33. Kapitel

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Nellys Sicht:

Immernoch verärgert über die unfreiwillige Enthüllung von Annbelles echtem Leben, klammerte ich mich so gut es ging an Aby, die ebenso schlecht gelaunt versuchte von ihrem Stuhl loszukommen.

"Herrgott!", stieß Annabelle wütend hervor. "Haltet jetzt die Füße still! Ihr kommt da sowieso nicht mehr los."

Aby zuckte leicht zusammen und bewegte sich nicht mehr. Ich nahm ihre Hand und Zoes noch dazu. In der Mitte zu sitzen beruhigte mich ein ganz kleines bisschen.

"Ich weiß, dass Salvan euch den Anhänger irgendwie mitgegeben hat. Ich weiß nur nicht wie!" Die letzten Worte spuckte Annabelle wütend aus.

"Ja und woher sollen wir das wissen?!", schnauzte Aby sie an.

"Wir würden diese Kette doch auch gerne haben, also warum sollten wir zu dir, wenn wir es wüssten?!" Genervt sah auch ich zu dem Engelsmädchen auf.

"Weil ihr gar nicht wisst, dass ihr sie habt!" Annabelle war kurz davor zu flüstern, dennoch war jedes ihrer Worte gut zu verstehen.

"Was hast du jetzt mit Saphira vor?", wollte Zoe misstrauisch wissen.

"Naja, könnt ihr euch das nicht denken?" Annabelle lächelte krank. "Salvan hat sie ausgewählt. Seht doch." Sanft strich sie ihre Haare zur Seite und präsentierte uns ihren Hals. Das Blut pulsierte leicht.

"Und?!", schrie ich fast. Aby drückte kurz meine Hand, als Zeichen der Beruhigung. Ich atmete tief ein und wieder aus.

"Und deshalb wird sie höchstwahrscheinlich auch diejenige sein, die den Anhänger mit sich trägt."

Das machte Sinn, ja. "Wo denn?", fragte ich jetzt wesentlich ruhiger.

"In ihr."

"Wie in ihr?" Zoe war verwirrt.

Doch Annabelle antwortete nicht mehr, sie grinste nur ein letztes mal in unsere Richtung, bevor sie Saphira noch einmal genau vor sich positionierte. Unsere Freundin
schwebte wie ein toter Engel vor uns, und regte sich nicht. Ein schrecklicher Anblick.

Annabelle bewegte ihre eigene Hand ganz vorsichtig, mit spitzen Fingern. Ich wusste rein gar nicht, was jetzt kam, als starrte ich gebannt auf Saphiras Körper. Zoe und Aby waren ebenso angespannt. Es war ganz still, nicht einmal der Wind wehte durch die Bäume, oder ein Bach plätscherte im Hintergrund. Keine Vögel, keine Natur. Totenstille. Nur das Atmen meiner Freundinnen war zu hören.

Plötzlich bewegten sich Saphiras Adern am Hals etwas merkwürdig. Sie zuckten nicht mehr gleichmäßig, sondern eher hin und her, und das eben komplett unkontrolliert. Im Moment war ich noch verwirrt, doch Annabelles nächster Schritt kam so überraschend, dass ich gar keine Zeit hatte wegzusehen. Sie hatte Saphira wohl mit ihren Fingern einen kleinen Schnitt in ihre Haut geritzt. Schwarzes Blut quoll hervor. Angeekelt aber auch fasziniert sah ich Annabelle dabei zu, wie ihre langen zierlichen Finger in der Luft kleinste Bewegungen machten, die schmerzhafte Auswirkungen auf Saphira hatten. Das Blut floss und schien kein Ende zu nehmen. Langsam hatte ich Sorge, dass Saphira gar kein reines, also rotes Blut besaß. Ich klammerte mich immer fester an Aby, was sie erwiderte.

"Okay...", murmelte Annabelle konzentriert. "Ich bin mir sicher, mein Bruder hat ihr den Anhänger unbewusst übertragen. In Form seines Blutes, er wusste einfach nicht, dass er das getan hatte."

Zoe runzelte die Stirn, wandte den Blick aber nicht von Annabelles Arbeit ab. "Aber wann sollte er ihr überhaupt Blut gegeben haben?"

"Na bei ihrer Vision, wann denn sonst." Ihr Blick galt der offenen Wunde, während nur starr auf Saphiras Oberkörper blickte, der sich leicht auf und ab bewegte. Sowas überlebt man dich nicht. Normalerweise, doch was war hier denn schon normal...

"Ich hatte auch eine Vision, da hat er mich nicht berührt", warf Zoe ein.

"Man Zoe! Wer will dich denn schon berühren!" Wütend riss ich meinen Blick von der sterbenden Saphira los. "Das ist doch jetzt auch komplett egal, dann war es halt bei ihrer Vision, wann hätte es auch sonst sein sollen und du-" Mein Kopf fuhr wieder zu Annabelle. "Lässt jetzt deine Finger von ihr!" Meine Wut ging in Trauer unter und Tränen stiegen mir in die Augen.

Aby nahm meinen Kopf und legte ihn auf ihre Schulter, sodass ich nicht mehr ganz mitbekam, was sich vor mir abspielte. Der Wasserschleier legte sich jetzt komplett über meine Augen und ich schloss diese. Abys Hand strich rhythmisch über meine Wange und gab mir Nähe und Wärme.

Ich wusste, dass Annabelle ihre Taten fortsetzte und das zerriss mir das Herz, vor allem zu wissen, das man selber nichts machen konnte.

Ein leises Geräusch, dass sich irgendwie... glitschig anhörte ließ mich hochschrecken.

"Ups...", kam es flüsternd von Annabelle, die endlich wieder aufblickte.

Was war passiert?! Ich suchte Saphira panisch mit den Augen ab. Ihre Brust hob sich ein letztes mal, bevor sie sich  senkte und Saphira sich diesmal tatsächlich nirgendwo mehr regte.

Das Geheimnis der grünen InselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt