumutbar."
Ohne weiter über meine Feinde nachzudenken schrieb ich die letzte Englisch-Aufgabe fertig und klappte mein Buch zu. Doch unser Englisch-Lehrer behielt jeden von uns im Auge. Er war bekannt dafür, jedem Extra-Aufgaben auf's Auge zu drücken. "Felix. Bist du fertig?", fragte er. "Ja. Bin ich." "Gut. Dann habe ich hier noch etwas für dich." Er legte mir sechs Englisch-Blätter auf meinen Tisch. Ohne zu widersprechen erledigte ich meine Aufgaben und war innerhalb von zwanzig Minuten fertig. Die ausgefüllten Blätter legte ich meinem Lehrer auf das Lehrerpult.
Doch gerade, als ich mich auf meinen Platz setzte, ging die Lautsprechanlage los. Der Direktor sprach: "Alle Schüler finden sich bitte in der Eingangshalle ein. Eine Schlange ist aus dem Terrarium ausgebrochen. Dies ist keine Übung. Ich wiederholte, dies ist keine Übung!"
Als ich das Wort 'Schlange' hörte, waren bei mir alle Alarmglocken auf rot. Ich hatte das Gefühl, mir würde jeden Moment das Herz aus der Brust springen.
"Komm. Wir müssen hier raus." Hyunjin packte mich am Handgelenk und zerrte mich aus dem Raum. Ich war vor Angst so gelähmt, dass ich ihm hinterherstolperte wie ein hynpotisierter Zombie. Wir rannten die Treppe runter, durch die Kellertür und über den Notausgang nach draußen ins Freie. Eine Lehrkraft schloss die Tür hinter uns. "Sind alle Schüler da?" Nacheinander wurden die Schüler der jeweiligen Klassen mit Namen aufgerufen. Scheinbar war jeder anwesend. Doch mir fiel auf, dass es so ungewöhnlich still war. Irgendetwas fehlte hier. Besser gesagt, irgendjemand fehlte hier. Es kamen noch keine gehässigten Kommentare von Chan oder ein Schubser von Jisung. Also wo zum Kuckkuck waren sie? Und der Lehrer hatte sie nicht mal aufgezählt. Hatten sie etwa die Schlange aus dem Reptilienraum gelassen? Nur, um mir Angst zu machen und mich loszuwerden?
Gerade, als wir dachten, die Luft wäre rein, fing eine Schülerin an zu schreien und sprang auf eine Bank. "Schlange!", schrien auf einmal alle Mädchen. Sie rannten panisch hin und her, bis ich schließlich einen Blick auf sie erhaschen konnte. Ich fing vor Angst an zu schwitzen, denn sie kam auf direkt auf mich zu. Mein Körper war wie gelähmt und ich konnte das Zischen ihrer Zunge so deutlich hören, als wäre sie direkt neben meinem Ohr.
Doch das aller schlimmste war, dass es genau die gleiche Schlangenart war, die mich damals gebissen hat. Ein australischer Inlandtaipan. Ich hatte schon meine Gründe, wieso ich den Reptilienbereich unserere Highschool mied, denn ich wollte mir ein Deja Vu mit Schlangen ersparen. Insbesondere mit dieser Art.
Vor Angst ging ich so weit zurück, wie es nur ging, doch das Tier kam mir immer näher. Als hätte die Schlange es auf mich abgesehen. Mein Herz klopfte wieder so stark wie seit langer Zeit nicht mehr.
Das Tier sah mich mit seinen dunklen, hypnotisierenden Augen an, als wollte es meinen Willen brechen und mich zu seinem persönlichen Sklaven machen. Es war ganz genau wie damals.
Ich stolperte über eine Schultasche und fiel hin. Die Schlange kroch weiter auf mich zu. Sie interessierte sich gar nicht für die anderen, sondern behielt ihren Fokus die ganze Zeit auf mich gerichtet. Als wollte sie mich in einem Stück auffressen.
Erst als die Schlange mein Bein berührte, fing ich an zu kreischen, als hätte sie mich bereits gebissen. Doch in der nächsten Sekunde war es auch schon wieder vorbei. Der Tierpfleger nahm die Schlange von meinem Bein weg und ich beruhigte mich wieder. Zumindest schrie ich nicht mehr wie ein aufgespießtes Spanferkel. Seit langer Zeit hatte ich nicht mehr so eine Angst wie heute.
Doch der Reptilienpfleger tauchte auf einmal auf und schlich sich an das Tier heran. Dann packte er es am Kopf und steckte es in einen Glaskasten. Das Tier rollte sich zusammen, doch sah mich weiterhin an. Als wollte es mir sagen, dass wir beide uns auf jeden Fall wiedersehen werden.
"Felix. Alles okay bei dir?", fragte dann eine Stimme panisch. Schritte kamen auf mich zu. Als mich dann noch jemand umarmte, kam ich wieder in die Realität zurück. Es war Hyunjin. Wie froh ich war, dass er hier war. Bei mir.
Ganz langsam beruhigte ich mich durch die Gestik wieder. "Es geht schon. Danke, Hyunjin."
Seit sehr langer Zeit habe ich nicht mehr so viel Angst verspürt wie jetzt.
Doch eine Sache fragte ich mich dennoch. Und wahrscheinlich auch jeder andere.
Wer hat das Tier aus seinem Terrarium geholt und frei gelassen? Und wieso?

Painful Love ♡ HYUNLIXWhere stories live. Discover now