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        Nervts euch eigentlich, dass ich in letzter Zeit so viel Harry POV schreibe? Irgendwie schreib ich ihn lieber :D
Oben ist übrigens ein weiteres Bild, diesmal von @-lightless :)

Harry

Als ich zurück zum Lager ging, kamen mir schon Toby und ein paar andere Männer entgegen, die nun Liams Leiche wegbringen würden. Sie fragten mich, wo sie ihn hinbringen sollten. „Irgendwo in den Wald. Aber weg von hier", sagte ich ihnen. 

Jeder in der Infanterie liebte Liam. Es würde zu viele Männer zum Verzweifeln bringen, würden sie seine Leiche sofort zu Gesicht bekommen.

Als ich das Lager betrat, herrschte eine erdrückende Stille. Als ich mich umsah, bemerkte ich erst, wie viele Männer wir wirklich in den letzten fünf Stunden verloren hatten. Es war nicht ganz die Hälfte, aber Fakt war, dass es zu viele waren. Ein weiterer Fakt war, dass jeder dieser Männer diese eine Trauer ausstrahlte, die wohl auch ich ausstrahlte. Jeder von ihnen hatte einen Freund verloren.

Wir hatten keine Sanitäter mehr. Nun fingen die Soldaten an, sich gegenseitig die Wunden zu verbinden oder mit ungeschickten Händen die Verletzungen zuzunähen. Alle waren müde und erschöpft. Das war das Einzige, was man hier erkennen konnte.

Ich hielt gerade nach Anne Ausschau, da erblickte ich sie auch schon. Mir fiel ein Stein vom Herzen, das tat es wirklich. Zwar hatte ich mir schon denken können, dass Joseph sie nicht einfach hätte sterben lassen, aber trotzdem war ich enorm erleichtert.

Sie drückte gerade die weinende Annel von sich und kniete vor ihr. Scheinbar verstand sie ihre ständigen Tränen nicht und fragte immer wieder nach.

Bis ich Annel kläglich „L-Liam ..." schluchzen hören konnte.

Es wunderte mich nicht, dass Anne sich die Hand nach Luft schnappend vor den Mund schlug. Auch sie setzte immer große Stücke auf den großen Mann. Liam hatte mir immer erzählt, wie sehr sie sich ihm anvertraute und egal, wie oft ich ihn gebeten hatte, mir all ihre Geheimnisse zu erzählen, schwieg er.

Mit zusammengepressten Augen drückte Anne ihre kleine Schwester fest an sich heran. Von hier sahen die beiden zerstört aus. Das kleine Mädchen mit den vielen Narben auf der Haut, die junge Frau, die ihre schöne Haarpracht verlor und noch immer blaue Flecken hatte, die schienen, als würden sie nie verheilen. Ich hatte mir oft gewünscht, die zwei Mädchen in einer normalen Verfassung, in einer glücklicheren Umgebung und nicht geschundenen Seelen anzutreffen.

Ihr Gesicht in Annels Halsbeuge gepresst, öffnete Anne die Augen und sie fielen direkt auf mich. Vorsichtig löste sie sich von Annel und stand auf. Ihr flossen die stummen Tränen über die verdreckten Wangen.

Es fiel mir schwer, sie einzuschätzen. Würde sie mich wieder verachten und fortgehen? War sie vielleicht genauso glücklich wie ich, dass wir noch lebten?

Ihre Antwort war mehr als befriedigend, als sie erst ruhig auf mich zukam und schließlich begann zu rennen, um mir um den Hals zu fallen.

Sofort drückte ich sie so fest wie ich nur konnte, an mich heran und schwor mir, ich würde jeden windelweich schlagen, der es wagte, uns nun zu stören. Auch Pattons.

Ihr Körper war kalt, ihr flacher Atem erstickt in meiner Schulter. Ich wollte sie noch für Stunden so halten. Mein Gesicht an ihren Hals schmiegen, ihren Körper an meinem spüren und ihre alleinige Präsenz genießen. Es genießen, dass sie noch hier bei mir war.

„Es tut mir so leid", weinte sie in den Stoff meiner Uniform. „Es tut mir so unendlich leid."

Ich war mir nicht sicher, was genau ihr leid tat. Vielleicht sprach sie von ihren Beleidigungen, die sie mir wegen Annel und Walt an den Kopf warf, oder von Liams Tod. Für nichts von beiden hätte sie sich entschuldigen müssen.

My Own LiberatorWhere stories live. Discover now