15.

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Harry

Ohne viel darüber nachzudenken, ging ich mit schnellen Schritten zu Liam, der ihr noch kniend verzweifelt hinterhersah. Auch andere Männer wurden aufmerksam auf sie und sahen zu, wie sie sich durch die Fluten kämpfte, immer wieder weggerissen wurde, doch weitermachte.

„Was zur Hölle tut sie da?", fluchte ich verärgert und beobachtete, wie sie sich die Haare gehetzt aus dem Gesicht wischte.

„Sie hat ihr Haarband verloren", erklärte Liam mir und hielt sich die Hand an die Stirn. „Man, sie wird sich umbringen!"

Ich atmete tief durch und presste den Kiefer aufeinander. Sie hatte ihr verdammtes Haarband verloren?

Sie hatte ihr verdammtes, scheiß Haarband verloren?!

Ich musste mich anspannen, um nicht loszubrüllen, deswegen zog ich mir die Jacke von den Schultern, da sie mich nur stören würde.

„Was hast du vor?", fragte mich Walt, der noch erschöpft in der Wiese saß.

„Was glaubst du denn?", gab ich die Gegenfrage und sprang den kleinen Hang hinunter, direkt ins Wasser. Wegen eines gottverdammten Haarbands!

Walt schrie mir noch etwas hinterher, doch ich verstand ihn nicht mehr, da die Fluten noch stärker waren, als vorher. Es donnerte und blitzte, es war ein Wunder, dass ich Annemarie noch an der Oberfläche sehen konnte und sie nicht schon längst ertrunken war.

„Hey!", schrie ich zu ihr, damit sie endlich damit aufhörte, geradeauszulaufen. Ich wich einem abgerissenen Ast aus, der mir entgegenkam und kam ihr immer näher.

Sie krallte sich an einen Baumstamm, der immer Wasser verankert war und sah zu mir zurück. „Es tut mir leid!", rief sie mir zu. „Ich brauche es!"

Wenn du tot bist, wirst du es auch nicht mehr brauchen, dachte ich mir, doch behielt es für mich.

Ein verdammtes Haarband.

Der Abstand zwischen Annemarie und mir betrug nicht mehr als fünf Meter. Ich spürte, wie meine alte Schnittwunde an der Hüfte schmerzte, durch den massiven Druck, der auf mir lastete, doch das interessierte mich gerade nicht. Ich musste sie hier rausbekommen, ob sie wollte oder nicht. Mit gottverdammtem Haarband oder ohne.

Ich kam an dem Baumstamm an und hielt mich an dem Ende fest. „Zieh dich an dem Holz zu mir!"

Sie jedoch schüttelte den Kopf, was mich beinahe verrückt werden ließ. „Ich kann nicht! Mein Haarband klemmt hier fest!"

Mein Griff an dem Stamm wurde fester, weil ich ungeduldiger wurde. „Das ist irre! Komm sofort zu mir und lass dieses Band los!"

Für ein paar Sekunden sah sie mich noch an, ich dachte, sie würde zur Vernunft kommen, doch Annemarie tat das genaue Gegenteil. Sie zog sich weiter an dem Stamm von mir weg und versuchte immer weiter dieses gottverdammte Haarband aus dem Holz zu ziehen.

„Annemarie!", schrie ich und kam ihr einen Schritt näher. „Lass diesen Dreck, dafür haben wir keine Zeit!"

„Ihr versteht mich nicht!"

Und nicht mal eine Sekunde danach wurde meine Seite mit voller Wucht gegen den Stamm gehauen, da ich die unerwartete Kraft einer Welle nicht halten konnte.

Vor Schmerz hielt ich die Luft an und schloss kurz die Augen. Diese verdammte Schnittwunde wird mich noch umbringen, wenn wir nicht sofort aus dem Wasser verschwinden.

Ich richtete mich wieder auf, bereitete mich den nächsten Befehl vor, den ich Annemarie sagen würde, doch dann rutschte plötzlich der Baumstamm einen halben Meter mit der Strömung mit und ich konnte mich noch geradeso daran festhalten.

My Own LiberatorWhere stories live. Discover now