54. Kapitel

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Nellys Sicht:

Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Zwei Minuten? Zwei Stunden? Oder zwei Tage?

Aby hatte meinen Namen gerufen. Dann war da noch Annabelle, die mich einschlafen hat lassen. Ich wusste auch nicht, in welchem Zustand ich mich danach befand.

Ich fühlte rein gar nichts. Und das war auch gut so, denn länger hätte ich diese Schmerzen nicht ausgehalten. Das war nur eine Frage der Zeit.

Ich konnte nichts sehen, auch wenn ich alles um mich herum erahnen konnte. Den dunklen Saal, den Schrank, der halb auf mir lag, und meine zusammengezogenen Beine. Und Zoe, wie sie hilflos über mir beugte. Das waren die letzten Minuten die ich erlebt hatte.

Doch ich war ja nicht tot. Zumindest dachte ich das. Nein, das konnte nicht sein. Auf einmal verspürte ich einen dumpfen Schlag in meinem Gesicht. Ich wollte wieder wach werden! Ich wollte... ich wollte...

Abys Sicht:

Annabelle und Salvan waren verschwunden. Nein, sie waren nicht verschwunden, sie waren besiegt,  erledigt. Jetzt saßen wir alle um Nelly herum. Ich wollte die ganze Zeit aufstehen und weggehen, doch Zoe zerrte mich ständig zurück. Ich konnte einfach nicht dasitzen und meiner Freundin beim Sterben zusehen!

Saphira hatte noch Hoffnung. Sie war der Meinung, dass Nelly jeden Moment aufwachen würde, und Zoe war sich sicher, dass Saphira recht hatte. Saphira hatte eigentlich immer recht. Doch das war mir grad eigentlich echt egal.

Nervös fuhr ich mir durch die Haare. "Aby jetzt setz dich her." Saphira klang flehend und leicht streng. Doch ich konnte ihr diesen Gefallen nicht tun.

"Und wenn sie wirklich nicht mehr aufwacht?", sprach Zoe genau das aus, was ich die ganze Zeit dachte.

"Natürlich wird sie das!", entgegnete Saphira leicht empört.

"Das weißt du nicht!", zischte Zoe. Natürlich konnte sie es nicht leiden, wenn man ihr widersprach.

"Sie muss einfach..." Saphira legte ihre Hand an Nellys Wange. Ich lachte laut auf, ironisch gemeint.

"Jetzt übertreib es nicht, okay?" Ich stieß ihre Hand beiseite. "Wobei..." Jetzt legte ich meine Hand an Nellys Wange. Ich kniete mich neben sie und holte leicht aus. Ich verpasste ihr eine sportliche Ohrfeige und sofort schnappte Saphira entsetzt nach Luft. Zoe lachte leise. Doch bevor einer von ihnen etwas sagen konnte, schlug Nelly wie durch ein Wunder die Augen auf.

"Hast du mich grad geschlagen?", waren ihre ersten Worte. Sie klang extrem erschöpft und ihre Augen klappten immer wieder zu. Doch ein kleines Lächeln konnte sie sich nicht verkneifen.

"Ja!" Ich umarmte sie lachend und mir fiel gleichzeitig ein riesiger Stein vom Herzen.

"Der Schrank..." Nelly drehte den Kopf  zu dem großen Möbelstück. "Und Salvan, Annabelle..."

"Alles ist gut Nelly." Saphira klang wie eine Therapeutin. "Sie sind weg, und werden auch nicht wieder kommen. Wir erklären dir später den Rest wenn..."

Weiter kam sie nicht, denn Zoe war aufgesprungen und hatte sich schreiben gegen den Schrank geworfen.

"Zoe du..."

Ich half ihr mit allen Kräften und Saphira stemmte sich ebenfalls dagegen. Schließlich war auch der Schrank erledigt. Das konnten wir vorhin natürlich nicht machen, denn ihr Arm sah ja schlimm aus. Doch nachdem die Geschwister besiegt waren, konnte man nichts mehr von der Verletzung sehen.

Nellys Arm lag frei und während Zoe sich gar nicht traute zurück zu Saphira und Nelly zu gehen, rannte ich sofort zu ihnen. Doch vor Verwunderung konnte ich gar nichts sagen.

Eigentlich hätte der Arm meiner Freundin komplett zerstört sein müssen. Doch das einzige was zurück geblieben ist, war ein kleiner blauer Fleck. Und das passte auch zu dem Bild das wir hatten, nachdem wir zu viert alleine in der Burg waren.

"Wie kann das sein?", fragte Saphira ungläubig.

"Das wollte ich dich gerade fragen", erwiderte ich lächelnd.

Zoe sah um die Ecke und atmete überrascht auf.

Ich half Nelly auf die Beine und klopfte ihr so gut es ging den Staub aus ihrer Jacke. "Gehts?" Sie nickte tapfer, da sie noch etwas wackelig auf den Beinen war. Sie dehnte ihren verletzten Arm ein wenig und lachte dann zufrieden. "Als wäre nie etwas gewesen."

"Wir sollten hier so schnell wie möglich wieder raus gehen." Zoe machte sich schon mit eiligen Schritten auf den Weg zum Tor. Wir folgten ihr und blieben alle an der riesigen Tür stehen.

"Wenn sie verschlossen ist?", überlegte Saphira.

"Ist sie nicht." Ich versuchte überzeugt zu klingen. "Wenn Salvan und Annabelle zerstört sind, wird auch jeder Fluch aufgehoben, somit Nellys Arm und somit auch die Tür."

"Ja, dann sollte dieses Schlafmittel von Annabelle vielleicht weg sein, aber doch nicht die ganze Verletzung!" Saphira klang enttäuscht, weil sie diese Logik nicht verstand, doch das tat keiner von uns.

"Sei doch einfach froh, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist." Ich legte beide Hände an den Griff.

Die anderen machten es mir nach, und gemeinsam ließen wir mit aller Kraft das Tor aufschwingen.

Wir lachten, jubelten und fielen uns in die Arme, ohne Angst haben zu müssen, dass wir gleich umgebracht werden könnten. Oder entdeckt zu werden oder sonst irgendwas. Wir lagen schließlich alle im Schnee, ganz egal ob unsere Sachen gerade nass wurden, denn wir sahen ja schon scheiße aus. Ich wusste nicht wie spät es war, doch spät genug um jetzt endlich nach Hause gehen zu können. Und zu wissen, dass man das beendet hatte, was man angefangen hatte. Es hatte seine Zeit gebraucht, es hat lange gedauert. Wir mussten einiges durchmachen, und dazu kam noch die Schule, die Familie und die Liebe. Jetzt konnten wir uns auf andere Dinge konzentrieren, die viel mehr Priorität hatten, als die Machtprobleme von Annabelle und Salvan. Rückschläge hatten wir fürs erste genug erlitten. Wir wollten jetzt ein paar Erfolgserlebnisse und der Sieg gegen die beiden Horrorgeschwister, war ein sehr guter Anfang.

Das Geheimnis der grünen InselWhere stories live. Discover now