Teil31

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Eine Weile, es war schwer zu sagen wie lange, saß Dallas nur da und hielt Andys Hand. Dugan saß daneben und beide sagten gar nichts. Sie würden nicht gehen, solange Andy noch da war, doch schließlich war er fort. Tot. So tot wie Marley oder sonst wer. Dallas starrte auf den reglosen Körper vor sich und rang um sowas wie Fassung. Er konnte Tränen des Entsetzens, der Wut und der Trauer nicht aufhalten. Er begann zu zittern, sodass Dugan ihn jetzt fest in den Arm nahm. „Schtschhht, bleib ruhig, ich bin bei dir..." Dallas verkrampfte und krallte seine Finger in Dugans Hoodie. Er sollte nicht so wütend sein, Menschen starben jeden Tag, auch Unschuldige eines gewaltsamen Todes, diese Sinnlosigkeit jedoch ließ ihn innerlich toben. Andy war ein lebenshungriger, junger, gesunder Mann, verdammt, er sollte leben. Aber Dugan war da und atmete. So fest, wie Dallas sich an ihn klammerte, konnte er das Dehnen seiner Brust spüren, seinen Atem an seinem Ohr. Das war tatsächlich irgendwie tröstlich. Er kraulte Dallas sanft im Nacken. „Ruhig, ganz ruhig, schscht..."

„Wie kannst du... so ruhig bleiben? Das könnte auch einer von uns beiden sein..."

„Glaub mir, ich bin alles andere als ruhig", raunte Dugan mit einer Stimme, die fast wie ein Knurren klang, „aber dafür werden diese Typen bezahlen." Ja sicher, wenn jemand gelernt hatte mit seinen Gefühlen und Instinkten kontrolliert umzugehen dann wohl der Werwolf, in dessen Armen der Rotschopf sich befand. Er versuchte, seinen eigenen Atem und das Zittern in den Griff zu kriegen. Wenn Dugan das konnte, bekäme er das auch hin, irgendwie. Sie mussten zur Polizei und zwar so bald wie möglich. 

„Bring mich hier weg", bat er und stand langsam, aber entschlossen auf. „Ich muss eine Aussage machen."

Dugan verstand und nickte. „Ist gut, hier kommen wir nicht weiter." 

Das schienen seltsame Worte zu sein, aber Dallas hatte sich inzwischen beinahe daran gewöhnt, dass der Mann, in den er sich so rettungslos verliebt hatte, seltsame Dinge sagte, die nur einen Sinn in noch seltsameren Zusammenhängen ergaben. Dallas musste noch einmal auf Andy schauen, als gäbe es irgendeine Hoffnung, Dugan jedoch warf stattdessen im Hinausgehen der Schwester und dem Arzt Blicke zu, die Dallas nicht einordnen konnte. War es nur Verachtung oder eine weitere Beeinflussung dieser Menschen? Was tat er da und wozu war er überhaupt fähig?

Dugans Gesichtsausdruck verriet nicht das Mindeste, aber Dallas wusste genau, dass irgendetwas vor sich ging. Er vertraute jetzt einfach auf den Mann an seiner Seite, während sie den scheinbar endlosen Weg hinaus und zum Wagen gingen. Was war jetzt mit diesen Formalitäten? Aber nein, das würde Dugan nicht vergessen, er schien etwas Wichtigeres im Sinn zu haben. Als sie den Wagen erreichten war klar, dass Dugan fahren würde. Dallas war noch viel zu aufgewühlt. „Wir fahren zur Polizei. Danach holen wir die Katzen", erklärte Dugan sanft, aber bestimmt. Dallas nickte. Ihm kamen jetzt Bilder der Nacht mit Andy in den Sinn. Wie sie den Club verließen und irgendwann merkten, dass jemand hinter ihnen war. Er versuchte, sich an jedes nur mögliche Detail zu erinnern. Wie viele Männer? Wie waren ihre Stimmen? Hatten sie einen schottischen Akzent?...

Als der Rover vor der Polizeistation hielt, holte Dallas tief Luft. Nie in seinem Leben hätte er es für möglich gehalten, dass er mal mit so einem brutalen Fall von Queer Bashing zu tun haben würde. Andy war tot, es war Andy.

„Bist du bereit?" Dugan beugte sich zu ihm auf dem Beifahrersitz herüber und sah ihn prüfend an. Ja, er musste bereit sein. Dallas nickte. Dann gab Dugan ihm einen Kuss und sie stiegen aus und betraten das Revier, das sich in einem alten, viktorianischen Gebäude aus roten Ziegeln befand. Zuerst nahm niemand Notiz von den beiden jungen Männern, die sich im Eingangsbereich fragend umschauten. Dann kam eine Frau in einem grau-blauen Kostüm auf sie zu. „Kann ich ihnen helfen?", fragte sie. Sie musterte Dallas und Dugan mit einem Blick, der verriet, dass sie es gewohnt war, Menschen den unterschiedlichsten Kategorien zuzuordnen: Täter, Opfer, zuverlässiger Zeuge, Wichtigtuer... Dallas und Dugan schienen auf Anhieb nicht so recht irgendwo hineinzupassen. Also legte sie erwartungsvoll den Kopf etwas schief. Dugan beschloss, für beide zu antworten. „Ja, guten Tag. Wenn das hier das zuständige Revier für den Überfall in der Highbury Road ist, dann möchte mein Freund eine Aussage machen."

Sie kniff beinahe unmerklich die Augen zusammen. Also hatte sie entschieden, dass die beiden zumindest der Kategorie „brauchbar" oder „keine Spinner" zuzuordnen seien. „Das hier ist das richtige Revier. Setzen Sie sich doch ein paar Minuten hierher, dann bringe ich Sie zu Detective Inspector Connery, der für den Fall zuständig ist." Sie deutete auf eine Reihe von fünf Stühlen, die an einer grau gestrichenen Wand zwischen zwei Türen standen. Neben einer Tür befand sich ein Kaffeeautomat. Offensichtlich war das so eine Art Wartebereich. Dugan dankte, nickte und setzte sich mit Dallas dorthin. 

„Hattest du schon mal mit der Polizei zu schaffen?", fragte Dallas neugierig.

Der junge Laird nickte und grinste ironisch. „Ständig. Ich breche doch angeblich in Gewächshäuser ein oder schwängere die Jungfrauen des Ortes. Mach dir keine Sorgen."

Dallas versuchte, sich das vorzustellen: Dugan auf dem Revier von Lanark und im Verhör mit abergläubischen Polizisten. Wäre der Anlass ihres Besuchs nicht so entsetzlich, dann hätte er das vielleicht irgendwie amüsant gefunden. Aber gerade war ihm das Lachen vergangen. Dallas holte für sich und Dugan einen scheußlich schmeckenden Kaffee aus dem Automaten, dann war die Frau auch bereits zurück und bat die beiden, ihr zu folgen.

Highland SagaTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang