32. Kapitel

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Abigails Sicht:

Nachdem Nelly diese weiße und große Tür geöffnet hatte, fühlte ich mich leichter. Leichter und unbeschwerter. Als gäbe es keine Sorgen oder Probleme an diesem Ort. Hinter dieser Tür befand sich eine andere Welt. Es war wie im Märchen. Ein riesiger Wald mit einigen Lichtungen erstreckte sich vor uns. An diesen Lichtungen schien die Sonne in einzelnen Strahlen hervor, was einen magischen Effekt erzeugte. Vögel aller Art zwitscherten und ließen die Atmosphäre nicht so stumm wirken. Ein kleiner Bach plätscherte im Hintergrund, mit einem noch kleineren Wasserfall. Blumen ließen den Duft von etwas Süßlichen durch die Lüfte schweben und das ganze Bild noch bunter aussehen. Zwei Hasen jagten einander hinterher und verschwanden hinter ein paar Büschen. Und wenn ich mich nicht täuschte, konnte ich sogar von weiter weg ganz leise leichte Streichmusik hören.

Was zur Hölle ist das hier?
"Ist es nicht wunderschön?", hauchte Nelly begeistert.

"Das ist das Kitschigste und Schönste was sich je gesehen hab", antwortete ich monoton. "Wo sind eigentlich die anderen?"

Ich fuhr herum und sah die weiße Tür, die mitten in der Luft schwebte. Dahinter konnte man eben nur wieder die Blumenwiese sehen. Langsam öffnete sich die Tür und Zoe trat zu uns. Zuerst blieb sie reglos dort stehen und sah sich um. Dann blideten sich ihre Lippen zu einem Lächeln und sie kam zu uns.

"Das-", fing sie an, doch Nelly unterbrach sie. "Sch!"

"Was ist?", fragte ich. Genervt drehte Nelly sich zu mir und sah mich an. "Wenn ich Sch sage dann meine ich das ihr still sein sollt. Hat meine kleine Aby das etwa nie gelernt?" Mitleidig wollte sie mir den Kopf täscheln, doch ich schlug ihre Hand wütend zur Seite. Härter als ich wollte, denn sie quikte kurz auf und wandte sich wieder ab.

"Habt ihrs dann?", fragte Zoe und war schon ein paar Schritte voraus.

"Wo willst du denn hin?", fragte Nelly irritiert.

"Na, hier rum stehen bringt uns auch nicht weiter", antwortete Zoe grinsend und stolzierte davon.
Mit schnellen Schritten folgte ich ihr, um etwas Abstand zwischen Nelly und mich zu bringen. Ich wusste, dass es kindisch war, doch ich wollte im Moment nicht mit ihr reden.

"Was denkst du wo Saphira ist?", wollte ich von Zoe wissen.
"Wahrscheinlich hockt sie irgendwo und lässt es sich gut gehen. Sie könnte ja mal warten", sagte Zoe leicht säuerlich. Da hatte sie recht, doch solange sie unter Salvans Kontrolle stand, konnte man ihr gar nichts vorwerfen.

"Auch schon da?", hörten wir plötzlich eine Stimme direkt hinter uns. Zoe und ich wirbelten herum und erblickten Saphira, die uns ungeduldig anstarrte.

"Wo ist Nelly?", fragte sie streng.

"Hier!", meldete sich diese zu Wort und gesellte sich zu uns.

"Folgt mir!" Saphira drehte sich wieder um und schnippte kurz mit ihren Fingern. Dabei wehten ihre dunkelroten Haare zurück und fiehlen ihr über die Schultern. Ihr Hals lag frei, und ich konnte ihre zuckenden schwarzen Adern sehen.
"Das darf nicht mehr so weiter gehen", meinte Zoe.
"Echt so", stimme Nelly ihr zu. "Ihr Blut wird bald vollständig schwarz sein."
"Das mein ich nicht." Zoe sah ihre Freundin an. "Sie kommandiert uns herum wie Tiere!"

Nelly und ich verdrehten grinsend die Augen und folgten den anderen beiden.
Plötzlich blieb Saphira stehen. Wir standen auf einer Lichtung im Wald, sie war relativ groß und kreisrund. Wir traten aus dem Schatten der Bäume in das gleißende Sonnenlicht. Gemeinsam reihten wir uns zu viert auf und schlossen alle für einen kurzen Moment die Augen. Hier war alles so entspannend und einfach. So wunderschön... stop! Ich durfte mich nicht ablenken lassen. Ich griff nach Nellys Hand, die daraufhin ihre Augen sofort wieder öffnete. Auch Zoe blickte wieder auf, nur Saphira schien noch Vitamin D zu tanken. Für einen kurzen Augenblick bildete ich mir ein, wieder die alte Saphira neben mir zu sehen. Dieser zufriedene Gesichtsausdruck, dieses leichte Lächeln, diese Entspanntheit. Das erinnerte mich an sie. Doch als eine unbekannte Stimme zu uns sprach, öffnete auch Saphira ihre dunkelblauen Augen, und sie wurde wieder ernst und leicht teuflisch.

Das Geheimnis der grünen InselWhere stories live. Discover now