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        Ich werde in den folgenden Kapitel oft zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechseln, so wie hier. Nur damit ihr Bescheid wisst. Harry hat eben noch viel zu erzählen, auch nach vier Jahren in Amerika :)

Harry Styles

Als bereits alle im Haus schliefen und ich die halbe Flasche Whiskey geleert hatte, saß ich auf dem Sofa im Wohnzimmer und sah auf die Uhr. Halb eins. Relativ früh für meine Verhältnisse. Seit Jahren schlafe ich nicht länger als vier Stunden in einer Nacht, und selten vor zwei Uhr.

Ich richtete mir das Sofa zum Schlafen zurecht, indem ich Kissen und Decke aus dem Kasten darunter zog und einfach darauf schmiss.

Es war nicht so, als würde mein Körper den Schlaf nicht brauchen, er brauchte ihn sogar sehr. Ich war es lediglich gewohnt, kurze Nächte zu haben.

Und sobald ich die Augen schloss, es ruhig wurde und nichts mehr um mich herum passierte, das mich beschäftigte, geschahen die schrecklichsten Sachen hinter meinen Augenlidern.

Das Grausamste waren nicht einmal die Träume, die mich seit Jahren verfolgten, das taten sie auch schon, als ich noch in Deutschland war. Es waren die stillen Momente, in denen ich zu realisieren beginne, wo ich bin, wer ich bin und was zur Hölle, mit mir passiert war.

Ich sah nicht nur Liam, wie er starb oder Nialls Leiche, die getränkt in Blut im Wald saß oder all die anderen Männer, dessen Blut ich noch heute schmecken konnte. Ich sah sie alle. Wie sie kamen und gingen, lebten und starben.

Und ich sah sie.

Bei dem Gedanken an ihre blauen Augen, konnte ich nicht länger ruhig auf dem Sofa sitze. Ich ging hoch, öffnete leise die Tür zu Lisbeths Zimmer. Selbstverständlich schlief sie schon und nur ungern weckte ich sie, aber manchmal wollte ich sie einfach sehen. Um mich wieder in das Hier und Jetzt zurückzufinden. Um mich selbst daran zu erinnern, dass ich zuhause bin und Menschen um mich herum habe, die ich liebe.

Lisbeths Gesicht wurde nur von dem Mond beschienen, ihre reine, helle Haut sah samtig weich aus. Sie glänzte, da sie durch das Fieber viel schwitzte. Doch ihre Decke hob sich gleichmäßig auf und ab, das beruhigte mich.

Ruhig setzte ich mich an die Bettkante und ließ meine Augen über ihr Gesicht wandern. Es grenzte an ein Wunder, dass ich nicht jedes Mal in Tränen ausbrach, wenn ich sie so schlafen sah. Genauso wie sie hier lag, hatte ich sie damals verlassen. Und ich bereute es bis heute.

Als ich ihr meine Hand auf die Stirn legte, um ihre Temperatur zu fühlen, holte sie tief Luft. Sie war viel zu warm, das schon seit über einer Woche. Das bereitete mir mehr Sorge, als meiner Mutter oder unserem Hausarzt.

„Du", flüsterte das kleine, hübsche Mädchen und blinzelte etwas, „bist wieder da."

Ich schmunzelte. Lisbeth kannte meine nächtlichen Besuche in ihrem Zimmer. Vor allem, wenn ich keinen Schlaf fand, ging ich zu ihr. „Ich bin wieder da", sagte ich leise.

„Mir ist so kalt."

Ich zog ihr die Decke weiter nach oben, stand auf, griff mir die Wolldecke in ihrem Kleiderschrank und legte diese noch über sie. „Du musst wissen, ich schlafe nicht wirklich besser, wenn du nicht langsam gesund wirst."

Sie atmete wieder ruhiger und schloss schläfrig die Augen. Ihr klebten braune Haarsträhnen in der Stirn. „Hast du deswegen Alkohol getrunken?", fragte sie mich.

Ich strich ihr die Haarsträhnen zur Seite. „Du solltest mich so etwas nicht fragen."

„Aber ich kann es riechen."

My Own LiberatorWhere stories live. Discover now