Teil 30 The best die young

616 76 28
                                    


Die Stationsschwester spulte jetzt das gesamte Programm ab. Dallas und Dugan bekamen Überzieher für die Schuhe, hässliche Krankenhauskittel und sogar Hauben fürs Haar und Mundschutz. Das alles machte vor allem Dallas noch nervöser, als er ohnehin schon war und als sie das Zimmer endlich betreten durften, war ihm kurz, als müsste er sich festhalten, weil im schwindelig wurde.

„Geht's?", fragte Dugan, der jetzt auch beunruhigt klang.

„Ja, wird schon."

Der Raum war abgedunkelt und das Bett stand inmitten von allen möglichen Gerätschaften, die offenbar dazu da waren, Andy am Leben zu halten oder zu beobachten, ob er noch am Leben war. Man hörte leises ticken, das Pumpen der künstlichen Beatmung und auf einem Monitor konnte man die grüne Linie seines Herzschlags verfolgen. Wieso ist da niemand bei ihm? Dallas konnte nicht fassen, dass man einen Menschen so allein hier liegen ließ. Er trat vorsichtig an das Bett heran und sah mit Entsetzen, was man Andy angetan hatte. Er war kaum zu erkennen. Er trug einen Verband um den Kopf und offensichtlich hatte man ihm das Haar rasiert. Sein Gesicht war so geschwollen und mit Blutergüssen übersät, dass er die Augen nicht öffnen könnte. Der Tubus wirkte wie ein Fremdkörper in seinem Mund, den Dallas vor wenigen Tagen noch geküsst hatte. Dallas setzte sich auf die Bettkannte und vorsichtig, ganz vorsichtig, nahm er Andys Hand, trotz der Schläuche, die an seinem Arm hingen. Dugan flüsterte im Hintergrund leise mit der Schwester, dann kam er zu Dallas und reagierte nicht weniger geschockt bei dem Anblick. Erst sagte er nichts, aber als Dallas dann fragend zu ihm aufschaute, begann er zu wiederholen, was die Schwester ihm gesagt hatte. 

„Die haben ihn dermaßen niedergeschlagen und ... getreten. Er hatte schwere Hirnblutung, mehrere gebrochene Rippen, eine davon hat die linke Lunge durchbohrt. Ist ein Wunder, dass er ... noch lebt. Wer tut sowas?" Die letzte Frage richtete Dugan mehr an sich selbst, als an Dallas. Der war unfähig irgendetwas zu sagen und schaute nur zu Dugan, dann wieder zu Andy und ihn überkam das schlimmste Gefühl der Schuld. Seine Augen füllten sich gleichzeitig mit Tränen der Wut, des Entsetzens und des Leids. Was er empfand, fiel schwer in Worte zu fassen. 

„Das ist", begann er, „alles meine Schuld."

Dugan schaute ihn entsetzt an. „Wie kommst du schon wieder darauf? Das ist... absurd."

Dallas begann zu schluchzen. „Nein. Das ist, weil ich... wir waren zusammen. Auf der Straße... die Typen sind uns gefolgt. Wenn ich nicht dabei gewesen wäre, wenn... ich nicht seine Hand... Oh, verdammt! Die hätten nicht gewusst, dass er, ... dass wir schwul sind."

Dugan war jetzt nicht weniger entsetzt als zuvor. Er kniete sich vor Dallas auf den Boden und legte ihm eine Hand an die Wange, sodass Dallas zu ihm schaute. Er sah ihm fest in die Augen. „Dallas, hör mir zu", begann er dann ganz sachte, „nichts von dem hier, nichts, was du sagst, ergibt irgendeinen Sinn. Das hier", er deutete auf Andy und die vielen Schläuche und Geräte, „ist weder deine, noch seine Schuld. Das hier ist ein Verbrechen, für das dumme und gemeine Menschen verantwortlich sind. Und sie werden dafür ihre Strafe erhalten."

Dallas hatte ihm zugehört und wollte das nur zu gern glauben. „Wie? Wie soll das geschehen?"

