Teil 25 Keine Nachricht

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Gleich als Nächstes kümmerte sich Dallas um den Landrover, indem er dem alten Fitz die Schlüssel übergab. Der Butler würde den Wagen von der Polizeistation im Ort holen. Dann schickte er ein paar Nachrichten an sein BBC Team, um sie wissen zu lassen, dass alles so lief, wie er gehofft hatte, wobei er natürlich die Tatsache unterschlug, dass sich sein Liebster bei Vollmond in ein Raubtier verwandelte. Er zögerte kurz bei seiner Nachricht für Andy. War er wirklich fair zu ihm, wenn er ihn wissen ließe, dass er jetzt mit Dugan zusammen war? Andererseits war das genau das, was Andy als seinen Wunsch erkannt hatte. Sollte er gleich vorschlagen, dass sie zusammen nach Inverness kommen könnten? Er beschloss, einfach ehrlich zu sein. 

„Hey, sexy Tänzer:) Tausend Dank für deinen selbstlosen Tipp. Dugan und ich, wir sind jetzt zusammen und möchten dich sehen. Komm du oder wir kommen. Dallas." 

Kaum hatte er alles gesendet, da kam Dugan zu ihm. Er hatte seine roten Gummistiefel angezogen, was nur bedeuten konnte, dass er zu den Jungwölfen im Gehege wollte. 

„Bist du soweit?", fragte er und gab Dallas spontan einen Kuss. 

„Immer."

Auf der Fahrt im Caddy erzählte Dugan ein wenig darüber, wie der Park angelegt war. Dallas hörte aufmerksam zu, aber nicht, weil er sich so brennend für historische Lanschaftsgärten interessierte, sondern weil er sich jedes noch so kleine Detail von Dugan einprägen wollte. Die kleine Mimikfalte zwischen den Augenbrauen, die er machte, wenn er etwas wirklich Wichtiges erzählte, die Mundwinkel, wenn er lächelte, eine feine, aber nicht ganz kleine Narbe unter dem Kinn, ein letzte Nacht abgebrochener Fingernagel... Dallas sah und hörte zu und zusammen mit Dugans tiefer, rauher Stimme, merkt er nur zu deutlich, dass ihn das schon wieder erregte. Aber er nahm sich vor, sich zusammenzureißen, denn Dugan musste ein paarmal Gähnen, was verriet, dass so eine „Wolfsnacht" durchaus anstrengend war. Als sie das Gehege erreichten, stieg Dugan sofort ab und machte sich an einer großen Kühlbox zu schaffen, die hinter ihnen im Caddy stand. Dallas fragte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob Dugan selbst die Beute für die Jungwölfe gerissen hatte, was nicht unbemerkt blieb. 

„Keine Panik", kam es von Dugan mit einem wissenden Grinsen, „Fitzgibbons holt das vom Schlachter in Lanark. Fass mal mit an."

Dallas lächelte entschuldigend und nahm einen Griff der Box, sodass sie sie vom Wagen hoben. Als sie das Gehege betraten, schaute sich Dallas um. „Wo sind die Tiere denn?"

„Die Kleinen trauen sich nicht aus dem Bau, wenn du dabei bist und die anderen sind tagsüber weiter hinten bei den Bäumen. Die kommen erst, wenn wir weg sind. Das ist auch gut so, es sind Wildtiere. Wir wollen sie wieder in die Freiheit entlassen, wenn sie stark genug sind."

„Wann kann man sie sehen?"

„Heute Abend, wenn du magst."

„Gern."

Sie stellten die Box ab und Dallas ging auf ein Zeichen von Dugan ein paar Schritte zurück. „Ich hol die Kleinen", sagte Dugan und dann verschwand er beinahe vollständig in dem Eingang des Baus, da wo er Dallas am ersten Tag die schlafenden Wölfe gezeigt hatte. Nur die roten Stiefel schauten noch heraus. Im Innern des Baus konnte Dallas jetzt ein leises Wimmern und Heulen hören, dann kam Dugan rückwärts gekrochen und hielt einen der Jungen Im Arm. Der Andere hatte sich am Ärmel seines Hoodies fest gebissen und ließ sich mitschleifen. Er knurrte heftig und rutschte auf dem Hinterteil. Dugan setzte sich auf und schaute zu Dallas herüber, der in einigem Abstand wartete. „Sorry, ich habe vergessen, sie zu erziehen", scherzte er, „du kannst ihnen was geben, wenn du magst. Sie sind zu klein, um dich zu beißen."

