21.

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        Noch ein Fancover von @hazzasgirl02 :)

Harry

Meine Schritte, die ich durch den Wald ging, waren zu schnell und zu laut, das wusste ich. Annemarie konnte nicht mithalten, doch das war mir in diesem Moment, in dem es noch um unser Verschwinden ging, egal.

Ich war wütend. Ja, ich war verdammt wütend.

Ich war mir sicher, Annemarie würde nicht mehr versuchen zu den Nazis zu fliehen, denn dass ich einen von ihnen erschießen musste, sollte sie abgeschreckt haben. Sie brachte uns in Schwierigkeiten, besser gemacht mich. Und nun sollte sie auch zusehen, Schritt halten zu können.

Ich schlug einen Ast vor meiner Nase aus meinem Weg, als sie sich irgendwann gehetzt zu Wort meldete. „Ich – Ich kann nicht – Könnten wir etwas langsamer werden?"

„Nein", lautete meine klare Antwort und lief weiter geradeaus, konnte schon das Ende des Waldes sehen, hinter dem sich besser keine Deutschen befinden sollten. Es war mitten in der Nacht, stockdunkel, am besten sollte sich absolut niemand dort befinden.

„Aber die vielen Sträucher schmerzen an meinen Beinen ... Bitte!" Sie klang abgekämpft und ich hörte noch ihren Kloß im Hals heraus, was bedeutete, dass sie entweder weinte oder damit zu tun hatte, das Weinen zu unterlassen.

Ich konnte verstehen, dass sie Schmerzen hatte, immerhin trug sie nur ein Kleid, aber Schmerzen hatte ich auch. Mit der Zeit verschwand das Adrenalin in meinem Blut und meine Verletzung an der Hüfte machte sich erneut erkennbar. Sie pochte heftig und ich musste mich setzen oder legen, konnte es mir aber noch lange nicht erlauben. Wir sollten uns so weit wie möglich von dem deutschen Trupp entfernen, egal wie groß unsere Qualen waren.

Außerdem war ich noch zu geladen, um mich normal mit Annemarie unterhalten zu können.

Allerdings hörte ich nach ein paar Metern wie sie leise schrie und ihr Körper auf dem Grund unter uns landete. Sie stöhnte und ich drehte mich zu ihr um, sah sie direkt mit dem Bauch auf dem Boden liegen. Um ihr wenigsten ein wenig behilflich zu sein, zog ich sie am Arm auf die Beine, ging sicher, dass sie nicht ernsthaft verletzt war.

„Bitte", bat sie mich leise und sah ausgelaugt zu Boden, während sie sich ein Blatt aus dem zerzausten Haar zog. „Etwas langsamer ..."

Aber ich hörte nicht auf sie. Ich wand mich von ihr ab und ging wieder geradeaus weiter. „Wir laufen weiter, keine Widerrede. Vielleicht solltest du dich besser darauf konzentrieren wo du hinläufst, anstatt ..."

„Nein, ich will langsamer laufen!", schrie sie aus heiterem Himmel und ich blieb sofort auf der Stelle stehen. Wiederholt drehte ich mich zu ihr, nur um das erste Mal eine ansatzweise wütende Miene in ihrem eigentlich sonst immer unschuldigen Gesicht zu sehen. Sie hatte ihre Fäuste geballt und spannte sich an. „Ich ...", quetschte sie wortkarg hervor und presste ihre Augen zusammen, als würde sie jeden Moment explodieren. Sie atmete tief durch und ich sah ihr einfach nur zu. „Ich habe Schmerzen, meine Beine sind geschwächt und ich bin müde", erklärte sie schließlich flehend. „Bitte! Verstehst du das denn nicht?"

Es war für mich das erste Mal sie als  jemand zu sehen, der wie jeder andere Mensch auf der Welt eine Grenze hatte, die nun überschritten war. Man vergaß zu oft, dass Annemarie ein Mädchen oder eher eine junge Frau war, die es nicht leicht bei uns hatte, doch das änderte nichts an unserer momentanen Lage.

Deswegen kniff ich etwas die Augen zusammen und kam ihr allmählich einen Schritt näher. „Was? Du willst langsamer laufen? Glaubst du, das macht Sinn nachdem du geschrien hast wie eine Verrückte, hm?"

My Own LiberatorWhere stories live. Discover now