72.

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Harry

Dieser Kerl hatte keinen Aus-Knopf. Ich dachte, ich hätte ihm vorhin deutlich gemacht, dass ich nicht daran interessiert bin, mich mit ihm über meine Hobbys oder meine Herkunft zu unterhalten.

„Ich bin mir noch nicht sicher", sagte ich infolgedessen und versuchte ihn nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit zu schenken.

„Ich würde gerne mit dir alleine sprechen."

Jetzt hob ich den Kopf. Auch Liam und Joseph sahen ihn konsterniert an.

Keith allerdings schien sich seiner Aufforderung sicher zu sein. „Alleinig aus Höflichkeitsgründen wäre es angebracht."

„Nun gut", sagte Joseph und stand stöhnend auf. Er klopfte Liam auf die Schulter. „Dann machen wir uns mal vom Acker."

Die beiden verließen das Zelt und ich machte ein X auf der Stelle der Karte, über die ich zukünftig mit Pattons reden wollte. „Dann fang an", forderte ich Keith nebenbei auf.

Er schien erst noch zu überlegen, bevor er sprach. Aber dann: „Ich habe mich in den letzten Stunden in der Infanterie umgehört."

„Ach, hast du das", murmelte ich und behielt meine Augen auf der Karte.

„Ja, habe ich. Und ich habe mich auch über dich schlau gemacht. Ich dachte mir, es könnte nicht schaden, dadurch, dass wir sowieso demnächst zusammen marschieren werden."

Ich legte den Stift beiseite und setzte mich gerade hin. „Und hast du etwas Interessantes herausgefunden? Welche meine Lieblingsfarbe ist?"

Tatsächlich wirkte Keith kein Stück nervös. Das erste Mal, grinste er nicht dümmlich.

„Ich weiß, dass du bereits seit fast vier Jahren unterwegs bist. Dafür erhältst du meinen vollsten Respekt und ich kann mir vorstellen, wie grauenvoll es war und ..."

„Nein, das kannst du nicht."

Er verstummte für einen Augenblick. Dann fing er sich wieder. „Du hast Recht, wahrscheinlich kann ich das wirklich nicht. Aber ich verstehe jetzt, warum du so auf mich reagierst, wie du nun mal auf mich reagierst. Deine Erfahrung ist nichts im Gegensatz zu meiner oder den vielen anderen Soldaten, die erst vor kurzer Zeit stationiert worden."

Er behielt Recht in allem, was er sagte.

„Ich bin auch sicher, eure vielen Erfahrungen werden uns sehr oft helfen können und uns vielleicht sogar den Arsch retten. Aber ..."

Ich verschränkte erwartungsvoll die Arme.

Keith atmete holte tief Luft. „Ich weiß auch, dass du Fehler machst wie jeder andere. Und ich denke, es ist ein Fehler, mit unserer momentanen Situation umzugehen, als seien wir Feinde. Ich rede nicht nur von mir, ich spreche im Namen des ganzen Platoons. Uns ist dieses Verhalten auch bei den anderen Männern eurer Truppe aufgefallen und es fällt uns schwer, dies zu tolerieren."

Ich hob eine Braue. „Du solltest zum Punkt kommen." Und wer war er, dass er zu mir kam, um mir so etwas zu sagen? War das nicht die Aufgabe des Hauptmanns?

„Okay, ich komme zum Punkt. Ich, ganz persönlich ich, möchte genauer verstehen, was es bedeutet ... hier zu sein."

„Du möchtest wissen, was bedeutet, im Krieg zu sein?", harkte ich skeptisch nach.

Er nickte. „Ja. Ich würde mich gerne mit dir darüber unterhalten. Vielleicht tut das uns beiden ja gut."

Seine Bitte amüsierte mich, weswegen ich den Kopf schüttelte. „Das ist Schwachsinn. Du würdest nichts aus irgendwelchen Anekdoten lernen."

My Own LiberatorWhere stories live. Discover now