Dallas mochte in der Tat. Er holte ein paar Fleischstücke aus der Box und kam langsam heran. Dann kniete er sich neben Dugan und die Welpen, die inzwischen angefangen hatten, Dugan an Ohr und Hand zu lecken. Als sie das Fleisch bemerkten, schauten sie Dallas neugierig und misstrauisch an. „Na kommt, ich tu nichts", versprach er und hielt dem Frechen an Dugans Hand und Ärmel etwas hin. Der schnappte jetzt mutig zu und begann, das Stück gierig hinunterzuschlingen. Dugan lachte und nahm Dallas auch etwas ab, das er dem Kleineren gab. Der schlang genauso gierig wie sein Bruder und begann dann gleich wieder damit, Dugan im Gesicht zu lecken. „Du kitzelst", beschwerte er sich. Der freche Bruder schien zu glauben, dass es etwas zu fressen gab, wenn man an jemandes Ärmel zog und zerrte jetzt bei Dallas. 

„Haben die Namen?", wollte er wissen und hielt dem Welpen einen Happen hin, den der schmatzend in eins hinunterschlang.

„Ja sicher. Der größere ist Beowulf, der kleinere heißt Grendel."

Sowas in der Art hätte sich Dallas auch denken können. Andys Kater hatten die Namen von Indianerhäuptlingen, Dugans Wölfe hießen wie Sagenhelden. Er stand wohl auf Typen mit einem ausgefallenen Geschmack bei Namen.

„Was grinst du so?", fragte Dugan nach.

„Ach, nur so. Schöne Namen."

„Es sind nicht meine, falls du das erwägst. Ich habe sie gefunden und hierher gebracht, weil ihre Mutter nirgends zu finden war."

„Oh Hellfire, ja. Das ist mir klar. Aber du bist toll mit ihnen."

„Du auch. Und ich weiß schon länger, dass du keine Angst vor Wölfen hast", stellte Dugan mit einem halb ironischen Ton fest, „sonst würden sie dich beunruhigen." 

Mit den letzten Worten machte er eine Kopfbewegung, die Dallas zu verstehen gab, dass er hinter sich blicken sollte. Dem war sofort klar, was das bedeutete. Die ausgewachsenen Wölfe waren doch gekommen, am hellen Tag und hatten sich in respektvollem Abstand aufgestellt. „Bleib ganz ruhig und lass' mich nur machen. Die tun dir nichts, denn du gehörst zu mir." Damit ließ Dugan den kleinen Grendel von seinem Arm und machte eine langsame, heranwinkende Geste. Dallas drehte sich um und sah drei Wölfe, die neugierig zu ihnen herüberschauten. Das größte Tier, das allerdings nur drei Beine hatte, kam langsam aber ganz ruhig näher, bis es so dicht bei Dugan war, dass der den Wolf mit der Hand zwischen den Ohren kraulen konnte. „Das ist der Älteste, ich nenne ihn Rollo. Lass' ihn deine Hand riechen." Dallas zögerte kurz. Rollo hatte vielleicht nur drei Beine, aber sonst war er ein imposanter, grau-brauner Wolf mit durchaus vollständigem Gebiss. Dugan lächelte jetzt aufmunternd und schließlich streckte Dallas ganz sachte den Arm aus. Der Wolf schnupperte tatsächlich an seiner Hand und legte neugierig den Kopf zur Seite. „Hallo Rollo", flüsterte Dallas. Dann gab Dugan dem Wolf ein Zeichen mit der Hand und er legte sich nieder. Dallas verstand nicht allzu viel davon, aber offenbar sahen die Tiere in Dugan sowas wie ihren Alpha- Wolf, auch wenn er als Mensch zu ihnen kam. 

„Was ist mit den anderen zweien?", fragte Dallas jetzt neugierig.

„Die sind noch zu ängstlich. Die haben schlechte Erfahrung mit Menschen gemacht. Der Rüde ist Ivar und die Hündin ist Aslaug. Es sind Geschwister."

Dallas nickte verständig, obwohl er sich gerade fragte, woher sein Lover das wusste. Redete er mit den Tieren? War er als Wolf dabei gewesen? Irgendwann würde er ihn fragen, aber nicht alles auf einmal. Jetzt wollte er dabei helfen, die Tiere zu versorgen, was beeindruckend genug war. Dugan schien sich kein bisschen der Tatsache bewusst zu sein, dass die Handfütterung von erwachsenen Wölfen keineswegs normal war und schon gar nicht, dass sie sich streicheln und kraulen ließen. Dallas kam kurz der Gedanke, dass er nicht weniger als das getan hatte, mit Dugan. Der schien zu bemerken, dass Dallas über irgendwas nachdachte und lächelte zu ihm herüber. Dallas spielte noch ein wenig mit den Kleinen, dann machten sie es wie am ersten Tag. Sie hängten einen Spielsack auf. „Wir kommen nachher nochmal wieder", fand Dugan schließlich und sie gingen zurück zum Caddy. 

Highland SagaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt