Teil 2 Das Team

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Das Creative- Team für die Location- Erkundung der BBC bestand insgesamt aus Dallas, Janice, Tariq und Robert. Dallas machte die Fotografien, Janice war die „Reiseführerin", die das Team zu den möglichen Locations brachte, Tariq war ein Spezialist für Aufnahmen mit einer Drohne und Technik schlechthin und Robert war der Fahrer und Mädchen für alles. Die ersten Tage brauchten sie, um sich aneinander zu gewöhnen. Janice war ein ziemlicher Kontrollfreak und bestand morgens auf einem Briefing, in dem sie erläuterte, welche Orte sie tagsüber aufsuchen würden und wie sie dorthin gelangten. Dallas fand es ziemlich unglaublich, dass jemand, der so besessen davon war, auf alles vorbereitet zu sein, lieber immer wieder den Wetterbericht am Handy checkte, anstatt sich in einem guten Outdoor- Laden die für das schottische Wetter geeignete Kleidung zu besorgen. Es geschah mehr als einmal, dass Janice sich ihre Schuhe ruinierte oder auf dem Parkplatz nochmal kehrtmachte, um sich doch noch einen Pulli aus dem Hotel zu holen. Tariq, ein gutaussehender Pakistani, stand ganz offensichtlich auf die hübsche Brünette und bot immer wieder an, ihr seine Jacke zu geben. Janice war für dieses Angebot entweder zu emanzipiert oder sie erwiderte das Interesse des Teamkollegen einfach nicht. Da war sich Dallas noch nicht sicher. Robert war der Älteste im Team und hatte diese liebenswerte Angewohnheit, jeden mit einem Kosenamen anzureden. Janice war Lassie, Bonny oder Luvvy. Tariq war Blacky, nahm das Robert aber offenbar nicht übel und Dallas und er waren beide Laddy oder Sunny. Wenn sie im Wagen fuhren, erzählte Robert stets irgendwelche Anekdoten von früheren „Einsätzen" für die BBC und wurde nicht müde zu betonen, dass er so gut wie alles schon erlebt hätte. Ihre gemeinsame Reise ging von London mit dem Zug bis Inverness, wo sie ein paar Tage zubrachten, dann sollte es weitergehen in die Highlands. 

Sie wussten, dass sie Drehorte für ein Historiendrama über Maria Stuart suchten und fotografierten und Dallas machte es sich selbst zur Aufgabe, die verschiedenen Locations nach Möglichkeit so ins Bild zu setzen, dass keine oder wenige moderne Gebäude oder Gegenstände zu sehen waren. Tariq wies mehrfach daraufhin, dass moderne Computerprogramme all das verschwinden lassen würden – als ob er als Fotograf das nicht wüsste – aber Dallas sah das als eine besondere Herausforderung. Wenn sie abends noch auf ein Pint zusammenkamen, schauten sie die neusten Aufnahmen am Laptop an und jedes Mal, wenn ihm Aufnahmen ohne Strommasten oder Autos gelungen waren, war er mit seiner Arbeit zufrieden. 

„Man merkt, dass du aus der Gegend bist, Laddy", sagte Robert immer wieder und meinte offenbar ganz Schottland. Sicher war das eine besondere Anerkennung, denn Robert war so ziemlich der schottischste Schotte, dem Dallas je begegnet war, aber es steckte auch die Neugier dahinter, zu erfahren, woher Dallas genau kam. Er kam aus Edinburgh, das verriet schon sein Akzent, den er sich in London weitgehend abgewöhnt hatte, dem er jetzt aber freien Lauf ließ. Eine genauere Auskunft gab er nicht. Hin und wieder kamen Fragen wie, ob er zu einem Clan gehöre oder ob er Kilt tragen würde. Sein Familienname war Muir und somit gehörte er zu keinem der Clans. Kilt hatte er nur auf Partys in London getragen, in seiner Familie waren die nicht gerade angesagt. Bestimmt fiel auf, dass er nicht so großzügig über sich selbst, seine Vergangenheit oder seine Familie erzählte wie Robert, Janice oder Tariq, aber das war eben nicht seine Art, redete er sich ein. „Hältst du so hinterm Berg, weil du schwul bist?" In Tariqs Frage klang echte Neugier mit, aber er hatte auch ein wenig zu viel getrunken und gewartet, bis Robert und Janice gegangen waren. „Woher weißt du das?", übersprang Dallas den ersten Teil der Frage. „Na, du machst überhaupt keinen Versuch, bei Janice zu landen und wie du aussiehst, hättest du bestimmt 'ne richtig gute Chance."

„Vielleicht will ich dir einfach nur nicht ins Gehege kommen."

Tariq musste grinsen. „Du kannst einem Muslim nichts vormachen."

„Okay. Du hast recht. Ich stehe auf  Typen und lege keinen Wert darauf, meine Familiensaga auszubreiten." Dallas nahm noch einen Schluck Cider.

„Wann hast du deine Leute zuletzt gesehen?"

Dallas überlegte. „Das muss jetzt etwas mehr als drei Jahre her sein."

„Und du bist hier, weil du das alles hier vermisst?"

„Auch. Aber ich denke, ich wollte wissen, wie es sich nach den Jahren so anfühlt. Ob ich hier zuhause bin."

„Und?"

„Weiß ich noch nicht."

„Wirst du deine Leute auf dem Rückweg besuchen?"

Auch das wusste Dallas noch nicht. „Ich sagte doch, keine Familiensaga."

Tariq verstand und nickte. „Okay, aber wenn du reden willst, jederzeit. Gute Nacht." Damit nahm er den letzten Schluck Ale und machte sich auf in sein Zimmer.

„Gute Nacht."

Dallas war etwas überrascht über das Angebot zu reden. Aber vielleicht hatte ein junger Mann aus einer muslimischen Familie mit ähnlichen Schwierigkeiten zu rechnen wie ein junger schwuler Schotte in einer katholischen Familie? Was immer, nach schlafen war ihm jetzt nicht zumute. Er schaute in den Spiegel hinter der Bar. So wie er aussah, würde es nicht lange dauern...

Dallas trank aus, bezahlte und machte sich auf. Es wäre nicht weit bis zum nächsten Club, wo er bestimmt jemanden finden würde, der auch nicht schlafen wollte.

Highland SagaWhere stories live. Discover now