„Wir gehen zur Polizei. Du sagst denen, was du weißt. Die werden die Typen finden. Sonst tu ich das." Mit diesen Worten stand Dugan wieder auf und setzte sich zu Dallas auf die Bettkannte. Dallas hatte Andy die ganze Zeit nicht losgelassen und streichelte seine Hand. Ob er das mitbekam, war nicht zu sagen, denn er zeigte keinerlei Reaktion. Nach einer Weile hielt es Dugan nicht mehr aus, ohne irgendwas zu tun. Er stand auf und holte zwei Becher mit Wasser aus einem Spender im Gang. Dallas trank so gierig, dass Dugan ihm auch seinen Becher überließ. „Danke." Dallas schien sich zumindest etwas gefasst zu haben, doch dafür überkam Dugan jetzt der Gedanke, dass es nur Glück und Zufall waren, denen sie es verdankten, dass Dallas nicht ebenso dalag. 

„Ich hol noch mehr", flüsterte er Dallas zu und nahm die Becher mit. Auf dem Gang traf er wieder die Schwester. 

„Ist da irgendjemand bei ihm gewesen?", fragte er sie.

„Nein, nicht dass ich wüsste."

„Aber er muss doch Familie haben?"

„Die wurden ganz sicher informiert, aber es war niemand hier. Nur sie beide." Sie schaute kurz etwas verwirrt, weil ihr wohl in den Sinn kam, dass Dallas und Dugan eigentlich gar nicht da sein dürften, aber noch bevor sie etwas sagen konnte, hörte man plötzlich die aufgeregte Stimme von Dallas. 

„He, hier stimmt was nicht!" 

Er musste die Klingel gedrückt haben, denn eine rote Lampe über der Tür ging an. Dugan ließ die Wasserbecher fallen und eilte hinzu. Die Gerätschaften im Raum machten andere Geräusche, ein helles Piepen war zu hören. Shit! 

„Holen Sie einen Arzt!", rief er der Schwester zu, die direkt hinter ihm war. Sie nickte hektisch und eilte den Gang hinunter. Dugan war sofort bei Dallas, der beide Hände von Andy ergriffen hatte und panisch auf die Flatline des Monitors blickte. 

„Andy, nicht, hey, bleib bei uns!", stammelte er. 

Dugan wusste nicht, was zu tun sei, beugte sich jedoch eilig über Andy und packte ihn an den Schläfen und legte seine Stirn an Andys. 

„Was machst du? Wo bleibt der Arzt?", hörte er Dallas in heller Aufregung. 

„Sei still!" Er war nicht sicher, warum und wieso, aber er versuchte zu horchen, zu riechen, zu spüren, ob Andy ihnen noch etwas mitteilen wollte, bevor er ... ging. Dugan hatte schon Tiere sterben sehen, verletzte Wölfe, Hunde, Rehe, Katzen, Hasen..., die gingen nicht anders. Dallas hielt den Atem an, er war zu geschockt und verblüfft und verstand nichts, was gerade geschah. Dann kam plötzlich ein Arzt, gefolgt von der Schwester und einer weiteren. Der Arzt schob Dugan beiseite, sah dann aber, dass es für ihn nichts mehr zu tun gab. Andy war tot. 

„Das war's", sagte er nur. 

Dallas verstand nicht sofort, dann schrie er auf. „Nein! Nicht, nicht so..." 

Dugan war sofort bei ihm und schloss ihn in seine Arme. „Schscht, schscht", versuchte er zu beruhigen und hielt Dallas fest. Der Arzt und die Schwestern stellten die Geräte ab und machten Notizen. 

„Gehören Sie zur Familie?", fragte der Arzt irgendwann. Dallas hörte nicht. 

„Ja", sagte Dugan. 

„Dann gibt es da ein paar Formalitäten", begann die zweite Schwester, hielt aber inne, als sie Dugans feurigen Blick bemerkte, der klar zeigte, was er gerade von der Sache hielt. 

„Das können wir später erledigen", fuhr sie dann eilig fort und verließ den Raum. 

„Sie haben doch sicher Dringenderes zu tun", zischte Dugan verächtlich hinter ihr her. Die andere Schwester und der Arzt blickten sich verunsichert an, folgten dann aber ihrem Beispiel. „Haut bloß ab", flüsterte Dugan mit Dallas' Kopf an seiner Halsbeuge. Dallas schluchzte leise.

Highland SagaWhere stories live. Discover now